Gerüstbau mit BIM im Ulmer Münster

Parallel zu den Arbeiten am Hauptturm des Ulmer Münsters wird im Innern der Chorraum umfangreich saniert. In beiden Fällen dient das modulare „Peri Up“ Gerüstsystem als sicheres Arbeits- und Schutzgerüst für die Handwerker und Restauratoren.

Das Ulmer Münster ist die größte evangelische Kirche Deutschlands. Nach der Grundsteinlegung im Jahr 1377 wurde das gotische Bauwerk in mehreren Bauabschnitten errichtet und stetig erweitert. Der 161,53 m hohe Hauptturm wurde erst 1890, also über 500 Jahre nach Baubeginn, vollendet und ist bis heute der höchste Kirchturm der Welt.

Der Chorraum des Münsters ist 29 m lang, 15 m breit und 26 m hoch. Als Spätfolge der Reparaturen eines Bombenschadens von 1945 durch Verwendung unterschiedlicher Materialien lösten sich Ende 2018 Putzteile von der Decke. Die dadurch notwendigen Sanierungsarbeiten an der Gewölbedecke erforderten ein Arbeitsgerüst, das sich möglichst exakt an die komplizierte, dreidimensionale Bauwerksgeometrie anpassen konnte.

Das 13 000 m³ große Raumgerüst wurde freistehend ausgeführt, wodurch Verankerungen an der historischen Baustruktur vermieden werden konnten. Zudem mussten unter anderem das hölzerne Chorgestühl, der Altar und die Chororgel überbaut und umbaut werden. Gleichzeitig wurden abgestufte Arbeitsebenen und Zugangsmöglichkeiten geschaffen, die eine sichere Ausführung der Arbeiten am Chorgewölbe und gleichzeitig am Chorgestühl erlaubten. Der Zugang und der vertikale Materialtransport erfolgten über einen in die Gerüstkonstruktion integrierten Treppenturm sowie einen Bauaufzug.

Modernste Gerüstplanung

Ingenieure des Schalungs- und Gerüstherstellers Peri realisierten die komplexe 3D-Gerüstplanung mithilfe der BIM-Methodik (BIM = Building Information Modeling). Mangels Bestandsplänen wurde der Innenraum des Chores zuvor in Zusammenarbeit mit der Münsterbauhütte mit dem 3D-Laser-Scanning erfasst und in ein 3D-Bauwerksmodell überführt. So konnten bereits in der frühen Planungsphase mögliche Kollisionen mit der erhaltungswürdigen Bausubstanz bei der späteren Montage des Arbeitsgerüstes ausgeschlossen werden. Durch diese hohe Planungsqualität ließen sich Problemstellungen bei der Umsetzung auf der Baustelle vermeiden, was einen effizienten und sicheren Montageablauf zur Folge hatte. Ein weiterer Vorteil der detaillierten Gerüstplanung: Getaktete, auf die Montagefolge abgestimmte Materiallieferungen sorgten dafür, dass nur wenig Lagerplatz benötigt wurde – ein wichtiger Aspekt bei den beengten Platzverhältnissen im und rund ums Ulmer Münster. In kurzer Zeit wurden insgesamt etwa 90 t Gerüstmaterial geliefert und montiert.

Anpassung mit System

Die Gerüstkonstruktion basierte weitestgehend auf einem Grundraster von 2,50 m auf 2,50 m. Zur geometrischen Anpassung an den Chorraum mit all den Nischen und Ausrundungen sowie unter Berücksichtigung des Altars, des Chorgestühls und der Orgel sorgte das metrische Systemraster von „Peri Up Flex“ in 25-cm- beziehungsweise 50-cm-Schritten für maximale Flexibilität. Dadurch wurden bei der Gerüstmontage zeitaufwändige Kupplungsverbindungen weitestgehend vermieden. Auch die Arbeitsebenen für die Gerüstnutzung konnten somit sicher – da ohne Stolperstellen – mit Systembelägen ausgebildet werden. Selbst Auskragungen und Abhängungen ließen sich mit Systembauteilen ausführen. So wurde beispielsweise der knapp 500 Jahre alte Hauptaltar des Ulmer Münsters überbaut, indem die darüber angeordneten Gerüstfelder am umliegenden Raumgerüst mit Standard-Knotendiagonalen abgehängt wurden. Verantwortlich für die Ausführung der Gerüstmontage war die regional ansässige Mack Gerüstbau GmbH.

Erfahrung und Handarbeit

Im Anschluss an die Fertigstellung und Freigabe der „Peri Up“ Gerüstkonstruktion konnten die Sanierungsexperten mit der Bestandsaufnahme der historischen Bausubstanz beginnen. Sie klopften Zentimeter für Zentimeter mit einem Paukenschlägel das Deckengewölbe ab und lokalisierten so die schadhaften Stellen. Bis zu 600 m² werden so gleich mehrmals überprüft, um auch Veränderungen festzustellen. Ein flüssiges Gemisch aus Quarzkalkmehl und Kalk füllt die teils feinen Hohlräume. Zugleich wird das Deckengewölbe vom Gerüst aus großflächig gereinigt.

Äußerst kritisch sind die Bereiche am direkten Übergang zwischen Gewölbe und Rippenbögen. Unterschiedliche physikalische Eigenschaften führten hier zu Rissbildungen und Lockerungen, die es auszubessern galt. Der lockere Putz wurde auf etwa 100 m Länge sorgfältig abgelöst, die Risse und Spalten mit Hanf ausgestopft und neu verfüllt. Nach Abschluss der Arbeiten Ende vergangenen Jahres steht der Chorraum nun den Ulmer Bürgern und den zahlreichen Besuchern wieder offen – zumindest für die nächsten 30 bis 40 Jahre.

Autor

Dipl.-Ing. Andreas Tausend arbeitet in der Abteilung Marketing Media bei Peri in Weißenhorn.

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