Kapillaraktive Innendämmung mit Tapete
Damit sich eine energetische Sanierung rechnet, müssen Dämmarbeiten mit ohnehin anstehenden Instandsetzungsarbeiten gekoppelt werden. Wenn ein WDVS für die Fassade dann nicht infrage kommt, wie beim Gründerzeithaus mit Sandsteinfassade in Stuttgart, rückt die Innendämmung in den Fokus der Betrachtung.
Wie in vielen anderen Städten entstanden in der Gründerzeit auch in Stuttgart repräsentative mehrgeschossige Wohnbauten. So auch das 1889 in der Stuttgarter Mörickestraße, einer vom damaligen aufstrebenden Bürgertum bevorzugten Gegend, errichtete Wohnhaus mit seiner Straßenfassade in Sandstein. Die übrigen Fassaden zeigen auf ihren Ziegelmauerwerkaußenwänden einen strukturierten Putz.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Kriegseinwirkung stark zerstört und brannte aus. Nur die Außenwände, der Keller und zwei bis drei Deckenfelder über dem Erdgeschoss beziehungsweise dem ersten Obergeschoss blieben stehen. Erst 1952 erfolgte der Wiederaufbau als Verwaltungsgebäude einer Versicherung.
Vom Verwaltungsgebäude zurück zum Wohnhaus
Das Haus diente vor der Generalsanierung 2010/11 einer kirchlichen Institution als Verwaltungsgebäude. Daher verfügte es auch über einen Veranstaltungssaal. Das Dachgeschoss hatte man als Wohnheim für sechs Pater ausgebaut. In jedem Geschoss befand sich eine Verwaltungseinheit mit etwa 400 m2 Grundfläche. Die Gebäudehülle und Haustechnik waren noch intakt, jedoch mit einem völlig unzureichenden energetischen Standard.
Der Investor plante die Umnutzung zu einem Wohngebäude und entschied sich für eine Entkernung und einen inneren Neuaufbau. Freie Bahn also für die mit der Planung beauftragten ARP Architekten Partnerschaft GbR, Stuttgart. Da eigentlich nur noch die Fassade bauzeitlich erhalten und von denkmalpflegerischem Interesse war, konnte der Ausbau weitgehend nach aktuellem Stand der Technik erfolgen.
Die Holzkonstruktion des Daches veränderten die Zimmerleute so, dass eine zweite Dachgeschossebene geschaffen werden konnte. Außen wurden fünf Balkone in Stahlkonstruktion angebaut und die strukturierte Putzfassade und die Natursteinfassade saniert. Innen wurden zur Schaffung kleinerer Einheiten tragende Wände verändert oder durch Stahlträger ertüchtigt und nichttragende Wände in Trockenbauweise ausgeführt. Die neuen Holzfenster erhielten eine Sprossenteilung in Anlehnung an das historische Vorbild.
Nachhaltiges Sanierungs- und Energiekonzept
Das Sanierungskonzept wurde für eine lange Nachhaltigkeit ausgelegt, weshalb der Energieeffizienz trotz denkmalgeschützter Bausubstanz ein hoher Stellenwert beizumessen war. Um die KfW-Förderung für ein Effizienzhaus 70 zu erhalten, musste eine optimale Wärmedämmung in Verbindung mit einer modernen Energieerzeugung eingesetzt werden.
Wegen der denkmalgeschützten Fassade kam nur eine Innendämmung in Frage, die mit dem iQ-Therm-System von Remmers ausgeführt wurde. Das Dach erhielt eine konventionelle Dämmung aus Mineralwolle, die Bodenplatte einen schwimmenden Estrich auf PU-Dämmung. Weil sich das Grundstück nicht für Geothermie eignete und auch Solarkollektoren nicht erlaubt waren, fiel die Wahl bei der Energieerzeugung auf die Kraft-Wärme-Kopplung durch ein gasbetriebenes Mini-BHKW mit einer Spitzenlastabdeckung durch eine zusätzliche Gastherme. Alle Wohnungen erhielten eine Warmwasser-Fußbodenheizung im schwimmenden Heizestrich.
Innendämmung mit hochwertiger Tapete
Da die Kapillaraktivität der Innendämmung von ausschlaggebender Bedeutung ist, musste bislang auf eine Endbeschichtung mit Tapeten verzichtet werden. Üblich war eine Schlussbeschichtung der glatt gespachtelten Flächen mit der Spezialfarbe iQ-Paint. Dazu gab es bisher keine Alternative. Das hat sich nun geändert. Beim Bauvorhaben in Stuttgart wurden erstmals die glasbasierten Wandbeläge Systexx von Vitrulan im Gesamtsystem der Innendämmung eingesetzt. Es ist der derzeit einzige Wandbelag mit geprüften sd-Werten. Alle Gewebe liegen laut TÜV Zertifikat unter einem Wert von 0,14 m und sind damit geeignet. Die armierenden Wandbeläge weisen gute Ergebnisse bei allen entscheidenden bauphysikalischen Kriterien sowie Stoßfestigkeit, Brandschutz, Abriebfestigkeit und Rissüberbrückung auf. Schäden durch die alltäglichen Belastungen einer Wand werden so dauerhaft vermieden. Herausragend sind auch die ökologischen Qualitäten. Tests belegten, dass alle Produkte schadstoff- und allergenfrei sind, gemäß höchster Öko-Tex-Klassifizierung. Mit ihren zahlreichen Dessins eignen sich die Beläge deshalb für nahezu jede bauliche Anforderung in der modernen Innenraumgestaltung.
Wirtschaftliche Lösung für die Wohnungswirtschaft
Da in vielen Fällen die Wirtschaftlichkeit einer energetischen Modernisierung nur dann gegeben ist, wenn mit ihr der Wohnstandard soweit angehoben wird, dass für das attraktive Gesamtpaket eine höhere Miete akzeptabel ist, bietet die Kopplung einer iQ-Therm-Innendämmung mit dem Abschluss durch einen eleganten Systexx-Wandbelag gute Auftragschancen.
Das drei- bis viergeschossige Haus in Stuttgart mit seinem zweigeschossigen Mansarddach verfügte nach dem Umbau über eine Nettogrundfläche von etwa 1875 m2. Das ermöglichte 11 Wohneinheiten, plus einem Büro, mit Geschosshöhen bis über 4 m. Wichtig für die Vermarktung ist neben der Energieeffizienz auch die Attraktivität der Wohnungen hinsichtlich ihrer Gestaltung. Wohnbehaglich warm sollen sie sein, ästhetisch und funktionell in ihrer Feinstruktur. Beide Faktoren wurden in Stuttgart mit nur einem System verwirklicht.
Autor
Dipl.-Ing. Jens Engel ist Produktmanager in den Bereichen Fassadenschutz und Denkmalpflege bei der Firma Remmers Baustofftechnik in Löningen.
Beim Stuttgarter Bauvorhaben wurde erstmals eine kapillaraktive Innendämmung mit glasbasierter Tapete ausgeführt