Mit Holzfasern und Lehm

Bei der Sanierung des ehemaligen Ackerbürgerhauses in Gütersloh-Isselhorst kamen als Innendämmung der alten Backsteinfassade Holzfaserplatten zur Anwendung. Diese verputzen die Handwerker mit Lehm und schufen so eine baubiologisch einwandfreie und dem Denkmal adäquate Innenschale mit Originalmaterialien.

Das denkmalgeschützte Gebäude spiegelt die Umbruchsituation in der Bauweise solcher Ackerbürgerhäuser im ausgehenden 19. Jahrhunderts wider. Über Jahrhunderte hinweg waren diese als reine Fachwerkkonstruktionen errichtet worden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten sich für die Außenwand „moderne“ Materialien wie das Ziegelmauerwerk durch. Im Inneren gliederte die traditionelle Fachwerkbauweise mit hoher Deele die Struktur des Hauses.

Atmungsaktive Wanddämmung aus Holzfaserplatten

Um zu dem Ziegelmauerwerk der Außenwände hin alles kapillar offen zu lassen und eine gute Energiebilanz zu erzielen, verarbeiteten die Lehmbauer
16 Big Bags mit Lehm-Unter- und Oberputz von conluto und rund 220 m2 Holzfaserdämmplatten für die geforderte 60er-Dämmung. Die Wände waren teilweise so krumm, dass der Lehmfachmann mehrere Schichten auftragen musste. Stellenweise wurden die Schichten per Lehmputzmaschine aufgebracht. Dabei arbeitete der Lehmbauer nach alter Maurertechnik mit einer Putzlehre, mit der sich Problemwände und schwierige Bereiche wie Fensterausschnitte einfach ins Lot bringen lassen. Nach kompletter Durchtrocknung wurde je eine Klebeschicht aus Lehm auf Wand und Platte aufgetragen, um eine bessere Verbindung der Dämmplatte auf der Lehmwand zu erzielen. Nach Verschraubung der Dämmplatten wurde der Unterputz etwa 1 cm dick aufgetragen und das Armierungsgewebe eingearbeitet. Auch diese Schicht ließ der Lehmbauer vollständig durchtrocknen, um anschließend den Oberputz aufzutragen. Um die Oberfläche abscheuern zu können, muss der Lehm druckfest sein. Durch das Abscheuern wird die Oberfläche gleichmäßig glatt und der Lehm wird zusätzlich verdichtet. Für das Oberflächen-Finish entschied man sich dafür, einige Wände nicht weiter zu behandeln und nur in Teilflächen mit Lehmfarbe zu arbeiten, um den historischen Charakter des Gebäudes zu unterstreichen.

 

Historie ohne historisierende Zwänge

Der Sanierung und dem Umbau lag ein Funktions- und Gestaltungskonzept zu Grunde, das sich an der Nutzung eines modernen Café und Bistros mit gehobener Küche orientierte. Trotzdem erinnern an vielen Stellen ehemalige Elemente, die bewusst erhalten wurden, an die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes und an seine „Mitbewohner“. So findet sich neben einer Futterklappe des Schweinestalls in der Wand auch eine Nisthilfe für Rauchschwalben am Deckenbalken. Unter der hohen Deelendecke finden sich auch die Eisenbeschläge mit den „Wiemen“, einem Holzgerüst für geräucherte Fleischwaren. Unmittelbar neben dem historischen Altbau wurde ein moderner Neubau errichtet, der über ein Verbindungselement mit dem Denkmal korrespondiert. Der Neubau setzt sich architektonisch klar ab und passt dennoch zum Denkmal. Hier ist es durch viele planerische und gestalterische Schritte gelungen, das neue Gebäude in der funktional notwendigen Größe zu bauen, ohne dass es zu dominant auf den Altbau wirkt. Den Gästen gefällt die Kombination von alt und neu. Die bauphysikalisch geradezu ideale Kombination von Lehm und Ziegel sorgt für das optimale Wohlfühlklima in den modern ausgestatteten Räumen hinter historischen Mauern.

Der Lehmbauer arbeitete nach alter Maurertechnik mit einer Putzlehre, um die unebenen Wände einfach ins Lot zu bringen

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