Transparenter Zeitsprung
Erweiterung eines denkmalgeschützten Einfamilienhauses in Wachwitz bei Dresden
Erstaunlich gut harmonieren die beiden krassen Gegensätze – ein puristischer, großflächig verglaster Neubau und ein saniertes, gut 130 Jahre älteres denkmalgeschütztes Hinterhaus. Weite Teile der Fassade werden durch groß dimensionierte Verglasungen sowie Hebe-Schiebeanlagen optisch und funktional durchlässig.
Das Grundstück befindet sich in Hanglage inmitten eines ehemaligen Weinanbaugebietes östlich des historischen Pfades „Ohlsche“. Das zu Dresden gehörende ehemalige Dorf Wachwitz, unmittelbar am rechten Elbeufer gelegen, nimmt mit seiner weitgehend homogen historischen Bebauung aus mehreren Jahrhunderten das Thema Denkmalschutz vorweg. Auch das von Natursteinmauern begrenzte Grundstück an der Ohlsche wies ursprünglich ein als schützenswert eingestuftes Gebäudeensemble auf: ein 1880 erbautes Haupthaus, das 1882 um ein separates Waschhaus ergänzt worden war und 1892 ein zusätzliches Gästehaus erhalten hatte.
Denkmalschutz berücksichtigt
Aufgrund des sehr schlechten Allgemeinzustandes des Vorderhauses sollte dieses abgerissen werden. Lediglich das Hinterhaus wollten die Bauherren erhalten und sanieren. Das Interesse am Kauf des 3200 m² großen Hanggrundstücks verdichtete sich mit der Kooperationsbereitschaft der zuständigen Denkmalschutzbehörden. Dort zeigte man Einsicht, dass die Sanierung des Haupthauses aufgrund des sehr schlechten Zustandes kaum möglich und sinnvoll sein würde. Nur das Hinterhaus und die Einfriedungen mussten erhalten bleiben, und als weitere wesentliche Auflage sollte sich der Neubau mit seinem Grundriss und in seiner Ausdehnung an dem ehemaligen Gebäude orientieren und generell optisch mit der Bestandsbebauung harmonieren.
Intelligente Verbindung durch Glasfuge
Das zuständige Stadtplanungsamt hatte während der Abstimmungen auch die Länge und die zweigeschossige Höhe des neu zu erstellenden Baukörpers bestimmt, und es genehmigte die Erweiterung um einen eingeschossigen Riegel nach Südosten heraus. Das große konzeptionelle Diskussionsthema indes sollte der Übergang zwischen Alt- und Neubau werden. Einerseits war klar, dass eine Zusammenführung der beiden Nutzungszonen erfolgen musste, andererseits würde dies ohne deutliche optische Abtrennung kaum genehmigungsfähig sein. Die Architektin Annien Röder löste diesen Widerspruch elegant auf, indem sie für die Verbindung eine gläserne Fuge entwarf, die aufgrund ihrer optischen Leichtigkeit und Neutralität die Autonomie der beiden angrenzenden Baukörper gewährleisten sollte. In diese Fuge hinein verlegte sie die Erschließungs- und Übergangszonen der beiden Häuser auf zwei Ebenen und den Eingangsbereich mit seinem großzügigen zweigeschossigen Luftraum. Um die filigran profilierte und mit großen, ungeteilten Glasflächen versehene Fassadenkonstruktion so schlank wie möglich zu halten wurde hier anstelle einer Außenbeschattung ein Sonnenschutzglas in den dreischaligen Glasaufbau integriert. Dessen deutlich reduzierter g-Wert beugt der sommerlichen Überhitzung vor, und durch die leicht getönte Farbabweichung zur Regelverglasung erhält die Glasfuge ihre eigenständige Optik.
Die Autonomie beider Gebäude bleibt auch über die separierten Nutzungen gewahrt. Das historische Hinterhaus verfügt über einen eigenen Zugang von außen, und bei Bedarf könnten auch die derzeit offenen Zugänge an der Erschließungszone verschlossen werden. Aktuell befindet sich ein Büroraum im OG und Wirtschaftsräume im EG – der Bereich wäre ebenso in eine separate Seniorenwohnung oder in zusätzlichen Wohn- und Arbeitsraum für Kinder umfunktionierbar.
Der Neubau: puristisch, licht und offen
Der Neubau entspricht mit seiner funktionalen Raumaufteilung und Materialität vollständig den Vorstellungen der Bauherren. Aufgrund der besonderen Lage des Grundstücks in den ehemaligen Weinbergen, die heute bewaldet sind, besteht die zentrale Entwurfs-
idee der Architektin darin, die Natur in das Haus zu holen und die Verbindung von Außenraum und Innenraum herzustellen. Diese wird auf unterschiedlichen Ebenen realisiert. Visuelle Durchgängigkeit wird durch transparente Systembauteile – Fenster, Türen, Verglasungen – erzielt, die an allen Fassadenflächen mit Ausnahme der zur Ohlsche gewandten Seite großflächig dimensioniert sind. Auf dieser Gebäudeseite werden im Obergeschoss Kinderzimmer und Bad durch ein horizontal durchgängiges Fensterband belichtet. Nach Südwesten öffnen sich die Schlafräume über die gesamte Raumbreite zur Elbe. Im Erdgeschoss wird die Idee der Durchgängigkeit sogar raumüberschreitend umgesetzt: Bei entsprechender Witterung kann der kombinierte Wohn-, Küchen- und Essbereich an der Hang- und Bergseite fast vollständig geöffnet werden. Zur Hauptterrasse nach Südwesten hin ist ein Dachüberstand so bemessen, dass im Sommer die bauliche Beschattung vor der großen Schiebetüranlage mögliche Hitzestaus im Innenraum vermeidet.
Schiebetüranlage über 15 Meter
Die im Wohnraum des Erdgeschosses einander gegenüberliegend positionierten Hebe-Schiebetüranlagen sind der wesentliche systemtechnische Beitrag zum Konzept der Durchgängigkeit. Mit einer Feldgröße von 2,18 m Breite und 2,75 m Höhe, einer Gesamtlänge von 15,30 m auf der Südwestseite und Scheibengewichten von rund 270 kg je Element schöpfen diese Anlagen das statische Potenzial des Systems Schüco ASS 70.HI in vollem Umfang aus. Kriterien für den Einsatz dieses Systems waren nach Aussage der Architektin die Qualität der Anlagen, die auch bei großen Feldern eine hoch wärmedämmende Ausführung mit Dreifach-Isolierglasaufbauten ermöglichen. Hinzu seien der Nachweis optimaler Winddichtigkeit und die guten statischen Eigenschaften gekommen.
Energieeffizient und nachhaltig
Trotz umfangreichen Glaseinsatzes sehr gute Energieverbrauchswerte zu erzielen gehörte für die Architektin zu den selbstverständlichen Anforderungen nachhaltiger Planung. Das Gebäude erfüllt die Anforderungen an ein KfW-60-Haus, das gemäß EnEV 2007 weniger als 60 kWh Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr verbrauchen darf. Die Unterschreitung der EnEV-Grenzwerte wird neben der gut gedämmten Gebäudehülle und der durchgängigen Dreifach-Verglasung in hoch isolierten Aluminiumprofilen durch eine effiziente Heizanlage erzielt.
Autorin
Ulrike Krüger ist Pressesprecherin der Schüco International KG in Bielefeld.
Eine gläserne Fuge verbindet Baudenkmal und Neubau