Raum im Rücken
Sanierung und Anbau an ein Gründerzeitwohnhaus in Gütersloh

Das Büro Spooren Architekten erweiterte in Gütersloh ein Gründerzeithaus um einen Anbau, der sich formal deutlich vom Bestand unterscheidet. Beim An- und Umbau sowie bei der Rekonstruktion der Giebelwand erreichten die Architekten und Handwerker eine Qualität der Oberflächen und Details, die ihresgleichen sucht.

Maßstäbliche Pläne

Maßstäbliche Pläne (Schnitte, Grundrisse und Details) finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Zeitschrift bauhandwerk.

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Das 1902 in der Gütersloher Roonstraße erbaute Gründerzeithaus war nicht mehr viel wert. Die Werkraum 8 GmbH, ein Tochterunternehmen des ortsansässigen Büros Spooren Architekten, bezahlte gerade mal den Gründstückspreis, investierte dann aber rund 800 000 Euro für die originalgetreue Restaurierung der Giebelfassade, die energetische Ertüchtigung, den hochwertigen Umbau und den Anbau auf der Gebäuderückseite. Architekt Thomas Spooren beschreibt den Vorteil, den der Kauf der Immobilie durch ein eigenes Tochterunternehmen hat, so: „Wir konnten nach unseren Vorstellungen einen Umbau planen, den ein anderer Bauherr so sicher nicht finanziert hätte.“ Dies betrifft vor allem die hohe Qualität der Oberflächen und Details. Das Treppenhaus zum Beispiel ist im Vergleich zu einem Standardeinbau sicher dreimal so teuer geworden. Kein Wunder, denn die Trittstufen, die die Handwerker besonders aufwendig mit einem gebührenden Abstand zum Bestandsmauerwerk montierten, besitzen eine erstaunlich hohe Qualität der Sichtbetonoberflächen. Dies beruht auch einem handwerklichen Trick: Justus Maly, damals Mitarbeiter bei Jan Spooren Metallbau, baute eine alte Waschmaschine zu einem Rütteltisch um, der wirklich jeden Lufteinschluss und Lunker aus dem frisch gegossenen Sichtbeton trieb. Zudem sorgt ein besonders feiner Sand als Zuschlagstoff für die hohe Qualität des Sichtbetons.

Wiederherstellung der Giebelfassade 

Justus Malys handwerkliches Können war auch für die Wiederherstellung der Giebelfassade gefragt. Denn den einst mit einem Wappen geschmückten, aufwendig gestalteten Giebel traf im Zweiten Weltkrieg eine Bombe. Man hatte ihn danach unter Verzicht auf Zierrat eher notdürftig repariert. „Es gab nur ein Foto von 1943, an dem wir uns orientieren konnten“, erinnert sich Thomas Spooren. Justus Maly versetzte den Giebel zusammen mit Jan Spooren wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück, so wie ihn der Maurermeister Paul Struck vor über 100 Jahren vollendet hatte. Auch hierbei fand der selbst gebaute Rütteltisch Anwendung, denn das geschwungene Segment, des in einen einfachen Vorhangbogen auslaufenden Fialengiebels, musste aus Gründen der Witterungsbeständigkeit aus einem Betonformteil höchster Oberflächenqualität gegossen werden. Dieses hievten die Handwerker mit dem Kran auf die beiden zuvor gemauerten Fialen, in deren Mitte jeweils ein Gewindestab steckte. Mit diesen verschraubten die Handwerker die Enden des Betonformteils und mauerten die Fialen anschließend weiter auf. Auch der Fassadenabschnitt des Giebels unter dem Vorhangbogen wurde mit passend zugeschnittenen Ziegeln ausgemauert. Die nach unten strebenden Zierprofile, die der gesamten Giebelfläche einen Rahmen geben, zog der Stuckateur mit einer passend gefertigten Lehre nach. Die Fialen wurden anschließend verputzt und an ihren Enden mit auf die Gewindestäbe gelöteten Abdeckkappen verziert. Diese bilden formal zusammen mit der Zinkblechabdeckung den Wetterschutz der Mauerkronen. „Das war da oben alles eine ziemliche Fummelei. Zum einen musste jeder Stein passend mit der Flex schräg zugeschnitten werden, damit er genau an die Profilkanten des Giebels und in das geschwungene Segment des Vorhangbogens hineinpasst. Außerdem mussten auskragende Steine dort eingesetzt werden, wo die Stuckprofile aufgezogen werden sollten. Zum anderen musste an den Verblechungen sehr viel gelötet werden, damit diese das Regenwasser sicher abführen können“, lobt Architekt Spooren die Arbeit der Handwerker.

