Umbau und Erweiterung eines Siedlungshauses aus den 1950er Jahren in Gütersloh

Kerstin und Andreas Bernstein wollten ihr Siedlungshaus aus den 1950er Jahren in Gütersloh gründlich umbauen. Vor allem der energetische Standard sollte deutlich angehoben werden. Das Büro Spooren Architekten schaffte es, aus dem Siedlungshaus ein KfW-55-Haus zu machen.

Mit dem Umbau wurde der Hauseingang in den Anbau zwischen dem Haus und der Garage verlegt Mit dem Umbau wurde der Hauseingang in den Anbau zwischen dem Haus und der Garage verlegt
Fotos: Spooren Architekten

Mit dem Umbau wurde der Hauseingang in den Anbau zwischen dem Haus und der Garage verlegt
Fotos: Spooren Architekten
Die Kinder sind aus dem Haus. Der richtige Zeitpunkt, um noch einmal umzubauen. Das dachte sich auch Andreas Bernstein, der mit seiner Frau Kerstin schon seit über 25 Jahren in einem Siedlungshaus aus den 1950er Jahren in Gütersloh wohnt. Und wenn umbauen, dann richtig, dann mit einem qualitativ möglichst hohen energetischen Standard. Den hatte sich der Bauherr gewünscht, ist er doch bei seinem Arbeitgeber unter anderem Nachhaltigkeitsbeauftragter. So sollte das Siedlungshaus ein KfW-55-Haus werden.

Siedlungshaus mit KfW-55-Standard

Das Gütersloher Siedlungshaus aus den 1950er Jahren vor Beginn der Umbauarbeiten Das Gütersloher Siedlungshaus aus den 1950er Jahren vor Beginn der Umbauarbeiten
Foto: Spooren Architekten

Das Gütersloher Siedlungshaus aus den 1950er Jahren vor Beginn der Umbauarbeiten
Foto: Spooren Architekten
„Siedlungshäuser kann man relativ gut umbauen“, mein Architekt Thomas Spooren. Auf sein Büro waren die Bauherren aufmerksam geworden, weil es viel Erfahrung mit Bestandsgebäuden hat und weil es für energieeffizientes Bauen in der Region bekannt ist. „Der Bauherr hat sich das gewünscht, was energetisch möglich ist“, erinnert sich Architekt Spooren. Während ein KfW-55-Haus als Neubau kein Problem ist, muss man sich im Bestand einiges überlegen, um diesen Standard zu erreichen. Über den Keller geht viel Energie verloren. Der energetische Standard muss folglich über sehr gute U-Werte der Gebäudehülle erreicht werden.

Das Haus hatte man 1957 immerhin mit zweischaligem Ziegelmauerwerk errichtet. In den 7 cm breiten Zwischenraum der Mauerschalen wurde bereits 2006 „Paroc BLT 7“ mit der WLG 035 eingeblasen. Dies dient zum einen der Verbesserung der Dämmwerte der Außenwand und verhindert zum anderen Konvektion im Zwischenraum. Aber dies allein hätte natürlich noch nicht ausgereicht, um den angestrebten energetischen Standard zu erreichen. Daher erhielt die Außenwand ein WDVS der Firma Sto mit Mineralwolle und 2 mm Scheibenputz. So wird ein U-Wert der Außenwand von 0,167 W/m2K erreicht.

Einen noch größeren Beitrag zur energetischen Ertüchtigung der Gebäudehülle leistet das Dach. Zwischen den Sparren des statisch ertüchtigten Dachstuhls sitzt eine 24 cm dicke Mineralwolle der WLG 035. Damit eine so hohe Zwischensparrendämmung eingebaut werden konnte, mussten die Zimmerleute 10 cm hohe Hölzer auf den bestehenden Sparren befestigen. Zusätzlich besitzt das Dach außen eine 8 cm dicke Aufsparrendämmung aus Holzweichfaserplatten (Pavatex) und innen eine 6 cm hohe Installationsebene, die mit Mineralwolle der WLG 035 gedämmt wurde. „Dadurch haben wir 38 cm Dämmung im Dach, wodurch wir so gut wie nichts an Energie verlieren“, sagt Thomas Spooren. Der U-Wert des Daches liegt bei 0,11 W/m2K, was ein ziemlich guter Wert ist, bedenkt man, dass der U-Wert für das Dach eines Passivhauses bei 0,15 W/m2K liegen muss. Das Dach erhielt eine Eindeckung mit den glatten Dachsteinen „Planum“ von Nelskamp in anthrazitgrau und vier Dachfenster von Velux mit Smart-Home-Funktion, so dass Tageslicht bis in den Spitzboden gelangt.

