Verfugen mit Trockenspritzmörtel
Ein kontrovers diskutiertes Verfahren im Überblick

Mauerwerk mit Trockenspritzmörtel zu verfugen, ist ein sowohl in der Denkmalpflege als auch in der handwerklichen Praxis und wissenschaftlichen Fachwelt zum Teil recht kontrovers diskutiertes Verfahren. Was davon wirklich zu halten ist, stellt folgender Beitrag dar.

Für die Verfugung von Mauerwerk kann man in Abhängigkeit von der Mauerwerksart, den Wünschen des Bauherrn und der Denkmalpflege sowie den gestellten konstruktiven, physikalisch-mechanischen und chemisch-mineralogischen Anforderungen zwischen vielen verschiedenen Verfahren wählen – unter anderem zwischen Handverfugung, Fugenfüllverfahren und Trockenspritzmörtelverfahren.

Trockenspritzmörtelverfahren (TSV)

Die Trockenspritzmörtelverfugung wird seit vielen Jahrzehnten, insbesondere bei der Verfugung von zerklüftetem, hohlraumreichem und höher festem Natursteinmauerwerk ausgeführt. Dies gilt vor allem dann, wenn wieder ein kraftschlüssiges, tragfähiges Mauerwerk im Fugenbereich hergestellt werden soll. Grundsätzlich muss das Mauerwerk, das mit dem TSV verfugt wird, so beschaffen sein, dass es durch die Verfahrenstechnik, Mörtel mit hohem Druck in die Fugen und Klüfte zu spritzen, nicht geschädigt wird. Die Mörteleigenschaften können in bestimmten Grenzen auf die objektspezifischen Anforderungen angepasst werden.

Für die Verfugung mit TSV an historischen Bauwerken werden in der Regel mineralische Mörtelsysteme, auch unter Verwendung von Zusätzen benutzt. In Abhängigkeit von den Anforderungen, die an die für das TSV verwendeten Mörtelsysteme gestellt werden, kommen die unterschiedlichsten Rezepturen der verschiedenen Mörtelgruppen und -klassen zur Anwendung. Im Rheinland sind in den letzten 30 Jahren insbesondere trasshaltige Mörtel (trasskalk-trasszementhaltige Mörtel, TkTz-Mörtel) als Normalmörtel  an historischen Bauwerken eingesetzt worden, meist einer bestimmten Rezeptur in Anlehnung an die DIN 1053, Rezeptmörtel der Mörtelgruppe IIa (M5).

Heute lässt sich nach vielen Jahren, zum Teil Jahrzehnten Standzeit sagen, dass sich an vielen der von uns im Rheinland untersuchten Bauwerken sowohl die angewandte Verfahrenstechnik als auch die gewählten trasshaltigen Mörtelrezepturen bewährt haben. Inzwischen hat sich allerdings der Zeitgeist bezüglich der Verwendung von trasshaltigen Mörteln beziehungsweise bestimmter Bindemittel so geändert, dass zurzeit immer mehr Fachplaner von der Verfugung mit diesem Verfahren und diesen Mörtelrezepturen abraten.

Ausführung einer Trockenspritzmörtelverfugung

Bei der Trockenspritzmörtelverfugung (TSV) wird zum Beispiel ein an der Baustelle trocken gemischter oder von einem Werktrockenmörtelhersteller gelieferter Trockenmörtel mit einer speziellen Spritzmörtelmaschine im Dünnstromverfahren (pneumatische Förderung) bis zur Spritzdüse transportiert. An dieser wird dem Trockenmörtel dann Wasser und gegebenenfalls auch Zusatzmittel zugegeben. Die Düsenart und der Strahldruck richten sich nach der Fugen- und Mörtelart. Nur sehr erfahrene Düsenführer sind in der Lage den Abstand der Düse zur Fuge, die Steigerung der Wasserzugabemenge und die so genannte Mörtelapplikation über einen langen Zeitraum gleichmäßig und auf die Anforderungen und die Verfahrenstechnik abgestimmt auszuführen. In Abhängigkeit vom Druck, dem Düsenabstand und der Wasserzugabemenge verändern sich auch die Festmörteleigenschaften und der Verdichtungsgrad des Mörtels in den Fugen zum Teil erheblich.

