Innenfutter 
Bauphysikalisch richtige Ausführung von Innendämmungen

In den letzten Jahrzehnten ist es zu einer grundlegenden Änderung im Umgang mit Energie, insbesondere bei der Beheizung von Gebäuden gekommen. Der Standard war vor etwa 50 Jahren, als Heizöl nicht einmal 10 Pfennige pro Liter kostete, ein ganz anderer als heute: Damals waren Außenwände mit einer Dicke von 30 bis 36 cm Ziegelmauerwerk innen und außen verputzt. Aus heutiger Sicht kann man deshalb pauschal davon ausgehen, dass fast alle Gebäude, die vor 1975 errichtet worden sind, als „Energetische Altbauten“ eingestuft werden müssen. Abhilfe schafft hier die Verlegung einer nachträglichen Innendämmung. Diese wurde lange Zeit bauphysikalisch kontrovers diskutiert. Richtig ausgeführt sorgt sie jedoch für eine erhebliche Heizkosteneinsparung.

Wenn man davon ausgeht, dass der Gebäudebestand für etwa 30 Prozent der CO2- Emissionen in Deutschland verantwortlich ist, kann man leicht abschätzen, welches Energieeinsparpotenzial und damit auch CO2-Einsparpotenzial auf diesem Gebiet vorhanden ist. Diese Zusammenhänge sind seit vielen Jahren bekannt und haben letztlich dazu geführt, einen immer besseren Wärmeschutz für Gebäude zu fordern – lange Zeit nur für Neubauten, durch Einführung der EnEV 2002 jedoch auch für den Bestand. Die Entwicklung der Richtlinien und Verordnungen folgte dabei konsequent der Energiepreisentwicklung und der CO2-Diskussion.

bis 1977 DIN 4108 Wärme- schutz im Hochbau

1977 1. WSVO

1984 2. WSVO

1995 3. WSVO

1999 Entwurf der EnEV

2002 Einführung EnEV

2004 Neufassung EnEV

2007 Einführung des

Energieausweises

Der Heizenergieverbrauch für Gebäude hat sich durch diese Verordnungen folgendermaßen reduziert:

 

• bis 1977 betrug der zulässige Heizwärmebedarf eines Gebäudes pro Jahr 300 kWh/m²

• Von 1977 bis 1995 reduzierte er sich durch die oben aufgeführten Wärmeschutzverordnungen auf etwa 70 bis 80 kWh/m²

• Ab 2002 trat eine weitere Reduktion durch die EnEV auf etwa 50 bis 60 kWh/m² ein

Bei Betrachtung dieser Zahlen muss bedacht werden, dass durch die Einführung der EnEV im Jahr 2002 auch Anforderungen an den Gebäudebestand gestellt wurden, die natürlich von den derzeitigen Möglichkeiten durch fehlende Technik und Dämmung meilenweit entfernt waren. Nach Angaben des Institut für Bauphysik der Fraunhofer Gesellschaft in Holzkirchen, liegt der Energieverbrauch bei etwa 75 Prozent des Wohnungsbestandes in Deutschland bei mehr als 150 kWh/m² pro Jahr. Also ist es grundsätzlich richtig, auch an diesen Bestand heranzugehen, will man den Energieverbrauch in den Griff bekommen. Die nachträgliche Dämmung eines Gebäudes ist jedoch in vielen Fällen eine schwierige Aufgabe, weil von Handwerkern und Architekten hier neben der energetischen Ertüchtigung auch die Erhaltung der Fassade verlangt wird.

 

Neubauten im Vergleich zum Gebäudebestand

 

Während es im Neubau jedoch viele Möglichkeiten gibt, den Standard eines Niedrig-energiehauses umzusetzen (beispielsweise durch Dämmung, technische Gebäudeausrüstung, Luftdichtigkeit und Feuchteschutz), sind im Gebäudebestand oft ungünstigere Voraussetzungen gegeben. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Ein Baudenkmal mit einer Fassade aus Naturstein oder eine Fassade aus der Jugendstil- oder Gründerzeitepoche mit reichem Stuckzierat kann natürlich von außen nicht ohne weiteres gedämmt werden. Also entfällt die im Neubau fast zu 100 Prozent praktizierte Möglichkeit der Dämmung der Außenwände mit einem Wärmedämmverbundsystem. Hier müssen alternative Verfahren gefunden werden, um die Vorgaben der EnEV zu verwirklichen.