Verlegung des Hauseingangs

Der verlegte neue Hauseingang mit roter Tür Der verlegte neue Hauseingang mit roter Tür
Foto: Thomas Wieckhorst

Der verlegte neue Hauseingang mit roter Tür
Foto: Thomas Wieckhorst
Umgebaut wurde das Haus schon einmal Ende der 1990er Jahre. Damals hatte man die tragende Wand zwischen dem Wohn- und Esszimmer entfernt und außerdem die Fassade zum Garten hin mit einer großen verglasten Schiebetür geöffnet. Im Zuge des neuerlichen Umbaus waren weitere Eingriffe in den Grundriss erforderlich. So wurde der Hauseingang in einen in Holzrahmenbauweise errichteten Anbau zwischen der Garage und dem Haus verlegt. Den ehemaligen Hauseingang mauerten die Handwerker bis auf Brüstungshöhe zu und setzten darüber ein Fenster ein. Aus dem ehemals neben dem Hauseingang gelegenen Gäste-WC wurde ein zweites vollwertiges Bad mit ebenerdiger Dusche. Durch die Verlegung des Hauseingangs entstand eine großzügige und helle Eingangssituation mit einem glasüberdachten Hauseingang und Oberlicht im Flur dahinter.  Von dort gelangt man heute durch den ehemaligen Nebeneingang ins Haus. „Der eigentliche Hauseingang war früher für die Gäste. Die Bewohner sind durch den Nebeneingang rein- und rausgegangen“, erzählt Thomas Spooren. Auch heute gelangt man dann über drei Stufen ins Haus. Der Keller war damals wegen der hohen Grundwasserstände möglichst hoch gebaut worden, so dass man über die drei Stufen das Wohnniveau erreicht.

Großzügiger Raum

Neben der tragenden Wand zwischen dem Wohn- und Esszimmer, die bereits in den 1990er Jahren verschwunden war, entfernten die Handwerker nun auch die Wand zwischen dem Esszimmer und der Küche, so dass Platz für eine Kochinsel entstand. Vormals gab es zwischen dem Esszimmer und der Küche nur einen 55 cm breiten und 1,86 cm hohen „Arbeitsdurchgang“. Nun besteht das Erdgeschoss im Wesentlichen aus einem großen Raum.

Die verglaste Schiebetür im Esszimmer zum Garten hin wurde gegen eine neue Schiebetür ausgetauscht, die energetisch auf dem Stand der Zeit ist. Zudem erhielt nun auch die Küche eine verglaste Schiebetür zum Garten hin. Hier hatte es nur eine verglaste Tür gegeben.

Der Balkon wurde abgeschnitten. Im Erdgeschoss führen zwei große Schiebetüren auf die Terrasse hinaus Der Balkon wurde auf der Gartenseite abgeschnitten. Im Erdgeschoss führen zwei große Schiebetüren auf die Terrasse hinaus
Foto: Spooren Architekten

Der Balkon wurde auf der Gartenseite abgeschnitten. Im Erdgeschoss führen zwei große Schiebetüren auf die Terrasse hinaus
Foto: Spooren Architekten
Den Balkon im Obergeschoss zum Garten hin schnitten die Handwerker ab. „Auf so einem Balkon hat auch nie jemand gesessen. Damals war ein Balkon eben ein Statussymbol“, meint Architekt Spooren. Vor allem wurde der Balkon jedoch aus energetischen Gründen entfernt. „Den Balkon hätten wir dick in Dämmung einpacken müssen, damit keine Wärmebrücke entsteht“, schildert Thomas Spooren sein Vorgehen.

Sämtliche Fenster tauschten die Handwerker gegen energetisch hochwertige neue Fenster, die zudem in der Dämmebene sitzen, so dass an ihnen weder Tauwasser anfällt, noch ein „Schießscharteneffekt“ aufgrund des WDVS entsteht.

Das Vordach der Garage zum Garten hin wurde hingegen in Dämmung eingepackt, die ehemalige Garagenwand zum Garten hin abgebrochen und ein Stahlunterzug eingefügt. Für die neu zum Garten hin versetzte Außenwand mauerten die Handwerker eine Brüstung auf, auf der sie die Lichtpaneele von rodeca stellten. Durch diese gelangt viel Tageslicht in die als Werkstatt genutzte Erweiterung der Garage.

Ausbau mit Spachtelboden und Akustikdecke

Das Fenster an der Treppe im Erdgeschoss mauerten die Handwerker zu. Ebenfalls den Türdurchgang vom Flur zur Küche, der ehemals in der Flucht der Haustür lag. Auch im Obergeschoss wurde ein Türdurchgang im Treppenhaus zugemauert, der Zugang verlegt und aus statischen Gründen eine Trockenbauwand eingezogen, so dass für das Schlafzimmer nun eine Ankleide entstanden ist. Aus den Kinderzimmern wurde ein Hobby- beziehungsweise Gästezimmer. Das Bad im Obergeschoss verlegte man von der Straßen- zur Gartenseite. „Früher mussten die Bäder wegen der schweren gusseisernen Fallrohre übereinander sein. Heute kann man das flexibler handhaben“, erklärt Thomas Spooren.

