Vom Altbau zum Plusenergiehaus
Umbau eines alten Gutswohnhauses in Zauchwitz zum Effizienzhaus Plus
Der Umbau eines alten Gutswohnhauses in Zauchwitz zum Effizienzhaus Plus zeigt, dass auch im Bestand ohne Verlust des speziellen Charmes und der Architektur der vorhandenen Bausubstanz ein energetisches Niveau erreicht werden kann, bei dem mehr Energie erzeugt als verbraucht wird.
Das Auffälligste am sanierten Gutshaus im brandenburgischen Zauchwitz ist vielleicht, dass, abgesehen von der neuen und frischen Fassade, rein äußerlich kaum etwas auffällt. Doch tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Fassade ein Projekt der besonderen Art: Das Wohnhaus von 1881 wurde auf ein energetisches Niveau gebracht, bei dem rechnerisch keine Endenergie mehr verbraucht, sondern sogar ein Überschuss produziert wird. Der Berliner Architekt Dipl.-Ing. Ulrich Zink wählte dazu einen sehr pragmatischen Ansatz, der auf der Straßenseite, wo das Gebäude Teil einer historischen Zeilenbebauung ist, die traditionellen Bauformen bewahrte, während auf der Hofseite Terrassen und großzügige Verglasungen eine
heutigen Lebensvorstellungen entsprechende Funktionalität und Wohnqualität ermöglichen. „Für jedes Bauteil haben wir uns neu die Frage gestellt, welche Baustoffe und Bauweisen dieser doppelten Anforderung des Erhaltens und des Modernisierens gerecht werden“, beschreibt der Experte für Energieeffizienz und Altbau seine Herangehensweise.
Mit Liebe zum Detail
Dreh- und Angelpunkt für ein Plusenergiehaus im Bestand ist die Wärmedämmung der Gebäudehülle, um den Heizenergiebedarf so zu senken, dass im Inneren moderne Niedertemperaturheizungen möglich werden. Auf den Außenwänden brachten die Handwerker das WDVS Knauf Warm-Wand Plus aufgebracht. Zweilagig verarbeitete, nicht brennbare Mineralwolledämmplatten der WLG 035 mit insgesamt 24 cm Dicke stellen dabei einen U-Wert der Außenwände von 0,13
W/m²K sicher – mehr als 40 Prozent unter den Anforderungen der EnEV 2014 für Bestandsgebäude.
Um trotz dieser Dämmstoffdicke keinen architektonischen „Schießscharteneffekt“ an den Fenstern zu bekommen, gab Ulrich Zink die alten Fensteranschläge auf und setzte die neuen Fenster weit nach außen an die Dämmstoffebene. Das WDVS inklusive des Putzes führte der Putz- und Fassadenbaubetrieb von Mike Ensminger aus dem brandenburgischen Nennhausen aus. Der durchgefärbte mineralische 3 mm dicke Scheibenputz SP260 mit Egalisationsanstrich, aber auch die sorgfältig ausgeführten weißen Fensterfaschen greifen ländliche Bautraditionen auf. Sie geben ebenso wie das als Fertigteil auf die Dämmung geklebte und gedübelte Gesims dem Gebäude Struktur und Rhythmus.
„Es sind diese scheinbaren Kleinigkeiten, die den Gesamteindruck der Fassade bestimmen“, resümiert der Architekt. Was auch für die funktionalen Details gilt, die frühzeitig in der Planung berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel die in die Wärmedämmung integrierten thermisch getrennten Befestigungspunkte, an denen der Schlosser später das Geländer wärmebrückenfrei montieren konnte.
Luftdicht und gedämmt im System
Die Dachmodernisierung begann mit einer ausführlichen Bestandsaufnahme des alten Dachstuhls, der sich in großen Teilen als zu stark geschädigt und zu schwach für den vorgesehenen Ausbau erwies. Trotzdem wurde im Sinne der größtmöglichen Bewahrung auf einen kompletten Dachneubau verzichtet. Stattdessen ist die Wohnatmosphäre im Dach heute vom sichtbaren Nebeneinander alter, ausgetauschter neuer und verstärkter Holzteile geprägt.
Dieses Vorgehen bot eine elegante Lösung für die Dachdämmung. Weil die ursprünglichen Sparren infolge der jahrzehntelangen Nutzung ohnehin durchhingen, verstärkten die Zimmerleute sie seitlich mit neuen, 240 mm hohen Sparren, so dass ausreichend Platz für eine Zwischensparrendämmung gewonnen wurde. Zusammen mit der ergänzenden Untersparrendämmung ergeben sich 29 cm Dämmstoffdicke mit Knauf Insulation Glaswolle-Dämmstoffen der WLG 035 und ein U-Wert des Daches von 0,14 W/m²K – ebenfalls mehr als 40 Prozent unter der EnEV-Anforderung. Zum Einsatz kamen emissionsarme Dämmstoffe mit Ecose Technology, einem formaldehydfreien Bindemittel auf Basis vorwiegend natürlich-organischer Grundstoffe, die die Innenraumluft nicht belasten.
Mindestens ebenso wichtig wie der Wärmedämmstoff ist am Dach mit seinen vielen Durchdringungen die luftdichte Ausführung der Gebäudehülle. In Zauchwitz wurde deshalb das Knauf Insulation Luftdicht-Dämmsystem LDS eingesetzt, das aus Dampfbremsen wie der eingesetzten feuchtevariablen Dampfbremsbahn EtaPlus sowie Klebebändern und Dichtklebern für alle Überlappungen und Anschlüsse an Wände und Holzbauteile besteht. Die Materialien und Materialverbindungen des Systems sind für 50 Jahre Alterungsbeständigkeit zertifiziert und sorgen für die dauerhafte Luftdichtheit, die Energieverluste und Bauschäden verhindert.
