Maßgeschneiderter Dämmmantel
Anstatt sie komplett einzupacken, wurde eine Villa mit expressiver Schaufassade teilweise innen gedämmt; drei Fassaden erhielten ein WDVS. Auch sonst wurde maßgeschneidert energetisch saniert: mit Dachausbau, Übernahme von Heizungskomponenten, Fenstern mit Lüftungsfalzen und Abluft durch die Bäder.
Ursprünglich sollte die 80 Jahre alte Villa in Tübingen lediglich saniert werden, da befürchtet wurde, dass sich die Kosten für eine energetische Optimierung durch eine Vermietung zu langsam amortisieren würden. Da der beauftragte Architekt Christoph Manderscheid zudem Energieberater ist, empfahl er dennoch die Ausarbeitung eines Energiekonzepts. Es überzeugte mit relativ kurzen Amortisationszeiten, einem KfW-Kredit und einer Halbierung des Energiebedarfs. Erreicht wurden die Energieeinsparungen durch folgende Einzelmaßnahmen: Außendämmung von drei Fassaden, Innendämmung der Straßenfassade, neue Fenster mit Lüftungsfalzen, einige Festverglasungen, Zwischensparrendämmung des neu ausgebauten Daches, Dämmung von Kellerdecke, Innenwand zu Gewölbekeller und Balkonplatte.
Wiederverwertung alter Heizkörper
Da im Keller erst ein Jahr zuvor ein Niedertemperatur-Gasheizkessel eingebaut worden war, wurden nur die restlichen elektrisch betriebenen Einzelboiler in Bädern und Küchen zurückgebaut und alle Verbraucher mit dem Kessel verbunden. Stellenweise wurden die neuen Heizleitungen auf dem Putz verlegt und so Kosten gespart. Im Keller wurden neue und alte Leitungen nach EnEV gedämmt. Viele der Bestandsheizkörper konnten erhalten werden. Sie wurden neu lackiert und mit Thermostatventilen ausgestattet, wodurch sie sich effizienter steuern lassen. Nur ein Bad bekam aus Platzgründen eine Bodenheizung. Der Kamin erhielt ein neues Edelstahlrohr und wurde im Haus mit Mineralschaumplatten gedämmt. Wichtigste Ergänzung der Haustechnik war eine kostengünstige, einfache Abluftanlage in den Bädern, da im abgedichteten Gebäude die regelmäßige Lüftung eine große Rolle spielt. Die Anlage transportiert die feuchte Luft nach draußen und reduziert das Risiko einer Schimmelbildung. Zuluft strömt über unsichtbare Schlitze im Falz der neuen Fenster in den übrigen Räumen ein.
Luftdichte Fenster
Die Fenster liegen energetisch günstig innerhalb der Dämmebene. Sie wurden mit Stahlwinkeln auf der Fassade befestigt. Damit beim Abkleben ein luftdichter Kontakt gewährleistet ist, klebten die Handwerker zuvor den rauen Putz nach einer Festigkeitsprüfung am Rand mit dampfdichten, alukaschierten Klebestreifen ab. Auch die Winkel mussten gründlich abgedichtet werden – hier hatte der Architekt mangelhafte Ausführung beanstandet. Für möglichst gute Lichtausbeute wurden die vier schmalen Fenster der Straßenfassade festverglast. Aus ästhetischen Gründen wurden die neuen Fensterbänke aus 0,7 mm dickem Titanzinkblech maßgefertigt. Sie ragen 4 cm über den neuen Putz hinaus, was Schmutzfahnen auf der Putzfassade reduziert. Damit kein Wasser in die Dämmung eindringen kann, wurden die hinteren Ecken zwischen Laibung und Rahmen zugelötet. Um Trommelgeräusche zu reduzieren, liegt das dünne Fensterbankblech vollflächig auf Holz auf.