Sanierung des Balkons und der Loggia 

Auch an der Brüstung des Balkons gab es für den Stuckateur reichlich zu tun: Die aus Stahlbeton gegossene Balustrade zeigte viele Risse und Abplatzungen. Zur statischen Sicherung mussten auf der Brüstung zwei parallele Nuten mit der Flex eingefräst werden, in die anschließend Edelstahlstäbe eingelegt wurden. Die kraftschlüssige Verbindung zwischen Edelstahl und Stahlbeton stellt ein Verguss aus Epoxidharz her.

Von den aus hohlen Fertigteilen hergestellten Stuckkonsolen unter dem Balkon waren Teile abgebrochen. Diese mussten vom Stuckateur mit viel Liebe zum Detail nachmodelliert werden. Eine aufwendige Handarbeit, von der Thomas Spooren jedoch weiß: „Das hat dem gelernten Bielefelder Stuckateur Christoph Strunk viel Spaß gemacht.“ Dann mussten – wie bereits am Giebel – die Profilkanten des Balkons mit einer Profillehre nachgezogen werden. Alter und neuer Stuck und Putz wurden anschließend mit Tiefengrund gestrichen, um das Saugverhalten der Oberflächen für den nachfolgenden Farbanstrich anzugleichen.

Die Wiederherstellung der Statik und Optik des Balkons war eine Sache. Eine andere war die thermische Qualität dieses Bauteils und die galt es wesentlich zu verbessern. „Der Balkon war eine massive Kühlrippe“, meint Thomas Spooren, nachdem er sich das Bauteil mit der Thermokamera genauer angeschaut hatte. Konstruktiv handelt es sich um einen eingespannten Balkon, dessen schmale Doppel-T-Träger aus Stahl etwa ein Viertel über der Außenwand auskragen, während drei Viertel als Gegengewicht in das Gebäude hineinreichen. Letzteren Abschnitt hatten die Baumeister seinerzeit als Loggia ausgebildet, die in den Balkon übergeht. Daher dämmten die Handwerker die Bodenfläche des Balkons von oben mit 4 cm Polyurethanplatten der WLG 022. Von unten befestigten sie am Balkonboden 10 cm Mineralwolle auf der Fläche, ab der der Balkon im Übergang zur Loggia die Fassadenebene durchdringt. Die Außenwände der Loggia erhielte ein 14 cm dickes WDVS aus Mineralwolle. „Das passte ganz gut, weil an der Wand noch

20 cm Platz waren. Bei einem 14 cm dicken WDVS bleibt die Kante der Wand noch erfahrbar“, meint Thomas Spooren. Als Balkonverglasung wählten die Architekten eine Schiebetür aus Aluminiumprofilen mit Dreifachverglasung. Letztere wurde um 80 cm nach vorn versetzt eingebaut, wodurch der Balkon eine quadratische Grundfläche erhält. Dabei entdeckten die Handwerker Teile des alten Terrazzofußbodens, der nun von einer Glasplatte abgedeckt innen vor der Balkonverglasung in einem beleuchteten Bodenfenster zu sehen ist.

Energetische Ertüchtigung des Bestands 

Neben der Dämmung am Balkon und an der Loggia musste der gesamte Bestand energetisch ertüchtigt werden. Hierzu dämmten die Handwerker das Haus vom Keller bis unters Dach. „Die Kellerdecke ist am tiefsten Punkt 1,82 m hoch. Hätten wir Dämmplatten benutzt, wäre eine Höhe von 1,70 m übrig geblieben“, sagt Architekt Spooren. Daher brachten die Handwerker flockige Mineralwolle im Einblasverfahren von unten in den 10 bis 12 cm hohen Hohlraum jedes Segments der preußischen Kappendecke ein. „So konnte der alte Parkettfußboden im Erdgeschoss unangetastet bleiben“, ergänzt Thomas Spooren.

