Warum Baustellen-Lärm Handwerker krank machen kann
Wirksamer Schutz gegen Lärm ist machbar – auch und gerade am Bau. Denn permanenter Krach kann krank machen und zu Schwerhörigkeit führen. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) stellt verschiedene Hörschutz-Maßnahmen vor, die auf der Baustelle praktikabel sind.
Sägen, hämmern, schleifen, fräsen: Lärm ist auf Baustellen allgegenwärtig. Wie laut Baumaschinen sind, fällt im täglichen Arbeitsstress kaum auf. „Problematisch wird es, wenn der Pegel dauerhaft zu hoch ist“, sagt Inga Bräuer, Präventionsberaterin bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau). Denn dann kann Lärm krank machen.
Lärmschwerhörigkeit ist eine Berufskrankheit, die sich verhindern lässt. Wichtig ist ein effektiver Schutz, zum Beispiel in Form von Kopfhörern
Foto: Matthias Merz / BG Bau
Für Schallpegel ab 80 dB(A) gilt ganz klar: Sind wir diesen zu häufig und zu lange ausgesetzt, hat das gesundheitliche Folgen für das Gehör. Da es sich selbst nicht heilen kann, seien die Schäden zudem irreversibel, betont sie. Doch nicht nur auf die Ohren wirkt sich Krach aus. Abhängig von der Dauer und der Intensität kann Lärm auch erhöhten Blutdruck, vermehrte Hormonausschüttung und einen Herzfrequenzanstieg auslösen. Dies kann, muss aber nicht zum Herzinfarkt führen. Auch kann Lärm Stress, Gereizheit, Angstgefühle, Nervosität und Schlafstörungen verursachen.
Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt
Lärmschwerhörigkeit ist eine Berufskrankheit. Daher ist es für die BG Bau sehr wichtig, Handwerker und alle Baubeteiligte für das Thema Lärmschutz zu sensibilisieren. Denn die Zahlen sprechen für sich: 2021 war Lärmschwerhörigkeit mit 2882 Fällen die Berufskrankheit mit den meisten Verdachtsanzeigen in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen. Rund 18 Millionen Euro jährlich gab die BG Bau nach eigenen Angaben in den vergangenen fünf Jahren für Heilbehandlungen, Rehabilitation und Renten aufgrund dieser Berufskrankheit aus.
Was ist eigentlich Lärm?
Lärm ist jeder Schall, der zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer sonstigen Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit führen kann. Das Maß für die Lautstärke ist der Schalldruckpegel (L) in Dezibel (dB). Der im Arbeitsschutz gebräuchlichste ist die sogenannte Frequenzbewertung A, mit der der Schalldruckpegel L angepasst an das menschliche Hörempfinden in dB(A) angegeben wird. Geräusche ab 65 dB(A) lösen Reaktionen wie Durchblutungsstörungen, Veränderung der Pulsfrequenz und Adrenalinausschüttung aus. Ab 80 dB(A) können auf Dauer Hörminderungen auftreten.
Handwerker an ihrem Arbeitsplatz vor Krach zu schützen, ist Aufgabe der Unternehmen. Wie dies im Einzelnen umzusetzen ist, regelt die Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV). Im Idealfall wird Lärm durch den Einsatz technischer Maßnahmen bereits von Anfang an verhindert oder verringert, zum Beispiel durch leisere Maschinen oder lärmarme Arbeitsverfahren, die den Schallpegel deutlich senken. „Von der BG Bau gibt es Arbeitschutzprämien für solche Arbeitsgeräte“, sagt Inga Bräuer. Zum Beispiel entfallen durch den Einsatz von Trennschleifern mit Akkuantrieb die Motoremissionen.
