Gips auf Draht
Neuanfertigung und Restaurierung von Konstruktionen aus Rabitz

Mit der Patentanmeldung des Maurermeisters Carl Rabitz aus Berlin im Jahre 1878 begann die breite Anwendung der Rabitzkonstruktionen, die mit zunehmenden Brandschutzanforderungen auch für die Umhüllung von Stahlbauteilen genutzt wurde. Heute wird diese Technik in erster Linie bei Restaurierungen eingesetzt.

In öffentlichen Bauwerken wie Theatern gab es vor allem im Zuschauerraum und bei Treppenhäusern vielfältige Anwendung für Rabitzdecken. In repräsentativen Gebäuden ahmte man damit unterschiedliche Gewölbearten nach. Oft findet man solche Rabitzgewölbe auch in Kirchen.

Neben den Gewölben stellte man auch ebene Unterhangdecken her. Für diese Decken gab es spezielle „Rabitzhaken“.  An Fassaden von Gründerzeithäusern findet man diese Bauweise an Erkeruntersichten und Hauptgesimsen. Die Rabitzbauart ersetzte hier komplizierte Simsmauerwerke oder teure Natursteinverblendungen. Gesimse wurde mit Schablonen an der Fassade  gezogen. Einige Gründe für die vielfältige Anwendung waren das geringe Gewicht gegenüber massiven Bauweisen und die relativ geringen Herstellungskosten.

Rabitzdecken wurden hauptsächlich aus brandschutztechnischen Gründen ausgeführt. So baute man in einigen Opernhäusern in Deutschland in den 1950er Jahren Rabitzdecken ein. Ein Beispiel ist die Rabitzschürzen-Decke im Opernhaus in Hamburg. Die erste einheitlichen Normung erfolgte 1951 mit der DIN 4121 „Hängende Drahtputzdecken“. Diese Norm hat bis heute mit der Ausgabe 1978 weiterhin ihre Gültigkeit.

Material

Die Grundlage der Rabitzkonstruktionen bildet ein Drahtgewebe von 10 bis 25 mm Maschenweite aus rohem, geglühten Eisendraht. Es wurden aber auch verzinkte Drahtgewebe verwendet. Als Mörtel kamen unterschiedliche Arten zum Einsatz. Innen verwendete man einen Gipsmörtel, der aus unterschiedlichen Gipssorten, Rabitzleim, Tierhaaren, Kalk und Sand bestand. Der so genannte Rabitzleim wurde in unterschiedlicher Qualität angeboten und verarbeitet. Er hatte die Funktion, die Gipsmasse langsamer abbinden zu lassen. Gleichzeitig wurde der Gips geschmeidiger und nach dem Abbinden härter und dichter.

Im Mörtel war das Verhältnis von Kalk zu Sand 1:3. Bei Wänden brachte man als oberste Schicht einen reinen Gipsputz auf. Außen setzte man Zementmörtel ein, zum Beispiel bei Gesimsen. Um 1900 gab es noch keine einheitlichen Qualitätsstandards für Baustoffe. Die Mörtelzusammensetzung war von den zur Verfügung stehenden Bindemitteln und örtlichen Sandvorkommen abhängig. Daher trifft man bei den einzelnen Rabitzkonstruktionen auf unterschiedliche Qualität von Mörtelbestandteilen.

