Coloured Cube
Ende Oktober eröffnet die Temporäre Kunsthalle in Berlin

Mitten im Herzen Berlins – auf dem geschichtsträchtigen Schlossplatz – begannen Anfang Juni die Bauarbeiten für die Temporäre Kunsthalle Berlin. Auf Initiative der White Cube Berlin GmbH errichtete die Zimmerei Sieveke nach Plänen des österreichischen Architekten Prof. Adolf Krischanitz die einfache Halle. Seit dem 6. September wird bereits auf den Fassaden Kunst gezeigt. Die Eröffnung der ersten Ausstellung im Innenraum soll am 29. Oktober stattfinden.

Die Temporäre Kunsthalle Berlin fand ihren Ursprung in der Ausstellung 36 x 27 x 10 im Dezember 2005. International bekannte, in Berlin lebende Künstler stellten damals spontan im so genannten White Cube im ehemaligen Palast der Republik aus. Die Ausstellung lockte in nur neun Tagen rund 10 000 Besucher in die 36 x 27 x 10 m große, in den abrissbereiten Bau implantierte, weiße Ausstellungs­box. Sie rückte die in Berlin entstehende zeitgenössische Kunst buchstäblich in die Mitte der Stadt und löste die Debatte um eine neue Kunsthalle für Berlin aus. Die Initiatorin­nen Coco Kühn und Constanze Kleiner setzen sich seitdem für die Temporäre Kunsthalle Berlin auf dem Schlossplatz ein. Seit März vergangenen Jahres unterstützt die Stiftung Zukunft Berlin die Temporäre Kunsthalle und beteiligte sich mit 950 000 Euro an den Kosten. „Gegenwartskunst ist viel mehr als nur ‚Kunst von heute’. Sie führt uns an die jeweiligen Grenzen unserer Welt“, so der Gründer der Stiftung, der Mäzen Dieter Rosenkranz. Der Senat von Berlin erteilte schließlich auch aufgrund des soliden Finanzierungskonzepts im Oktober 2007 dem Projekt den Zuschlag. Seit März dieses Jahres liegt die Baugenehmigung vor, am 6. Juni folgte der erste Spatenstich.

Wirtschaftlichkeit

mit Außenwirkung

Der pavillonartige Bau wird nur für zwei Jahre in unmittelbarer Nähe zum Dom, zum Alten Museum, zur Staats-oper und zur Museumsinsel als Ausstellungsort zeitgenössischer Kunst dienen. Sobald die Arbeiten für den umstrittenen Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses beginnen, muss die neue Kunsthalle wei­chen. Diese begrenzte Nutzungsdauer erfordert neben niedrigen Baukosten vor allem eine kurze Auf- und Abbauzeit sowie die Möglichkeit einer Wiedererrichtung an einem anderen Ort. Erreicht wird dies mit einer einfachen Halle auf rechteckigem Grundriss, deren zentraler 600 m2 großer Ausstellungsraum an den beiden Schmalseiten vom Foyer mit Kasse, Buchladen und Nebenräumen sowie einem auch außerhalb der Ausstellungszeiten geöffneten Café mit vorgelagerter Terrasse flankiert wird.

Das Besondere an der Temporären Kunsthalle ist, dass nicht nur im Innenraum Kunst gezeigt wird: Während der nächsten zwei Jahre werden verschiedene Künstler im Wechsel die Fassaden der Halle gestalten, wodurch diese zusätzlich an Attraktivität gewinnt, wie auch ihr Architekt Prof. Adolf Kri­schanitz betont: „Die Temporäre Kunsthalle am Schlossplatz in Berlin ist ein Pavillon mit kurzer Errichtungsdauer. Die nachhaltige Wirkungspräsenz mit Strahlkraft in den öffentlichen Raum wird durch die Bespielbarkeit mit Kunst auch nach außen erreicht. Das Gebäude wird dadurch selbst zum Kunstobjekt. Die mächtige Hallenkonstruktion verbirgt einen Ausstellungs­raum von 30 x 20 x 10,5 m.“

Fliegender Bau aus Holz

Mit ihrer zeitlich begrenzten Nutzungsdauer ist die Temporäre Kunsthalle vergleichbar mit so genannten „Fliegenden Bauten“ wie beispielsweise Zelte, deren leichte Konstruktion vorzugsweise aus Stahl oder Holz besteht. Bei der Kunsthalle entschied man sich für eine besonders wirtschaftliche Holzkonstruktion und vergab den Auftrag an die Zimmerei Sieveke aus Lohne, die auch die komplette Werkplanung übernahm. „Der Architekt hatte zunächst einen Holzbauer aus Österreich dabei. Wir haben ihn jedoch im Bietergespräch mit unserer Erfahrung im komplexen Holzbau überzeugt“, sagt Dipl.-Ing. Günter Buhr, Geschäftsführer und Inhaber der Zimmerei Sieveke.

