Materialmix
Totalumbau einer Scheune im Basler Hinterland zum Wohnhaus

Im eidgenössischen Büsserach bauten die Handwerker nach Plänen des Büros Degelo Architekten eine alte Scheune zu einem Wohn- und Atelierhaus um. Dabei blieb das alte, aber intakte Holzständerwerk als tragende Konstruktion erhalten. Die neue Außenhaut wirkt auf den ersten Blick fremd­artig im ländlichen Umfeld. In Wirklichkeit ist sie jedoch eine Hommage an lokale Bauformen.

Für den Architekten Heinrich Degelo sind im ländlich strukturierten Basler Hinterland Nebengebäude häufig durch eine vertikal angeordnete Brett­schalung, rostige Wellblechdächer und ungestrichenen Putz gekennzeichnet. Natürlich entstand diese Bauform weniger aus einer jahrhundertealten Tradition als vielmehr aus einer pragmatischen Bautätigkeit der einstmals armen Landbevölkerung. Wenn überhaupt, wurden die jeweiligen Hauptgebäude repräsentativ ausgeführt. Neben der Neuinterpretation tradi-tioneller Bauformen war dem Architekten ein weiterer Aspekt besonders wichtig: Er kalkulierte die Verwitterung der unbehandelten Fassaden-materialien Stahl, Holz und Putz als gestalterisches Mittel mit ein.

Vorgefertigte
Dachkonstruktion

Da die alte Scheune weder baufällig noch undicht war, konnten Instandsetzungs- oder Sicherungsarbeiten im Vorfeld unterbleiben. Tatsächlich war die Grundidee des Architekten, soviel wie möglich der tragenden Holzkonstruktion zu erhalten. So sollte zunächst auch die alte Außenschalung nur ausgebessert werden. Sie erwies sich jedoch als zu schadhaft und wurde komplett getauscht. Nach innen doppelten die Handwerker die alte Ständerkonstruktion auf und beplankten diese anschließend mit einer gehobelten Brettschalung aus Nadel­holz. Die Dämmung der nunmehr 40 cm dicken Außenwände erfolgte durch Ausblasen mit Altpapierflocken, die zuvor mit Borsalz impräg­niert worden waren. Zur Reali­sierung der neuen Raumfol­gen musste die alte Dachkonstruk­tion aufgegeben werden. Der bestehende Stuhl hätte die Schaffung des großen, stützen­freien Hauptwohnraumes, der auch das Dachvolumen mit einbezieht, nicht zugelassen. Stattdessen kam hier eine in der Zimmereiwerkstatt vorgefertigte Holzverbundkonstruk­tion zum Einsatz. Sie besteht aus jeweils 30 cm dicken und 2 m breiten Sandwichelemen­ten, die jeweils von der Traufe bis zum First reichen. Die kastenar­tigen Bauteile be­sitzen außen und innen jeweils eine Tafelholzschalung, zwischen denen durchlaufende Leicht­bau­­trä­ger und eine Wärmedäm­mung eingebracht wurden.

Die großen Fertigelemente transportierten die Mitarbeiter der Zimmerei von der Werkstatt auf die Baustelle nach Büsserach, wo sie mit dem Kran direkt vom LKW auf ihre zukünftige Position versetzt und montiert wurden.

Panoramascreen anstelle
regulärer Fenster

Auffällig am Haus ist die minimalistische Fensteranordnung. Dabei bestand das ursprüngliche Konzept des Architekten darin, oberhalb des gemauerten Bestands­sockels an jeder Gebäudeseite nur ein seitlich platziertes, großes Glasscreen vorzusehen. Tatsächlich wurde das einzige reguläre Fenster auf expliziten Wunsch der Bauherrin unweit der Küchen-
zeile zum Lüften angeordnet sowie ein weiteres im Obergeschoss – hier allerdings auf Anordnung der Baupolizei. Dieses Fenster stellt im Brandfall einen zweiten Fluchtweg aus jener Ebene sicher. Um den monolithischen Charakter des quaderförmigen Gebäudeteiles nicht zu stören, erhielt die Öffnung eine re­versible Lochblende gleicher Anmutung.