Der Bauherr und sein Architekt verwendeten viel Sorgfalt auf die wirklich vollständige Verklebung aller Stöße und Anschlüsse mit den jeweils darauf abgestimmten Klebematerialien. Ein erheblicher Zeitaufwand, der sich aber gelohnt hat: Die spätere Blower-Door-Messung ergab eine Leckrate von nur 0,42/h. Ein ausgezeichneter Wert für einen Altbau, der sehr anschaulich wird, wenn man ihn in Fläche umrechnet: Im ganzen Haus gibt es nur so wenige Leckstellen, dass sie alle zusammengenommen gerade einmal die Größe einer Handfläche erreichen. Die Energieeinsparverordnung hätte übrigens eine Leckrate von 1,5/h erlaubt und selbst die Passivhausvorgaben von 0,6/h konnten hier unterboten werden.
Erneuerbare Energien aus Erde und Sonne
„Eine weit über den EnEV-Anforderungen gedämmte und luftdichte Gebäudehülle ist die Voraussetzung, um intelligente Heizkonzepte unter Einbeziehung erneuerbarer Energien überhaupt umsetzen zu können“, so Ulrich Zink. Das Gebäude bezieht seine Energie aus drei jeweils 60 m tiefen Bohrungen, aus denen Sole hochgepumpt und in einer 8 kW-Wärmepumpe mit einer Leistungszahl von 4,7 in Heizwärme umgewandelt wird. Den Prozessstrom der Wärmepumpe gewinnen zum großen Teil PV-Module auf dem Dach, deren Abwärme zusätzlich über einen Wärmetauscher in den Heizspeicher im Keller eingespeist wird. Für die Erwärmung der einzelnen Räume dienen Fußbodenheizungen, für die angesichts der im Bestandsbau vorgegebenen Raumhöhen Systeme mit besonders niedriger Aufbauhöhe verwendet wurden. Komplettiert wird die intelligente Haustechnik durch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die einerseits deutlich die Lüftungswärmeverluste reduziert, andererseits aber auch in Abwesenheit der Bewohner für ein hygienisch einwandfreies Raumklima ohne zu große Feuchtebelastung sorgt.
Funktionaler Trockenbau, klimaregulierender Kalkputz
Gerade die Lüftungsanlage stellt bei der hochwertigen energetischen Modernisierung von Bestandsbauten oft ein unüberwindliches Hindernis dar, weil nur schwer Platz für die Lüftungsrohre und Luftauslässe zu finden ist. Auch hier gab es in Zauchwitz eine pragmatische Lösung: Alle neuen Innenwände führten die Handwerker mit Knauf Montagewänden aus. Wo es die Raumhöhe erlaubte, hängten sie auch die Decken ab. Die Trockenbausysteme reduzierten nicht nur die in den Altbau eingebrachte Baufeuchte, sie boten vor allem ausreichend Raum für die Installation der Lüftungsanlage. Ohne zusätzlichen Aufwand ließen sich dabei – wo erforderlich – mit Knauf GKF Feuerschutzplatten auch die Brandschutzanforderungen von F30 erfüllen.
Die tragenden Wände des Bestandsbaus blieben erhalten und leisten mit ihrem neuen Putzaufbau heute einen wichtigen Beitrag für ein feuchtigkeitsreguliertes Innenraumklima. Knauf Rotkalk wurde aus Respekt vor der ursprünglichen Bauweise gewählt, aber auch weil er speziell für hohe bauphysikalische Ansprüche an Raumhygiene, Raumluft und Wohnqualität geeignet ist. Gleichzeitig konnte der Putzbetrieb von Mike Ensminger, der nach der Fassade auch die Innenarbeiten ausführte, mit der Kombination aus Rotkalk Grund und Fein variable Putzdicken von bis zu mehreren Zentimetern ausführen und so die Un-
ebenheiten und Lotabweichungen der historischen Wände ausgleichen. Während im Erdgeschoss auf diese Weise ebene und glatte Raumoberflächen nach heutigen Vorstellungen entstanden, wurde der Putz im Dachgeschoss auf Wunsch der Bauherren in einer Pinseltechnik aufgetragen, die das Alter und die grobe Struktur des Mauerwerks deutlich zeigt.
Wie schon bei der Fassade und dem Dach ging es also auch bei den Innenwänden um pragmatische Lösungen, die Energieeffizienz und ein Raumklima zum Wohlfühlen mit gestalterischen und funktionalen Freiräumen verbinden. Das Ziel des Energie Plushauses im Bestand wurde mit einem Jahres-Primärenergiebedarf Qp von 47 kWh/m² erreicht, was eine Förderung des Umbaus nach den KfW-Programm Effizienzhaus 55 ermöglichte. Die benötigte Endenergie Qe von 18,1 kWh/m²a) kann rechnerisch komplett im Haus selbst produziert werden, womit neben der eigentlichen Heizenergie auch die gesamte Energie zum Betreiben der Anlagentechnik abgedeckt ist.
Autor
Andreas Gabriel ist Leiter des Bereichs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Knauf Gips KG in Iphofen.