Neubau eines Wohn- und Geschäftskomplexes in Gütersloh in denkmalgeschützter Umgebung
Mitten im Stadtzentrum von Gütersloh ist ein neuer Wohn- und Geschäftskomplex entstanden, der sich behutsam ins denkmalgeschützte Umfeld einfügt. Ein Brand hatte dort eine Lücke gerissen. Die Fassaden-Klinker erzeugen einen rustikalen Look und nehmen die Farbgebung der Nachbargebäude auf.
Ein Feuer zerstörte im August 2020 in der Innenstadt von Gütersloh in Ostwestfalen ein Elektronikfachgeschäft und ein Hotel im Obergeschoss. Zurück blieb eine Brandruine in denkmalgeschützter Umgebung. Schnell war klar, dass diese Lücke behutsam gefüllt werden sollte. Entstanden ist ein Wohn- und Geschäftskomplex, der sich respektvoll in das Areal einfügt. Martin-Luther-Kirche, Stadtmuseum im Fachwerkbau, eine denkmalgeschützte ehemalige Gaststätte und das historische Wegesystem umrahmen die beiden viergeschossigen Neubauten. Es gibt 28 Wohnungen mit Grundrissen von 63 bis 115 m2. Sie entsprechen dem Nachhaltigkeitsstandards (KfW 55). Die Gewerbefläche hat KW40-Standard.
„Die Abrissarbeiten waren aufwändig. Die frühere Stahlbeton-Fassade wurde komplett zurückgebaut, wir haben quasi von Null angefangen“, blickt Lars Frenz vom Gütersloher Büro GJL+ Freie Architekten zurück. Bei der Tiefgarage verliefen die Erdarbeiten mithilfe von Schutzwänden, um Erschütterungen zu vermeiden. Das zweischalige Mauerwerk der Gebäude hat eine Kerndämmung aus Mineralwolle. Die Mansarddächer wurden mit Aluminium-Stehfalz verkleidet und sollen Analogien zu Großstädten wie Paris wecken. Auf den Dächern wurden Photovoltaik-Anlagen installiert und Grünflächen angelegt, die Regenwasser zurückhalten.
Charakterstarke Kohlebrand-Merkmale
Der Klinker aus rotbraun gebranntem Ton hat charakterstarke Kohlebrand-Merkmale. Rücksprünge in der Fassade wirken auflockernd
Foto: Michaela Podschun
Besonderes Augenmerk richteten die Verantwortlichen auf die Fassade. „Sie sollte einen rustikalen Look haben und Farben aus der Umgebung aufnehmen“, sagt Lars Frenz. Als ideal erwies sich der Hagemeister-Klinker „Lübeck“: Er ist aus rotbraun gebranntem Ton und hat charakterstarke Kohlebrand-Merkmale. Außerdem arbeiteten die Architekten mit verschiedenen Klinkertiefen, die Reliefs im Mauerwerk erzeugen.
Damit die beiden Neubauten nicht zu wuchtig erscheinen, wurde das vordere Haus mit Gewerbebereich durch einen Einschnitt gegliedert, so dass eine kleinteilige Wirkung entsteht: Die Sockelzone mit dem Gewerbebereich spannt den Baukörper zusammen, die oberen Stockwerke erscheinen eigenständig durch das helle Stahlbeton-Band, das rundum läuft. Dieses findet sich auch am Gesims wieder. Das Stahlbetonband wird auch horizontal eingesetzt, um helle Akzente zu setzen.
Rücksprünge in der Fassade und zurückgesetzte Balkone und Terrassen schaffen interessante Blickwinkel. Verschiedene Fenstergrößen wirken verspielt. Verglaste Balkone lassen die Fassade transparent und leicht erscheinen.
„Trommelpättken“ erhalten
Das „Trommelpättken“: Die Mauer links wurde komplett mit dem Fassadenklinker erneuert
Foto: Michaela Podschun
Der Backsteinklinker wurde auch für die Mauer verwendet, die im rückwärtigen Bereich einen Innenhof einfasst. Besondere Aufmerksamkeit erhielt das „Trommelpättken“. Der schmale Pfad (westfälisch: Pättken) führt an zwei Seiten um die Neubauten und gehört eigentlich nicht zum Grundstück. Zwar nicht denkmalgeschützt, ist der Fußweg jedoch historisch bedeutsam für die Geschichte der Stadt. Die Bezeichnung „Trommelpättken“ hat sich im Volksmund eingebürgert, weil der Gang durch die enge Gasse oft entsprechende Geräusche erzeugte. Die Mauer des Pättkens wurde komplett erneuert und sollte sich in seiner Gestaltung an die historisch erhaltene Substanz der Nachbarwände in moderner Optik anlehnen.
Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.