Belichtung und Belüftung

Grundsätzlich erfolgt die Belüftung des Hauses über türgroße Klappen, die jeweils unmittelbar an die Panoramascreens anschließen. Sie können über einen speziellen Dreh-Kipp-Mechanismus nach außen und nach unten geöffnet werden. Die notwendigen Geländer wurden von innen in die Laibung integriert und sind dadurch im geschlossenen Zustand von außen nicht sichtbar. Das nach unten gerichtete Abspreizen der Klappen macht ein Schließen der Öffnungen bei Regen unnötig. Die teilweise über 4 m breiten und rund 2,5 m hohen, getönten Panoramascreens führ­te der Fensterbauer als Doppelverglasung mit einer 2 cm dicken Isolierluftschicht aus. Für die Scheiben verwendete er VSG-Glas. Der umlaufende Isoliersteg zwischen Innen- und Außenglas wurde von der Außenkante etwas eingerückt. Dadurch entstand eine Nut, die das Fixieren der Scheibe ermöglicht. Tatsächlich sind die fast 10 m2 großen Glaselemente der Panoramascreens nur an vier Punkten befestigt: zwei Auflager- und zwei Haltepunkte. Der Architekt entschloss sich hierzu, da es bauseits unmöglich war, eine exakte Linie über drei Punkte zu führen, was zu unabschätzbaren Spannungen innerhalb des Glases geführt hätte. Die Scheibenauflager bestehen aus simplen Stahlwinkeln, die jeweils an die Holzständerkonstruktion angeschla­gen sind. Die Scheiben sitzen ungesichert auf diesen auf – nur ein Nylonvlies verhindert ihr Verrutschen. In den oberen Fixpunkten greifen Halteklammern in die Nut zwischen den beiden Scheiben. So ist es möglich, dass die Scheiben ohne umlaufenden Stahlrahmen direkt an die Außenschalung des Gebäudes stoßen können.

Auf der Küchenzeile geht´s
ins Dachgeschoss

Das Konzept für die Raumabfolge entwickelte sich aus der Idee, dass Weite noch weiter wirkt, wenn dieser eine Engstelle vorangeht. Entsprechend schmal fielen der Flur und die stiegenartigen Vertikalerschließungen aus. Besonders bemerkenswert ist die Küchenzeile, in der die Tischler den Aufgang in das Obergeschoss integrierten. Eine weitere gestalterische Entscheidung war die Festlegung auf nur ein Basismaterial pro Geschoss. Diesem Gedanken folgend erhielten im Keller Wand und Boden mineralische Beläge. Lediglich die alte Decken­untersicht blieb erhalten. Im Erdgeschoss belegten die Handwerker alle Flächen mit demselben, lediglich geölten Nadelholz. Im Obergeschoss tapezierte der Maler Decke und Wände mit Makulaturpapier weiß. Den Boden stellten die Handwerker aus phenolharzgetränk­tem Papier auf Sperrholzplatten her. In den Bädern findet sich anstelle von Fliesen ein PU-Anstrich, den die Maler auf ein rissüberbrückendes Faservlies applizierten.

Fazit

Die geometrische Schlichtheit und die lagebedingten Blickbeziehungen waren für den Architekten das große Potential des Bestandes. Sein Entwurf unterstreicht diese formale Reduktion nachhaltig, etwa durch das Weglassen eines Dachüberstandes oder durch eine minimalistische Ausbildung der von außen unsichtbaren Regenrinne. Die großen Panoramafenster schaffen – unterstützt durch eine leicht erhöhte Gebäudelage – beeindruckende Perspektiven in das voralpine Umland.

Die Vergänglichkeit als langfristigen Gestaltungsansatz zu begreifen, verleiht dem Bau zusätzlich eine außergewöhnliche Qualität und begeisterte von Anfang an auch die Bauherren, ein Künstlerpaar. Der Architekt Degelo bezeichnet diese zeitlich bedingte Veränderung als „Fortsetzung des Bauens in der vierten Dimension“.

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