Hörtest
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
Bisweilen wird es auf Baustellen ziemlich laut: Der Druckluftnagler knallt, ein Kollege erwischt mit dem Schlagbohrer ein Bewehrungseisen und im Erdgeschoss springt wieder der Kompressor für die Putzmaschine an. Die schallharten Oberflächen auf der Baustelle reflektieren den Krach zu einem akustischen Cocktail, der ganz schön auf die Ohren geht – weshalb man ja auch einen Gehörschutz tragen sollte. Man „operiert“ als Handwerker nicht selten an der oberen Kante der so genannten Hörfläche – am Rande der akustischen Schmerzschwelle also, die bei einem Schalldruckpegel von etwa 130 dB liegt, bezogen auf die Hörschwelle von 20 µPa, ab der man gerade noch etwas hören kann. Die Hörschwelle wiederum liegt zwischen den Punkten der tiefsten hörbaren Frequenz von 20 Hz und der höchsten hörbaren Frequenz, die je nach Alter bis zu 20 kHz betragen kann. Die Hörschwelle des Menschen verläuft dabei aber nicht linear, sondern hat zwischen der tiefsten und der höchsten Frequenz bei etwa 4 kHz den Punkt der höchsten Wahrnehmungsempfindlichkeit, jenseits dessen diese in beide Richtungen abnimmt. Unter anderem macht genau das den Umgang mit Akustik am Bau so kompliziert.
Wenn der Handwerker auf der Baustelle einen Gehörschutz trägt, sind die akustischen Qualitäten der Bauteiloberflächen unerheblich – egal, wie viele Elektro- und Druckluftwerkzeuge im erzwungenen Orchester rattern. Anders stellt sich die Sache nach Abschluss der Arbeiten dar, insbesondere dann, wenn es sich um Räume handelt, deren Nutzung einen besonders lauten oder leisen Geräuschpegel mit sich bringt. Daher wurde für die akustische Berechnung des nach Plänen des französischen Stararchitekten Jean Nouvel in Kopenhagen entstandenen Konzertsaals für Danmarks Radio (DR) eigens das japanische Büro Nagata Acoustics für die akustischen Berechnungen beauftragt. „Gebaut“ wurde die Akustik jedoch hierzulande: bei der Firma Voringer in Töging, aus vorgefertigten Gipsfaserelementen. Wie ab Seite 6 in dieser Ausgabe der BAUHANDWERK Schritt für Schritt gezeigt, montierten die Mitarbeiter der Firma Lindner aus Arnstorf die aus unzähligen gebogenen Elementen bestehende Innenschale auf Spanten aus Gipsfaserplatten. Herausgekommen ist dabei ein mit 28 000 m3 Raumvolumen gigantischer Konzertsaal, der als schalltechnisch entkoppelter Raum im Raum den Konzertbesuchern ein einmaliges Hörerlebnis garantiert.
Akustische Anforderungen, die sich eher an der Hörschwelle bewegen, galt es für Malermeister Wilhelm Knoll bei der Neugestaltung des Andachtsraums im Maria-Ward-Haus in Augsburg zu lösen – in diesem Raum sollte es selbstredend besonders leise sein. Wie ab Seite 18 in dieser Ausgabe der BAUHANDWERK zu sehen, hat der Malermeister die gewünschte schalldämpfende Wirkung mit einer Kombination aus Schallschutzplatten für die Decke und einem Akustikputz für die Wände erreicht. Hören ist eben ein Erlebnis, das erst einmal gebaut werden will.
Viel Erfolg bei der Arbeit wünscht Ihnen