WDVS und Innendämmung nach Maß
Die für die 1920er Jahre typische Stadthaus-Fassade zur Straße hin sollte erhalten bleiben und wurde daher innen mit 6 cm dicken Mineralschaumplatten gedämmt. Die übrigen Fassaden sind außen mit 10 cm Polystyrol isoliert. Das WDVS führten die Handwerker je 30 cm um die beiden Hausecken, damit sich die Dämmungen überlappen. Das Gesims wurde im Bereich des WDVS mit Dreischichtplatten verkleidet und gedämmt, um Wärmebrücken zu reduzieren. An den Übergängen wurde die Unterkonstruktion der Verkleidung abgetreppt, ansonsten durch aufsitzende Leisten hergestellt. Da die Leisten vor der Dämmung eingebaut wurden, musste diese ausgespart und ausgeschäumt werden. Die Dämmung wurde unter das Erdreich geführt und abgedichtet.
Für die Innendämmung beurteilte ein Bauphysiker Risikopunkte wie zum Beispiel die Balkenköpfe. Nach seinen Anweisungen schlossen die Handwerker die Mineralschaumplatten umlaufend stumpf mit Dichtband an die Bauteile an und dämmten die Laibungen damit. Nur das Fensterbrett erhielt aus Stabilitätsgründen eine Wediplatte. Wände und Decken erhielten keine Dämmkeile. In den zweilagigen Verputz betteten die Handwerker ein Gewebe ein.
Alte Balken, neues Dach
Die alten Balken und weiß lasierte (formaldehydreduzierte) OSB-Platten sind gestalterisch die prägenden Materialien in der neuen Dachwohnung. Für die Zwischensparrendämmung des Daches hatte der Zimmermann vorgeschlagen, Zellulose zwischen die innen sichtbaren OSB-Platten und Holzweichfaserplatten einzublasen. Über der OSB-Platte wurde eine Dampfbremse verlegt, die mit Kleberaupen auf die Pfetten geklebt wurde. Es war klar, dass es zu Undichtigkeiten in den Graten kommen würde, wo sich bis zu drei Hölzer des Dachstuhls durchdringen. Für die Steckdosen wurden Vertiefungen in das Dampfbremspapier eingebaut und die Aussparungen in den OSB-Platten exakt eingepasst.
Die Aufschieblinge, die das Dach über die Mauerkrone geführt hatten, nahm man heraus, um den behäbig wirkenden Dachüberstand zurückzubauen. Das mit Kreuzfuge gedeckte Dach wirkt nun so klar und modern wie die Fassade. Das Gesims ist mit Mineralwolle gedämmt; eine Dreischichtplatte stellt das Gefälle für das abschließende Blech her. Dieses Blech ist auf 10 mm Wirrgelege verlegt – eine Hinterlüftungsebene erübrigte sich somit.
Da die Blechdeckung 4 cm in die Rinne ragt, konnte man dort auf ein Traufblech verzichteten, nicht jedoch bei dem in das Dach einschneidenden Balkon. Um wegen der Gefahr von Bitumenkorrosion direkten Kontakt von Zinkblech und Bitumenabdichtung zu vermeiden, verwendeten die Handwerker Edelstahl. Die Flanken des Balkons wurden mit einer außen sichtbaren, zum Innenraum gedämmt Kerto-Platte ausgebildet. Da diese verleimte Platte quasi dampfdicht ist, wurde eine feuchtevariable Dampfbremse eingebaut.
Alles dicht? Lecksuche mit Blowerdoor
Ein Blowerdoor-Test half, die bei einer solchen Sanierung unvermeidbaren undichten Stellen aufzuspüren. Nachgebessert wurden beispielsweise unsauber ausgeführte Anschlüsse bei den festverglasten Fenstern. Die Fugen im Übergang vom Innenputz zum Fensterrahmen wurden mit überstreichbarem Silikon nachgearbeitet, damit das Fugmaterial später nicht unschön vergilbt. Die Lecks innerhalb der bestehenden Holzkonstruktion im Dach, vor allem im Bereich der Schwellen, wurden soweit möglich mit Kompribändern nachgedichtet.
Autor
Dipl.-Ing. Architekt Achim Pilz ist Publizist und freier Fachjournalist unter anderem der bauhandwerk. Sein aktuelles Buch: „Lehm im Innenraum“ ist im Fraunhofer irb-Verlag erschienen.
Energiebedarf halbiert – Sanierung einer 80 Jahre alten Villa