Schuppen Eins
Umnutzung eines Schuppengebäudes in der Bremer Überseestadt

In Bremen bauten Westphal Architekten den denkmalgeschützten Schuppen Eins zu einem Oldtimerzentrum mit Wohn- und Bürolofts um. Die Sanierung des überdimensionalen Betontisches im Erdgeschoss und der Stahlfachwerkträger unterm Dach stellte die Handwerker vor völlig unterschiedliche Aufgaben.

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Das Bremer Überseequartier ist eines der größten städtebaulichen Entwicklungsgebiete Europas: In dem früheren, mehr als 300 Hektar großen Hafengebiet nördlich der Innenstadt sollen bis 2025 rund 450 Unternehmen angesiedelt, 9000 Arbeitsplätze und exklusive Wohnungen geschaffen werden. Bremen setzt dabei auf eine behutsame Einbindung seines industriellen Erbes, zu dem auch der denkmalgeschützte, 405 m lange Schuppen Eins zählt.

Der 1959 errichtete, zweigeschossige Stückgutschuppen liegt direkt an der Kaimauer: Eine Kranbahn löschte die Fracht vom Schiff in den Bau, bevor sie auf der Landseite auf Eisenbahnwaggons verladen wurde. Auch nach der Aufgabe des Hafens wurde der Schuppen als Lager genutzt. Später füllte die Firma Dittmayer dort Fruchtsäfte ab, dann stand das Gebäude leer. 2007 kauften zwei Investoren den Schuppen je zur Hälfte. Den nordwestlichen Teil sanierte das Bremer Büro Westphal Architekten und baute ihn zu einem Technik- und Erlebniszentrum für Oldtimer-Fans um. Bauherr Klaus J.K. Hornung ist ein begeisterter Autosammler und wusste um die zahlreichen Oldtimerfreunde in der Hansestadt.

Das Erdgeschoss gestalteten die Architekten als öffentlich zugängliche Passage – mit offenen Werkstätten, Geschäften, einem Café, dem so genannten „Mobileum“ und einer Zwischenebene mit Büros. Im Obergeschoss brachten sie Bürohäuser unter sowie 20 Maisonette-Wohnungen mit jeweils rund 160 m2 Grundfläche.

Tisch aus Stahlbeton

Eine Art „Tisch“ aus Stahlbeton überbrückt das 9 m hohe Erdgeschoss. Den Tisch tragen pro Achse je fünf T-förmige Stützen im Abstand von 12,5 m, die wie Ampelmännchen zum Stützenkopf hin breiter werden und so den Kräfteverlauf nachzeichnen: An den breitesten Stellen sind sie bis zu 2,5 m dick. Auf dem durch Nebenträger verbundenen Betontisch und einer Rippendecke sitzt im Obergeschoss ein filigranes Stahl-Fachwerk auf. Außen ist die Fassade im Erdgeschoss verglast und im Obergeschoss mit Ziegeln verkleidet.

„Das Betontragwerk hat uns an eine Kathedrale erinnert“, sagt Architekt Jost Westphal. „Diesen Eindruck wollten wir unbedingt bewahren: Daher die Idee eines öffentlichen Boulevards, der über eine Länge von 200 m alle Funktionen von innen heraus erschließt. So erleben die Leute die überwältigenden Raumdimensionen unverbaut.“

Das Betontragwerk war innen wie außen in einem verhältnismäßig guten Zustand. Lose, durch Frost abgeplatzte Stellen stemmten die Handwerker der für die Betonsanierung zuständigen Firma RSI Industrieanstriche weg und entfernten den Stahlrost mit dem Sandstrahler. „Wo der Stahl bereits durchkorrodiert war, wurden Rillen in den Beton gestemmt und neue Eisen eingelegt“, sagt RSI-Geschäftsführer Rüdiger Schock. Anschließend beschichteten die Betonbauer die gestrahlten Eisen mit einem mineralischen Korrosionsschutz. Die Ausbruchstellen versahen sie mit einer Haftbrücke und verspachtelten sie mit Grobmörtel. Der schalungsraue Sichtbeton wurde innen mit weißer und am Sockel mit schwarzer Dispersionsfarbe gestrichen. Außen verzichtete man aus Gründen des Denkmalschutzes auf einen Anstrich.

Injektionen für den Beton

Auch die Sohlplatte wurde erneuert und statisch ertüchtigt, da sie an manchen Stellen nur noch aus losen Betonbrocken bestand. Hierzu stemmten die Betonbauer die kaputten Sohlbereiche sauber ab und bohrten im Abstand von 20 cm Löcher seitlich in die Sohle. Die Löcher säuberten sie mit Stahlbürste und Ausblaspumpe und verfüllten sie mit einem Zweikomponenten-Injektionskleber, in den sie neue Bewehrungseisen, Ø 8 mm, drückten. „Der Kleber verbindet Eisen und Beton kraftschlüssig“, erklärt Bauleiter Tim Uden. Gröbere Dellen im Beton füllten die Handwerker mit feinkörnigem Mörtel auf. Dadurch konnte der alte Beton größtenteils im Boden bleiben.

Als Bewehrung verlegten die Betonbauer einlagig hochduktile Stahlmatten, verschnürten sie mit Rödeldraht und betonierten die rund 10 000 m2 große Fläche in vier Abschnitten. Bis zur Bewehrung gossen sie

6 cm Splitbeton, darüber 3,5 cm benzinbeständigen, anthrazit eingefärbten Basaltbeton. Diesen glätteten sie nach dem Anziehen mit Flügelglättern. Abschließend deckten sie den einbaufertigen Betonboden mit foliertem Malervlies ab – als Schutz vor dem weiteren Roh- und Ausbau und um zu verhindern, dass Feuchtigkeit aus dem Beton austritt.