Die umlaufenden Streifenfundamente der insgesamt 20 x 56,25 m großen Halle bilden eine stabile Basis für die mit dem Mobilkran darauf aufgesetzten, gebäudehohen Wandelemente. Diese wurden in der Werkstatt der Zimmerei in Lohne mit 2,50 m Breite und 11 m Höhe in Holzrahmenbauweise vorgefertigt, aus Brandschutzgründen mit Mineralwolle gedämmt und per LKW auf die Baustelle nach Berlin gebracht.

Am 17. Juli begann die Montage der über 100 Holzelemente, die nach weniger als fünf Wochen abgeschlossen war. Beginnend am südlichen Ende wurden die drei Bereiche – Café, Ausstellungsraum und Foyer – nacheinander fertiggestellt. Der Aufstellung der Wände folgte nach jedem Abschnitt die stabilisierende Montage des Dachs. Erst danach gossen die Rohbauer die Bodenplatte aus Ortbeton.

Als Verkleidung der Holzkonstruktion dienen keine Holzwerkstoff- oder Gipskartonplatten, sondern Zementbauplatten von Eternit, die sowohl die Außenhaut als auch die Oberflächen der inneren Wände in den drei Haupträumen bilden. „Daraus ergibt sich auch das Maß: Die einzelnen Wandelemente wurden so geplant, dass sie mit einer vollen Faserzementplatte bestückt werden konnten“, erklärt Zimmermeister Roman Koditek von der Zimmerei Sieveke. Bei den rund 2000 m2 Fassadenfläche kam die Putzträgerplatte Bluclad zum Einsatz. Fugenlos verlegt, ergeben die einzelnen Platten eine durchgängige glatte Fläche, welche die Fassa­dengestaltung optimal unterstützt. Diese erfolgt als direkte Bemalung der Faserzementplatten oder als Verhüllung mit bedruckbaren Industriebannern. „Verputzt mussten wir die Wandelemente nicht, da alle paar Monate ein neuer Farbanstrich aufgetragen wird“, so Günter Buhr. Die 3700 m2 Wandflächen im Innenraum verkleideten die Handwerker mit der ebenfalls von Eternit hergestellten Trockenbauplatte Hydropanel.

Fachwerkträger in Greimbauweise

Eine Spezialität der Zimmerei Sieveke ist die Greimbauweise (siehe BAUHANDWERK 7-8/2008, auf den Seiten 52 bis 54). „Greim­binder können nur zwei oder drei Zimmereibetriebe in ganz Deutschland herstellen“, erzählt Günter Buhr. Da in Greimbauweise hergestellte Holzfachwerkbinder mittlerweile sogar günstiger als Stahlfachwerkträger sind, boten sie sich für die Flachdachkonstruktion der Kunsthalle an. Zudem lässt sich das Holztragwerk besonders gut mit den in Holzrahmenbauweise errichteten Außenwänden kom­binieren. In diese Wände leiten die Greimbinder die Dachlasten ab: Immer dort, wo zwei gebäudehohe Wandelemente aufeinander treffen, entstehen durch Aussparungen von jeweils der halben Breite eines Greimbinders an den beiden oberen Enden der Wandelemente Auflagertaschen für die Fachwerkträger, deren Achsabstand von 2,50 m daher exakt der Breite der Wandelemente beziehungsweise der einer Faserzementplatte entspricht.

Und die Kunst …

Acht Fassadenkletterer bemalten nach einem Entwurf des documenta-Künstlers Gerwald Rockenschaub auf 1677,50 m2 die Außenhaut der Temporären Kunsthalle Berlin mit zwei großen weißen, aus einzelnen Pixeln bestehenden Wolken auf leuchtend blauem Grund. Rockenschaubs Entwurf entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Adolf Krischanitz. Mit dem Verweis auf ein Zitat von Ludwig Wittgenstein – „Eine Wolke kann man nicht bauen“ – war der Entwurf zunächst Ausdruck für die Zukunftsvision einer tempo-
rären Kunsthalle auf dem Schlossplatz. Am 6. September wurde diese künstlerische Arbeit nun als erste von vier geplanten Außenbespielun­gen eröffnet. Am 29. Oktober folgt dann die Vernissage zur ersten Ausstellung in den Innenräumen der Temporären Kunsthalle mit Werken der aus Südafrika stammenden Künstlerin Candice Breitz.

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