Im Erdgeschoss wurde eine Fußbodenheizung mit Dämmung darunter verlegt, im Bad zusätzlich eine Wandheizung. Bis auf das Bad kam im Erdgeschoss ein Spachtelboden von Frescolori zur Ausführung. Das passt sehr gut zu den Glaselementen als Absturzsicherung der Treppe und zu deren Trittstufen aus Eiche.

Im Erdgeschoss wurde eine Akustikdecke mit Quadratlochung und Randfries befestigt Im Erdgeschoss wurde eine Akustikdecke mit Quadratlochung und Randfries befestigt
Foto: Spooren Architekten

Im Erdgeschoss wurde eine Akustikdecke mit Quadratlochung und Randfries befestigt
Foto: Spooren Architekten
Und weil der Bauherr gerne gut Musik hören will und das Erdgeschoss viele glatte schallharte Flächen hat, erhielt das Erdgeschoss eine Akustikdecke aus Gipskarton-Lochplatten. An der Rohdecke befestigten die Handwerker CD-Profile und daran die Akustikdecke „Cleano“ von Knauf mit Quadratlochung 8/18 und Randfries, den die Handwerker mit „Cleano Tape“ in 98 mm Breite herstellten. In der Akustikdecke befinden sich 40 mm Mineralwolle sowie die Beleuchtung und Belüftung. Dank der Decke herrscht im Erdgeschoss eine sehr angenehme Akustik.

Eine Besonderheit sind die Innentüren, die als Schiebetüren auch für den Wandschrank im Erdgeschossflur zur Ausführung kamen. Dabei handelt es sich um transluzente Wabentüren von Wacosystems, die man ebenso wie die Akustikdecke sonst eher in Büroräumen findet. Bis ins Detail sauber verarbeitet, verleihen die Türen dem gesamten Innenausbau viel Licht und Leichtigkeit, so dass sie auch zu dem klaren Wohnambiente gut passen.

Erdwärme-Heizzentrale, Twin-Pipe-Sonden und PV-Anlage

Und natürlich gehört zum energetischen Konzept eines KfW-55-Hauses auch die passende Haustechnik. „Das Haus produziert wesentlich mehr Energie, als es zum Heizen und Lüften braucht“, so Thomas Spooren. Die alte Gasbrennwertheizung von 1998 wurde ausgebaut und eine Erdwärme-Heizzentrale, Twin-Pipe-Sonden und eine große PV-Anlage mit 24 kWp eingebaut. In Verbindung mit dem 22 kW Speicher ist das Haus nun fast autark.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherren Kerstin und Andreas Bernstein,Gütersloh

Architekten Thomas Spooren, Ina Kasper,Spooren Architekten und Partner, Gütersloh, www.spooren-architekten.de

Statik Dipl.-Ing. Stefan Lomberg, Gütersloh

Rohbauarbeiten Schledde Bau, Gütersloh, www.schledde-bau.de

Estricharbeiten Estrichbau Ziegelmann, Herzebrock-Clarholz, www.ziegelmann-estrichbau.de

Tischlerarbeiten Maik Schwagmeier Möbeldesign, Hiddenhausen, schwagmeier-moebeldesign.de

Spachtelbodenarbeiten Malerbetrieb Hainke,Bielefeld, www.malerhainke.de

Malerarbeiten MalerDi, Harsewinkel, www.malerdi.de

WDVS-Arbeiten Prasse Malerbetrieb, Rheda-Wiedenbrück, www.prassewdvs.com

Trockenbauarbeiten Tischlerei Schalück, Rheda-Wiedenbrück

Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten Zimmerei & Bedachungen Tobias Jäger, Gütersloh, www.zimmerei-bedachungen-jaeger.de

 

Herstellerindex (Auswahl)

 

Akustikdecke Knauf, Iphofen, www.knauf.de

Spachtelboden Frescolori, Bocholt, www.frescolori.de

Innentüren Wacosystems, Herford, www.wacosystems.de

Lichtpaneele Rodeca, Mühlheim, rodeca.de

Holzfaserdämmung Pavatex, Leutkirch, www.pavatex.de

Dachsteine Nelskamp, Schermbeck, www.nelskamp.de

Dachfenster Velux, Hamburg, www.velux.de

Haustür und Garagentore Hörmann, Steinhagen, www.hoermann.de

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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