Fraunhofer IBP unterschucht Klimastabilität in bayerischen Schlössern

Historische Gebäude leiden unter den Folgen des Klimawandels. Die veränderten Wetterbedingungen fügen den historischen Gebäuden – innen wie außen – langfristigen und substantiellen Schaden zu. Das gilt vor allem für Baudenkmäler in Europa, die aus Karbonatgesteinen, wie Marmor oder Kalkstein erbaut wurden. Hinzu kommen weitere Belastungen, wie die immer stärkere Auslastung der Baudenkmäler durch den Tourismus. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP hat im Auftrag der Bayerischen Schlösserverwaltung unter anderem die Auswirkungen von Klima und Besuchern auf das Innenraumklima des Königsschlosses Ludwig II., Linderhof, und des Königshauses am Schachen untersucht und gemeinsam neue Lösungsansätze entwickelt.

In dem dreijährigen Projekt „Klimastabilität historischer Gebäude“ hatten die Wissenschaftler des Fraunhofer IBP Gelegenheit, anhand von Klimamessungen, restauratorischen Untersuchungen vor Ort und hygrothermischen Raummodellen unter anderem Schloss Linderhof und das Königshaus am Schachen zu untersuchen. Dazu wurde eigens ein spezielles Analyseverfahren entwickelt. Dabei können auch die einzelnen Einflüsse auf das Mikroklima in einem rechnerischen Modell voneinander getrennt und die verschiedenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Raumklimas bereits in die Planungsphase einfließen.


Untersuchung im Königshaus am Schachen


Das denkmalgeschützte Königshaus liegt im Wettersteingebirge auf 1876 m Höhe. Das Klima ist geprägt durch lange Frostperioden im Winter und schnelle Wetterwechsel im Sommer. Bereits seit Oktober 2006 führt das Fraunhofer IBP Langzeitmessungen der relativen Luftfeuchte und Lufttemperatur zum Raumklima im Schachenhaus durch. Ziel der Untersuchungen war es, herauszufinden, warum das Schachenhaus und seine Innenräume trotz des rauen Klimas so bemerkenswert gut erhalten sind. Dazu wurde die Ausstattung restauratorisch untersucht, Schäden kartiert sowie die Materialen und Kunsttechniken genauestens erfasst. Neben der Aufnahme von Meßdaten kam auch die am Fraunhofer IBP entwickelte Gebäudesimulationssoftware WUFI Plus zum Einsatz. Damit können sowohl die hygrothermischen Bedingungen im Raum, als auch die Wärmeverluste durch Transmission, Verdunstung und Lüftung berechnet werden. Gerade der Luftwechsel in Räumen hat enormen Einfluss auf die Stabilität des Raumklimas. Als günstig für das gute Klima im Türkischen Saal erwiesen sich unter anderem die verwendeten Materialien, mit einer hohen Feuchtepufferung, sowie eine von Beginn an konsequente Instandhaltung und die geringen Besucherzahlen (das Schachenhaus ist nur während der Wandersaison für Besucher zugänglich).
Da das Schachenhaus weder über eine Beheizung noch eine Klimatisierung verfügt, kam man zu dem Schluss, dass das konstante Klima dort, trotz der langen und kalten Winter, für den Erhalt der Ausstattung von großem Wert ist. Folglich sind derzeit keine Eingriffe oder Veränderungen des Raumklimas erforderlich.

Untersuchungen im Schloss Linderhof

Schloss Linderhof gehört mit jährlich rund 450 000 Besuchern zu den beliebtesten Schlössern in Bayern. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Klimastabilität historischer Gebäude« wurden dort detaillierte Untersuchungen zur Gebäudekonstruktion, Nutzung, Lüftung und zum Raumklima durchgeführt. Ziel war es dabei, für das Schloss Linderhof eine Risikoabschätzung bezüglich der Kunstwerke und der Ausstattung zu erarbeiten und ein darauf basierendes Klimakonzept zu entwickeln. Um das Schloss und sein Raumklima besser zu verstehen, untersuchten und bewerteten die Forscher zuerst die wesentlichen Randbedingungen der Baukonstruktion, Nutzung durch Besucher und Belüftung. Die relative Feuchte im Schloss liegt im Jahresmittel über 70 Prozent und ist damit relativ hoch, in Wohnräumen liegt sie normalerweise bei 50 Prozent. In Kombination mit hohen Temperaturen im Sommer führt dies zu Schwüle und somit unter Umständen zu einem verringerten Komfortempfinden der Besucher. Um eine geeignete Belüftung im Schloss zu erreichen werden bisher im Sommer Fenster und Türen geöffnet. Im nächsten Schritt wurde anhand der Daten ein Simulationsmodell erstellt. Diese Berechnungen wurden mit den gemessenen Raumklimadaten verglichen und weiterführende Untersuchungen zum Einfluss der Besucher und des Luftwechsels durchgeführt. Daraus entstand schließlich ein fundiertes Konzept zur Verbesserung des Raumklimas.

Nach umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchung soll nun ein mehrstufiges Lüftungskonzept, das neue Ansätze zur präventiven Konservierung aufgreift, entwickelt werden. Die im Rahmen des Forschungsprojektes gewonnenen Erkenntnisse haben auch gezeigt, dass von einem ganzjährig absolut konstantem Klima, dass nur mit hohem technischen Einsatz zu erreichen wäre, abzuraten ist. Die Bayerische Schlösserverwaltung bezieht die Ergebnisse der mehrjährigen Forschungsarbeit in ihre eigenen Planungen und Maßnahmen zur Erhaltung des Schlosses ein wobei es gilt, das Klima in den Innenräumen im Wesentlichen nicht zu verändern sondern lediglich die Spitzen zu großer Feuchte zu verringern.

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