Gussglas mit Industriecharme

Halbtransparente Gussglaswänden trennen Werkstätten, Shops und Büros von der Passage ab. „Dank des Gussglases bleibt die Stahlbetonkonstruktion des Bestands ablesbar. Gleichzeitig filtern die Scheiben Tageslicht in das 50 m tiefe Gebäude“, sagt Architekt Jost Westphal. Das Profilbauglas weckt Neugierde, da nur unscharfe Umrisse aus den Werkstätten durchschimmern. Die bis zu 4,98 m hohen und 30 cm breiten,

u-förmigen Alkali-Gussglaselemente von Pilkington wurden unten und oben in Schienen gesetzt und die Fugen zwischen den Scheiben mit Silikon versiegelt. Die Zufahrten zu den Shops und Werkstätten sind mit vollflächig verglasten Aluminiumtoren von Hörmann gesichert.

Die Fassaden blieben, abgesehen von den Fenstern, erhalten. Das Drahtglas im Parterre tauschten die Glaser gegen eine Pfosten-Riegel-Fassade mit Zweischeiben-Isolierglas aus: Mit zwölf Elementen pro Achse weisen die neuen Scheiben die gleiche Fensterteilung auf wie zuvor. Ziegel wurden nur an Stellen mit Frostschäden ausgetauscht – gegen nachgebrannte Klinker, die in Farbe, Mischverhältnis und Format identisch mit dem Bestand sind.

Verstärkung für die Binder

Auch die Kontur des Daches sieht von außen noch gleich aus. Zwar wurden die maroden Aluminium-Dämmpaneelen abgedeckt und durch ein Pult-Zinkdach von Kalzip ersetzt. Das historische Dachtragwerk blieb jedoch erhalten: Um das neue Dach zu tragen, mussten die alten Stahlbinder an mehreren Stellen verstärkt und erneuert werden. Die Handwerker ersetzten Druck- durch Zugstäbe, bauten neue Bindebleche und Flachstähle ein, tauschten Bolzen und Schrauben aus und grundierten die Träger in einem grauen Glimmerton. Die Sanierung war extrem aufwendig: „Um in der Nachkriegszeit Material zu sparen, wurden die Träger je nach Belastung anders gebaut. Daher brauchte fast jeder Träger eine andere Verstärkung“, sagt Bauleiter Tim Uden.

Aus statischen Gründen durften die Pfetten, die die Träger untereinander verbinden, zudem nicht abgehoben werden. Stattdessen musste das Tragwerk während der Bauarbeiten mit Lasttürmen auf der vorhandenen, 10 cm dicken Rippendecke abgestützt werden. „Wir haben den Rohbau nicht klassisch hochgezogen und die Baustelle mit dem Kran von oben bedient, sondern uns unter dem alten Dach mit Hebebühnen hochgearbeitet, bis wir unterhalb der Träger waren“, sagt Uden. Vorteil dieser Methode: Im Schutz des Daches kamen die Handwerker im Winter fast ohne Frostschutzmaßnahmen aus. Lediglich kleinere Bauteile wie Stützen wurden zweitweise eingehaust und mit Heizbläsern temperiert.

Einschnitt ins Dach

Eine weitere Herausforderung war die nach oben offene Fahrstraße im Obergeschoss: Diese erschließt und belichtet die „Wohnhäuser“ zum Hafen und die „Bürohäuser“ auf der Landseite. Dank zweier Autoaufzüge können die Bewohner der Maisonetten mit dem Oldtimer bis vor die Haustür rollen. Ein kluger Marketing-Schachzug, der den Verkauf der Wohnungen beschleunigte, die Handwerker jedoch vor ein Problem stellte: Sie mussten die Stahlbinder kurz unterhalb des Giebels aufschneiden.

Dazu mauerten sie zunächst beidseitig der Fahrstraße die tragenden Wände der zweigeschossigen Wohnungen und Büros aus Porenbeton hoch. In diese ließen sie Betonplomben – Betonfertigteile in Wanddicke – als Auflager für die Träger ein. Anschließend stützten sie die zu kappenden Träger mit Lasttürmen ab, durchtrennten sie mit dem Schneidbrenner und hoben sie per Kran heraus. Die abgetrennten Stirnseiten wurden nach dem Zuschalen der Plomben mit 3 cm Überdeckung einbetoniert. „Ein Problem bei der Betonage waren die kleinen Mengen von etwa 1 m3 Beton pro Auflager – zu wenig für eine Betonpumpe“, sagt Tim Uden. „Zum Teil mussten die Handwerker den Beton mit dem Gabelstapler zum Einbauort bringen und mit Eimer und Kelle betonieren.“

Auf die Rohbauwände montierten die Handwerker eine vorgehängte hinterlüftete Fassade aus grauen Faserzementplatten von Eternit (Tectiva Fassadentafeln) und kombinierten diese im unteren der beiden Geschosse zum Teil mit fast schwarzen Natura Tafeln des gleichen Herstellers.

Unterm Strich aber hat sich der Aufwand gelohnt: Das historische Tragwerk prägt beide Geschosse und transportiert ein Stück Industriegeschichte in die Gegenwart.

Autor
Dipl.-Ing. Michael Brüggemann studierte Architektur in Detmold und Journalismus in Mainz. Er arbeitet als Redakteur und schreibt außerdem als freier Autor unter anderem für stern, DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau.

Stahlbetonstützen zeichnen in Form von Ampelmännchen den Kräfteverlauf nach

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