Da eine Außendämmung der Giebelfassade selbstverständlich nicht in Frage kam, fand die Dämmung im Spalt zwischen dem zweischaligen Backsteinmauerwerk ihren Platz. „Zum Glück hat man damals so gebaut“, schmunzelt Thomas Spooren. Bevor die Handwerker jedoch in den Spalt zwischen den Mauerschalen ebenfalls flockige Mineralwolle einblasen konnten, mussten sie die offenen Laibungen der zuvor für den Anbau auf der Gebäuderückseite ins Backsteinmauerwerk gebrochenen Öffnungen mit Ziegelsteinen schließen. So bleibt die Einblasdämmung dort, wo sie hin soll: im Spalt zwischen den Mauerschalen.

Die Außenwände des Treppenhauses erhielten eine zusätzliche Innendämmung aus Mineralplatten. Hierbei führten die Handwerker die Montage der Dämmung an der Außenwand von oben nach unten durch.

Die maroden Fenster tauschten sie gegen neue dreifachverglaste Holzfenster aus. Die denkmalgeschützten Kastenfenster der Giebelfassade restaurierten die Mitarbeiter der Firma Drücker & Schnitger in der Werkstatt in Rietberg und bauten sie vor Ort in Gütersloh behutsam wieder ein. Im ersten Obergeschoss wurden die Kastenfenster nicht weiß, sondern klar lackiert, so dass die Spuren der handwerklichen Bearbeitung an den Fenstern sichtbar sind.

Im Dachgeschoss doppelte man die 12 cm hohen Sparren um 8 cm auf, um mit einer 20 cm dicken Zwischensparrendämmung plus 4 cm Untersparrendämmung auf ein 24 cm dickes Dämmpaket aus Mineralfasern zu kommen. Anschließend erneuerten die Handwerker die Dacheindeckung mit dem Altstadt Dachziegel Vario glatt.

Anbau auf der Gebäuderückseite 

Auf der Gebäuderückseite hatte es bereits einen schon in den 1950er Jahren erweiterten eingeschossigen Anbau gegeben. Dieser wurde abgerissen und durch einen modernen zweigeschossigen Anbau ersetzt, mit dem jede der drei Wohnungen auch einen Freisitz bekommt. Damit der aus Kalksandsteinmauerwerk errichtete und von einem WDVS aus Polystyrol gedämmte Anbau über großzügige Durchgänge direkt an den Altbau angeschlossen werden konnte, mussten entsprechend große Öffnungen in das zweischalige Mauerwerk gebrochen werden. Hierzu stemmten die Handwerker zunächst einige Lagen Ziegel aus dem Mauerwerk heraus und setzten darin zwei höhenversetzt angeordnete Doppel-T-Träger ein, bevor sie das Backsteinmauerwerk darunter herausbrachen. Die Doppel-T-Träger sind leicht überdimensioniert, damit sie in das Fugenbild der Ziegelfassade passen. Ebenfalls thermisch getrennt davon stütz ein weiterer Doppel-T-Träger das Mauwerk der Innenschale ab.

Zu den zwei im Giebeldreieck ursprünglich vorhandenen Fenstern kamen zwei weitere hinzu, wobei unter einem der beiden Bestandsfenster das Brüstungsmauerwerk herausgebrochen wurde, damit eine Balkontür entstehen konnte. So bietet der Anbau auf jeder Ebene einen Mehrwert: Im Erdgeschoss zwei zusätzliche Räume und einen direkten Zugang zum Garten, im Obergeschoss einen Raum sowie eine großzügige Dachterrasse, die auch die Wohnung im Dachgeschoss auf dem Anbau erhielt.

Mit einer gehörigen Portion Mut zur Investition in den Bestand sowie in bauliche Qualität und Details machte das Büro Spooren Architekten mit ihrem Bauherrn, der Werkraum 8 GmbH, aus einem vernachlässigten innerstädtischen Altbau ein zeitgemäßes Mehrfamilienwohnhaus mit dem energetischen Standard eines Niedrigenergiehauses.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

„Es gab nur ein Foto von 1943, an dem wir uns orientieren konnten“

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