Besonderheiten von  historischen Rabitzdecken

In historischen Gebäuden findet man heute noch verschiedene Arten von Rabitzdecken. Ebene Decken  wurden als Unterhangdecke unter Holzdecken ausgeführt. Auf der Unterseite der Holzbalken wurden etwa 20 mm dicke Latten aufgenagelt. Darunter spannten die Handwerker das Rabitzgewebe auf. Mit Schrauben zog man das Gewebe straff und befestigte es mit Hilfe von Hakennägeln. Danach wurde der Mörtel in mehreren Arbeitsgängen lagenweise gegen das Maschengewebe gedrückt. Damit entstand eine Art feste Unterhangplatte. Zum Abschluss glättete man mit Gips die Unterseite der Decke. In Kirchen und anderen öffentlichen Gebäuden errichtete man aus architektonischen Gründen Gewölbe verschiedener Ausführung. Als Unterkonstruktion bauten die Handwerker quer zur Wölbung Eisenbügel ein. Diese Bügel wurden an entsprechend langen Hängeeisen befestigt. An den Enden wurden die Bügel zu einem Winkel aufgebogen und gegen das seitliche Mauerwerk gespannt. In diese Konstruktion legte man Rundeisen ein, die mit Draht an den Bügeln befestigt wurden. Auf dieses Gerippe spannt man den Rabitzdraht, der mit Gipsputz versehen wurde. Um gleichmäßige Gewölbeoberflächen zu erreichen, verwendeten die Handwerker entsprechende Schablonen.

Schadensursachen

Die Schadensbilder von Rabitzdecken sind sehr unterschiedlich. Meist treten Schäden als Risse auf. Die Ursachen dafür können bei historischen Gebäuden sehr unterschiedlich sein. Eine mögliche Ursache liegt an der langen Standzeit und dadurch auftretenden Setzungen. Durch Sanierungen an Holzbalkendecken können die Aufhängungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Schwingen während der Sanierungsarbeiten und neue Lasten auf die vorhandene Decken verursachen zum Teil Risse oder Abplatzungen von Putzteilen.

Durch die Verwendung von unverzinkten Drahtgeflecht können durch die lange Standzeit Korrosionsschäden auftreten. Stellenweise kann dieses Drahtgeflecht nicht vollständig von der Mörtelmasse umhüllt worden sein. Wenn durch starke Korrosion der Putzträger teilweise nicht mehr vorhanden ist, besteht die Gefahr der Instabilität und von Hohlstellen innerhalb des Putzes.

Die Stabilität von Rabitzgewölbedecken hängt besonders vom Zustand der Aufhängung ab. Für die Aufhängung kamen  unterschiedlich Hängeeisen zum Einsatz. Wenn durch Korrosion der tragfähige Durchmesser der Aufhänger nicht mehr ausreicht, müssen die historischen Hangeisen durch eine neue Aufhängung ersetzt werden. In diesen Fällen sollte zur Beurteilung der Decke ein Tragwerksplaner hinzugezogen werden.

Bei den Rabitzdecken in der Frauenschwimmhalle des Hallenser Stadtbades waren die Schäden so gravierend, das vor der eigentlichen Sanierung die Material- Forschungsprüfanstalt aus Leipzig (MFPA-Leipzig GmbH) mit hinzugezogen werden musste. Erst nach eingehender Prüfung vor Ort und Laborversuchen konnte ein Instandsetzungskonzept für die einzelnen Decken erarbeitet werden.

Ein weiteres Sanierungsbeispiel ist die Rabitzdecke in der Marienkirche in Leipzig. Die vorhandene Rabitzdecke mit Stuckelementen wurde vermutlich bei einer Erneuerung 1967/68 neu eingebaut. Im Frühjahr 2013 begannen umfangreiche Sanierungsarbieten am Dachtragwerk. Dabei mussten vor allem an Sparrenfußpunkten Erneuerungen der Balkenköpfen vorgenommen werden. Da die Rabitzkonstruktionen mit Hängeeisen an der Holzbalkendeckes befestigt ist, entstanden im Zuge dieser Dachsanierung zahlreiche Risse und einige kleine Löcher. Durch die umsichtige Arbeitsweise der Zimmerer konnten allerdings größere Schäden vermieden werden, und die historische Rabitzdecke wurde von einer Fachfirma sachgerecht saniert.

Autor

Lutz Reinboth ist Bauingenieur, lebt in Leipzig und schreibt als Fachautor unter anderem für die Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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