Mit dem Verfahren verbunden ist in der Regel ein Mörtelauftrag nicht nur in die Fuge selbst sondern auch ungewollt auf den Fugenrändern der Steine, was beim Auftrag eines späteren Putzes beachtet werden muss. Bei einer Sichtfassade kann dies zu entsprechenden Nacharbeiten an der Verfugung und am Stein führen.

Wenn der Mörtel seine Festigkeit gerade soweit erreicht hat, dass er mit einem Strahlverfahren bearbeitet werden kann, erfolgt die endgültige Oberflächenbearbeitung. Hier ist wiederum die Erfahrung der Handwerker von sehr großer Bedeutung, da die Oberflächenbearbeitung (Art und Zeit) eine wesentliche Rolle für das gesamte optische Erscheinungsbild der Fuge spielt.

Während der Durchführung der gesamten Arbeiten muss der Handwerker auf eine ausreichende Feuchtenachbehandlung und auf angemessenen Schutz vor Wind und Sonneneinstrahlung achten, da diese Faktoren ebenfalls großen Einfluss auf die Mörteleigenschaften ausüben.

Das Problem: optisch aufgeweitete Haarrisse

Jeder Mörtel, auch der, der mit TSV verarbeitet wird, schwindet, was in der Regel zu haarfeinen Rissen führt, die im Allgemeinen keinen Mangel darstellen. Wird mit dem Abstrahlen der Mauerwerkoberfläche zu lange gewartet, ist der Mörtel so fest, dass der Handwerker mit einem höheren Druck, meistens in Verbindung mit einem festeren Strahlgut (größere Mohs-Härte), arbeiten werden muss. Diese Vorgehensweise führt zum Abtrag des Mörtels und des Steins (extreme Aufrauhung) sowie zu einer „scheinbar“ extremen optischen Aufweitung von Rissen. Eventuell vorhandene Rissflanken werden durch das Strahlverfahren gebrochen, so dass die Risse optisch breiter wirken, was auch aus der Betoninstandsetzung bekannt ist.

Solche optisch aufgeweiteten Risse stellen unter anderem bei einem nachträglichen Auftrag eines Oberflächenschutzsystems wie Schlämme oder Putz kein Problem dar, wenn der Fugenmörtel am Mörtelgrund (Mauerwerk) ausreichend haftet.

Einflüsse verschiedener Verarbeitungsformen

Entscheidend ist bei der Verarbeitung nach dem TSV die Auswahl der Wasserzugabemenge. Sie muss insbesondere auf das Umgebungsmaterial abgestimmt werden. Dies erfolgt am besten mit Eignungsversuchen.

Die Verarbeitungsart des Mörtels beeinflusst wiederum wesentlich die Mörteleigenschaften. Das traditionelle Verfugen von Hand mit einem Mörtel in erdfeuchter Konsistenz mit dem Fugeisen oder an historischen Gebäuden oft mit einem Fugenholz, führt sehr oft zu einem Festigkeits- und damit Verformungsgefälle von der Bauteiloberfläche zum Fugengrund. Die Haftung der Mörtel an den Fugenflanken ist dabei nur dann gegeben, wenn der Mörtel einen sehr hohen Bindemittelanteil (meist Zement) hat beziehungsweise wenn ihm haftverbessernde Zusatzmittel zugegeben werden. Aus diesem Grund wurden bereits vor 20 Jahren Untersuchungen durchgeführt, um Verfugmörtel zu entwickeln, die in plastischer, zahnpastaähnlicher Konsistenz im Fugenverfüllverfahren in die Fugen eingebracht und bearbeitet werden können. Dieses Verfahren wird heute bereits von vielen Firmen standardmäßig angewendet und hat den Vorteil, dass über die Fugentiefe gleichmäßige Mörteleigenschaften bei einer deutlich besseren Haftung an den Fugenflanken erreicht werden. Die Fugenoberfläche lässt sich nahezu beliebig gestalten und damit an historische Verfugmörteloberflächen anpassen. Mit dem Trockenmörtelspritzverfahren können zusätzlich tiefe Klüfte verfüllt werden und in einem bestimmten Umfang sind damit überdies auch konstruktive Sicherungsmaßnahmen möglich.

