Im Gleichgewicht der Flügel: Bremer Kunsthalle wieder eröffnet

Seit dem 20. August hat die Bremer Kunsthalle wieder geöffnet. Im Zuge der zweieinhalbjährigen Sanierungsarbeiten erhielt das Gebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zwei neue, symmetrisch angeordnete Seitenflügel nach Plänen des Berliner Büros Hufnagel Pütz Rafaelian Architekten.

Als der Bremer Kunstverein 1844 zwei Wettbewerbe zum Bau eines Museums in den Wallanlagen am Ostertor auslobte, konnte keiner der hierzu eingereichten Pläne auf Anhieb überzeugen. Man wählte die Vorschläge der Bremer Architekten Johann Wetzel und Lüder Rutenberg zur Überarbeitung aus. Den Auftrag erhielt schließlich Rutenberg, dem man als Bauführer den Architekten Carl Gildemeister zur Seite stellte. Mitte 1847 war Grundsteinlegung, zwei Jahre später die Eröffnung.

Aufgrund der wachsenden Zahl an Kunstwerken wurde 1898 ein Wettbewerb zur Erweiterung der Kunsthalle ausgelobt. Auch dieser blieb ohne tragfähiges Ergebnis. Beauftragt wurden schließlich Albert Dunkel und Carl Gildemeister. Der Ursprungsbau wird damit zum Eingangsgebäude, hinter dem sich die Ausstellungsräume um eine zentrale Freitreppe ordnen. 1902 wurde das Museum schließlich mit seiner nun einheitlichen Sandsteinfassade im Stil der Neorenaissance eröffnet.

 

Grundriss in Kreuzform überführt

Die Geschichte war es denn auch, von der aus sich die Architekten Hufnagel Pütz Rafaelian dem denkmalgeschützten Gebäude näherten. Die Berliner Architekten waren zuvor als Sieger aus einem 2005 europaweit ausgelobten offenen Wettbewerb hervorgegangen, zu dem insgesamt 351 Entwürfe eingereicht worden waren. „Wir sind ein Stück in die Geschichte gegangen und haben symmetrisch angebaut“, so Karl Hufnagel. Die Erweiterung beschert dem Museum rund 4000 m2 zusätzliche Nutzfläche, die in zwei symmetrisch angeordneten Seitenflügeln untergebracht ist. Diese überführen den Grundriss des Altbaus in seine neue Kreuzform. Dafür musste ein von Werner Düttmann erbauter Seitentrakt aus den 1980er Jahren weichen.

Konstruiert sind die Anbauten aus einem Stahl- und Stahlbetontragwerk, vor das die Handwerker im Untergeschoss und im zweiten Obergeschoss zweischalige Fensterbänder montierten. Die beiden Ausstellungsebenen im Erd- und ersten Obergeschoss verschwinden dagegen hinter großen Platten aus poliertem Beton, in den Natursteinzuschläge eingemischt wurden. Dadurch nähert sich der Beton im Farbton dem Sandstein des Altbaus an.

 

Vorsichtige Annäherung an den Bestand

Schon Düttmann hatte seinen Ziegelanbau über eine Baufuge an den Bestand angeschlossen, wodurch die historische Fassade des Altbaus ohne wesentliche bauliche Verletzungen blieb. Auch Hufnagel Pütz Rafaelian Architekten näherten ihre beiden Anbauten auf diese Weise dem Bestand an: Vom ersten bis zweiten Obergeschoss der Anbauten greifen die Berliner Architekten die Baufuge von Düttmann wieder auf. Durch diese gläserne Fuge fällt Streiflicht auf die Altbaufassade, die damit zu einer Innenwand in den Anbauten wird. Die Lichtbänder in den abgehängten Decken der beiden Anbauten laufen dabei auf die Türöffnungen und auf die einstigen Fensteröffnungen in der Altbaufassade zu. Nur im Untergeschoss schnitten die Handwerker dort, wo es die Größe der Räume erforderlich machte, Betonstützen in die Altbaufassade ein, deren Oberfläche sie jedoch anschließend handwerklich scharrierten, so dass diese von der Anmutung her den Sandsteinoberflächen des Altbaus entspricht.

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Alt- und Neubau

Auch in den Räumen des Altbaus montierten die Trockenbauer zum Teil abgehängte Decken in Kombination mit Lichtbändern – vor allem dort, wo das Museum in der Vergangenheit ohnehin bereits erhebliche Veränderungen erfahren hatte. So wurde beispielsweise auch eine ovale Deckenöffnung in der Treppenhalle wieder geschlossen, die allerdings auch erst Ende der 1990er Jahre eingefügt worden war. Leichtbaukonstruktionen aus Metallständerwerk und Trockenbauplatten waren sowohl im Neubau als auch im Altbau die Konstruktionsart der Wahl, wenn es für die Handwerker darum ging, trennende Wände zu montieren. Unter der abschließenden Gipskartonplatte der Leichtbauwände ließen sich so auch im Altbau die Leitungen für die Wandflächenheizung gut verstecken. Die Wandoberflächen erhielten nach der Verspachtelung in den Anbauten einen weißen Anstrich, im Altbau wurden sie im Stil des 19. Jahrhunderts farbig gefasst. Ob man sich im Alt- oder Neubau befindet, lässt sich zudem leicht an den Fußböden ablesen: Im Altbau verlegten die Tischler dunkles Eichenparkett, im Neubau dagegen hell gekalkte Hölzer. Dieser Wechsel macht neben der gezeigten Kunst den besonderen Reiz eines Rundgangs durch die Ausstellungen aus.

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