Hörschutz muss praktikabel sein
Wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft oder aber technisch nicht umsetzbar sind, müssen organisatorische Schutzmaßnahmen greifen, wie etwa das Abtrennen lauter Arbeitsbereiche durch Schallschutzwände oder die zeitliche Begrenzung der Aufenthaltsdauer in einem lauten Baustellenbereich. „Aber das ist natürlich nicht überall einzurichten. Daher ist der persönliche Hörschutz wichtig“, betont die Präventionsberaterin.
Der Gesetzgeber hat 80 dB(A) als untere Auslöseschwelle für Schutzmaßnahmen festgelegt. „Ab diesem Wert muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten einen geeigneten, persönlichen Gehörschutz zur Verfügung stellen“, so Inga Bräuer. Eine Tragepflicht besteht ab einem Wert von 85 dB(A). Im Bereich Hörschutz gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Inga Bräuer vorstellt. Wichtig ist, dass Hörschutz praktikabel ist und bei der Arbeit gut funktioniert:
Kapselgehörschutz (sogenannte „Mickey Mäuse“): Ist geeignet, wenn häufiges Auf- und Absetzen erforderlich ist und wenn die Neigung zu Gehörgangsentzündungen gegeben ist. Das Tragen von Brillen kann ein dichtes Anliegen der Kapseln am Ohr allerdings verhindern.
Kapselgehörschützer („Mickey Mäuse“)
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau
Bügelgehörschutz: Diese sind für Brillenträger besser geeignet. Auch bei starker Schweißbildung unter den Kapselgehörschützern, bei engen Gehörgängen und bei Neigung zu Gehörgangsentzündungen und starker Ohrschmalzbildung empfehlenswert.
Gehörschutzstöpsel mit Bügel
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau
Gehörschutzstöpsel: Sie sind für Arbeitsplätze mit andauernder Lärmeinwirkung geeignet. Einmal-Stöpsel bestehen aus Schaumstoff und sollten mit sauberen Händen eingesetzt werden. Der Schaumstoff braucht 10 bis 15 Sekunden, um sich ans Ohr anzupassen. Hängt er heraus, dann sitzt er nicht richtig. Es gibt Stöpsel, die wie kleine Tannenbäume aussehen.
Verschiedene Gehörschutzstöpsel mit und ohne Bändchen und als „Tannenbäumchen“
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau
Otoplastiken: Diese werden von einem Hörgeräteakustiker individuell angepasst. Sie bieten einen besonders sicheren Schutz vor Lärmeinwirkungen. Vorteile: hoher Tragekomfort, Umgebungsgeräusche werden besser wahrgenommen. Es bestehen weniger Probleme bei der Kommunikation mit anderen Mitarbeitern oder beim Telefonieren. Sinnvoll sind sie bei Arbeiten, bei denen ständig Gehörschutz getragen werden muss. Otoplastiken müssen alle drei Jahre überprüft werden. Sie können durchaus länger halten. Für Otoplastiken zahlt die BG Bau eine Arbeitsschutzprämie. Pro Maßnahme sind es 50 Prozent der Anschaffungskosten, maximal 100 Euro.
Otoplastiken in diversen Ausführungen
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau
Aktionstag für Azubis
Gesundheitliche Aufklärung sollte direkt beim Berufseinstieg greifen. Aus diesem Grund möchte die Berufsgenossenschaft insbesondere Auszubildende erreichen. „Mach‘ mal leise“ hieß das Motto für den „Tag gegen Lärm“ am 26. April. Rund um diesen Tag veranstaltete die BG Bau bundesweit Aktionstage in vielen Ausbildungszentren der Bauwirtschaft. In diesem Jahr fand der „26. Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day“ statt. Seit 1998 bündelt die Deutsche Gesellschaft für Akustik e. V. als Initiatorin des Tages die deutschlandweiten Aktivitäten der Partnerorganisationen. Lehrlinge erfuhren, was Lärm ist und welche Folgen er haben kann. Gerade am Bau gilt: „Mach´ mal leise“. Oder anders gesagt: Lärmschutz ist machbar.
Weitere Infos über Lärm von der BG Bau
AutorinMichaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.