 

Die Lösung des Problems heißt Innendämmung

 

Die Problemlösung durch eine Innendämmung bietet sich in solchen Fällen geradezu an. Nach wie vor werden Innendämmungen allerdings bauphysikalisch als problematisch eingeschätzt. Die Gründe dafür lauten in der Regel wie folgt:

 

• Die klassischen Dämmstoffe besitzen hydrophobe Eigenschaften und somit keine kapillare Leitfähigkeit. Der Transport von flüssigem Wasser ist also stark eingeschränkt und Tauwasser kann nur durch Diffusion, also sehr langsam, abgeführt werden

• Diffusionstechnische Berechnungen werden nach DIN 4108 mit dem Glaserverfahren durchgeführt. Dieses berücksichtigt ausschließlich die wenig leistungsfähige Diffusion als Transportmechanismus

• Eine bauphysikalische Funktionalität ist unter diesen Umständen nur durch Reduktion des Dämmwerts oder durch das Aufbringen innenseitiger Dampfsperren mit sd-Werten von mehr als 1500 m nachweisbar. Diese müssen außerdem dauerhaft fehlstellenfrei sein, was handwerklich durchaus problematisch ist. Ansonsten ist Tauwasserbildung in der Konstruktion oder der Dämmung möglich, die in der Trockenphase nicht immer vollständig abgebaut werden kann

Wie kapillaraktive Innendämmungen funktionieren

 

Seit einigen Jahren werden kapillaraktive Dämmstoffe angeboten und für Innendämmungen eingesetzt. Sie haben sich in der Zwischenzeit bestens bewährt, obwohl sie nach dem Glaserverfahren nicht funktionieren dürften. Für derartige Systeme sind andere Berechnungsverfahren erforderlich wie das COND- Verfahren, das von der TU Dresden entwickelt wurde. Bei diesem Verfahren wird unter anderem der kapillare Wassertransport berücksichtigt, der bei kapillaraktiven Innendämmungen eine, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle spielt. Insgesamt müssen für die bauphysikalische Funktionalität einer derartigen Innendämmung folgende Bedingungen erfüllt sein:

• Die Dämmplatte muss vom Handwerker vollflächig, also hohlraumfrei mit dem Untergrund verklebt werden

• Der Diffusionswiderstand (sd-Wert) der Kleberschicht muss größer sein als derjenige der Dämmplatte (Dampfbremse)

• Die Kleberschicht muss einen kleineren w-Wert haben als die Dämmplatte

• Die Dämmplatte darf nur mit kapillaraktiven, hydrophilen Beschichtungen überarbeitet werden, die zusätzlich einen kleineren sd-Wert besitzen

• Zusätzlich muss beachtet werden, dass durch den fehlenden Wärmefluss in die Konstruktion die Trocknung der Wand nach außen erschwert und reduziert wird. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass von außen die Wasseraufnahme kontrolliert und reduziert wird. Dies bedeutet für die Fassade einen erhöhten Schlagregenschutz, der durch wasserabweisende Beschichtungen und Imprägnierungen erreicht wer­den kann

 

Dämmstoffe für kapillar-
aktive Innendämmungen

 

In der Praxis haben sich kapillaraktive Dämmstoffe für die Innendämmung in den letzten 15 Jahren bestens bewährt. Das Institut für Bauklimatik der TU Dresden hat bei der Überwachung und Kontrolle zahlreicher Musterobjekte die zunächst theoretischen Überlegungen und Zusammenhänge bestätigt, womit die Funktionalität des Systems sicher gestellt ist. Als Dämmstoffe werden bevorzugt Calciumsilikatplatten mit einem λ-Wert für die Wärmeleitfähigkeit von etwa 0,06 W/mK in einer Schichtdicke von 2,5 bis 10 cm eingesetzt. Neu entwickelte Platten, wie zum Beispiel IQ-Therm von Remmers, besitzen λ-Werte von etwa 0,32 W/mK. Damit lassen sich sogar die Forderungen der EnEV erfüllen. Neben den Plattensystemen werden auch Putze mit kapillaraktiven Eigenschaften als Dämmputze eingesetzt. Sie besitzen natürlich etwas schlechtere λ-Werte, die bei etwa 0,12 W/mK liegen. Platten und Putze können auch miteinander kombiniert werden, zum Beispiel an Fensterlaibungen. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass kapillare Innendämmungen vom Handwerker auch partiell eingesetzt werden können, um beispielsweise Schimmelprobleme zu lösen.

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