Einfluss des TSV auf die Mörteleigenschaften

An mehreren Bauwerken wurden von Fachfirmen Eignungsversuche zur Verfugung von Natursteinmauerwerk mit einer Mörtelrezeptur durchgeführt. Von diesen Eignungsversuchen sind Mörtelproben vor Ort entnommen und im Labor hinsichtlich verschiedener Eigenschaften untersucht worden. In Ergänzung dazu sind von der gleichen Mörtelmischung Prüfkörper im Labor hergestellt, unter Normbedingungen gelagert und ebenfalls untersucht worden.

Am Prüfkörper von ein und derselben Mörtelrezeptur wurden Druckfestigkeiten von minimal fc,N = 2,8 N/mm² (nach Norm hergestellt, plastische Konsistenz, Lagerung bei +5 °C) bis maximal fc,F = 29,3 N/mm² (als Zweistein-Verbundprüfkörper, erdfeuchte Konsistenz, Lagerung unter Laborbedingungen) ermittelt. Dabei zeigte sich, dass sich auch der E-Modul bei diesen Untersuchungen in Abhängigkeit von der Verarbeitung und Lagerungsart verändert hat (Faktor etwa 3,5), aber nicht in dem Maße, wie die Druckfestigkeit (Faktor etwa 10,5). Die ermittelten Untersuchungsergebnisse verdeutlichen die Empfindlichkeit von bestimmten Mörtelsystemen in Bezug auf unterschiedliche Lagerungstemperaturen und Verarbeitungsarten sowie die Wirkung der Verbundmaterialien auf den Mörtel.

Abschließend lässt sich also sagen, dass sich die Spritzmörtelverfugung mit dem TkTz-Mörtel, wie die Praxis zeigt, an vielen Bauwerken bewährt, bei denen keine chemisch-mineralogischen Unverträglichkeiten gegeben sind. Daher ist es sinnvoll, sich neben den theorietisch-wissenschaftlichen Überlegungen auch auf die handwerklichen Erfahrungen aus vergleichbaren Objekten zu stützen, wenn es um die Auswahl eines geeigneten Mörtels geht. Bezüglich der zu verwendenden Verfugmörtel allgemein muss man deutlich feststellen, dass es selbst einer Fachfirma nicht zugemutet werden kann, die unterschiedlichen Mörteleigenschaften in Abhängigkeit vom Klima und Verbundverhalten zu unterschiedlichen Steinen sowie den Applikationsverfahren exakt zu beurteilen, wenn auch Planer diese Eigenschaftsveränderungen nicht kennen. Die Fachfirma sollte aber Kenntnis davon haben, dass die Verarbeitungsart und die umgebungsklimatischen Bedingungen sowie die Nachbehandlung und der Schutz vor Wind und Sonne einen wesentlichen Einfluss auf die Mörteleigenschaften haben können.

Autoren

Dipl.-Ing. Axel Dominik ist Restaurator im Maurerhandwerk und beratender Ingenieur der IK NRW, Lehrbeauftragter für Baustofflehre und Instandsetzung an der FH Köln sowie Inhaber des Dominik Ingenieurbüros in Bornheim/Aachen. Dipl.-Ing. Sabine Koch ist Restauratorin im Steinmetz- und Bildhauerhandwerk, Lehrbeauftragte für Baustofflehre und Baustoffprüfung an der FH Köln und als beratende Ingenieurin beim Dominik Ingenieurbüro in Bornheim/Aachen tätig.

Schon vor 20 Jahren versuchte man Verfugmörtel zu entwickeln, die in zahnpastaähnlicher Konsistenz im Fugenverfüllverfahren eingebracht werden können

Fachliteratur

Hier finden Sie eine ausführliche Literaturliste als PDF zum Download.

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