Arbeitsstättenrichtlinie in der Schadstoffsanierung – praxisnahe Umsetzung

Die Arbeit in kontaminierten Bereichen, etwa bei der Schadstoffsanierung von Asbest, stellt eine erhebliche Herausforderung für den Arbeitsschutz dar. Wir bieten einen ersten Einblick in die Arbeitsstättenverordnung und zeigen auf, wie die Umsetzung durch den Einsatz von Schleusentechnik  realisiert wird.

Die Schadstoffsanierung umfasst eine Vielzahl an Arbeiten, die potenziell gesundheitsschädliche Stoffe freisetzen können
Fotos: deconta

Die Schadstoffsanierung umfasst eine Vielzahl an Arbeiten, die potenziell gesundheitsschädliche Stoffe freisetzen können
Fotos: deconta
Eine zentrale Grundlage für die Umsetzung von ­Sicherheitsvorkehrungen in kontaminierten Bereichen bildet die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) in Verbindung mit dem Stand der Technik, die mit den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) konkretisiert wird. Zudem sind Anforderungen nach ­Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) umzusetzen. Diese wiederum werden mit den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) konkretisiert. In diesem Artikel werden die relevanten Aspekte der ASR für die Schadstoffsanierung erläutert und aufgezeigt, wie die Einhaltung dieser Regeln durch gezielte technische Maßnahmen unter Berücksichtigung der TRGS – wie etwa der Personen-Schleuse – umgesetzt werden kann.

Die Arbeitsstättenverordnung und die ASR im Überblick

Die Arbeitsstättenverordnung und die ASR sind eine Sammlung von Vorgaben und Empfehlungen, die sicherstellen sollen, dass Arbeitsplätze den gesundheitlichen, ergonomischen und sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Schadstoffsanierung sind die ASR von Bedeutung, aber unbedingt mit den entsprechenden technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zu betrachten. Die TRGS enthalten spezielle Vorgaben für den sicheren Umgang mit gefährlichen Substanzen und die Gestaltung von Arbeitsbereichen in kontaminierten Zonen, getrennt nach bestimmten Schadstoffen.

Wichtige Regelungen der ASR, die für die Schadstoffsanierung relevant sind:

ASR A3.4: Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen: Hierzu gehören spezifische Vorgaben zu Schutzausrüstungen und Sicherheitsbarrieren, die in Bereichen mit Gesundheitsgefahren durch Schadstoffe eingesetzt werden müssen.

ASR A3.5: Beschreibt die Anforderungen an die Raumtemperatur

ASR A4.1: Zugangsregelungen: Für kontaminierte Bereiche müssen klare Vorgaben zur Zugangskontrolle und zur Trennung von „sauberen“ und „verschmutzten“ Bereichen gemacht werden, was in der Praxis durch Schleusentechnik realisiert wird.

ASR A4.2: Auf Baustellen ist ein Pausenraum oder Pausenbereich nicht erforderlich, wenn bis zu vier Beschäftigte eines Arbeitgebers gleichzeitig längstens eine Woche oder höchstens 20 Personentage tätig sind.

Besondere Anforderungen in der Schadstoffsanierung

Die Schadstoffsanierung umfasst eine Vielzahl an ­Arbeiten, die potenziell gesundheitsschädliche Stoffe freisetzen können, darunter mineralische oder quarzhaltige Stäube, Asbest, künstliche Mineralfasern (KMF), Blei, Chrom (VI), polychlorierte Biphenyle (PCB) oder polycyclisch aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), usw. Hierbei sind sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen erforderlich, um die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Umgebung zu gewährleisten.

Zu den besonderen Anforderungen zählen:

Luftqualität und Belüftung: Um die Konzentration von Schadstoffen in der Luft zu minimieren, müssen Arbeitsbereiche kontinuierlich belüftet und abgesaugt werden, wobei sichergestellt werden muss, dass keine kontaminierte Luft und Materialien in unkontaminierte Bereiche gelangen.

Schutzkleidung und persönliche Schutzausrüstung (PSA): Für Handwerker ist das Tragen von Schutzanzügen, Atemschutzmasken, Handschuhen und ggf. weitere Schutzkleidung unerlässlich.

Zugangskontrollen und Trennsysteme: Der ­Zugang zu kontaminierten Bereichen muss strikt geregelt werden, um die Ausbreitung von Schadstoffen zu verhindern. Hier kommt die Schleusentechnik zum Einsatz, um sowohl die Sicherheit der Arbeiterinnen und Arbeiter als auch die Reinigung von Equipment und Material zu gewährleisten.

Schleusentechnik bei Asbestsanierung nach TRGS 519

Ein zentrales Element der technischen Schutzmaßnahmen in der Schadstoffsanierung ist die strikte Trennung von kontaminierten und sauberen Bereichen. Dies wird in der Praxis häufig durch den Einsatz von modularer Schleusentechnik realisiert.

Schleusentechnik ­bezeichnet ein System von Türen, Kammern oder Übergangsbereichen, das dafür sorgt, dass Personen, Materialien oder Ausrüstungen sicher von einem kontaminierten Bereich in einen sauberen Bereich gelangen können, ohne dass Schadstoffe übertragen werden. Besonders in der Asbestsanierung nach TRGS 519 kommen modulare Personen- und Materialschleusen zum Einsatz, die es ermöglichen, das System flexibel an die Gegebenheiten der Baustelle anzupassen.

Wie erfüllt die Personenschleusentechnik die Anforderungen der ASR?

1. Sichere Trennung von kontaminierten und sauberen Bereichen: Die Schleuse fungiert als Übergangszone, in der die Straßenkleidung gegen ­Arbeitskleidung gewechselt und kontaminierte Schutzausrüstungen beim Verlassen des Arbeitsbereiches gereinigt werden können. Dies verhindert, dass Schadstoffe von einem Bereich in den anderen gelangen. Hierfür sind in der Umkleidekammer und in der Duschkammer Kleiderhaken und Spiegel zu berücksichtigen. Zum einen, um Straßenkleidung aufbewahren zu können und zum anderen Spiegel, um den Dichtsitz der Atemschutzmaske kontrollieren zu können.

Die 4-Kammer-Personenschleuse nach TRSG 519 inklusive Wassermanagement übernimmt die Trinkwasserzuleitung und Abwasserfiltrierung    
Foto: Kluge Sanierung GmbH

Die 4-Kammer-Personenschleuse nach TRSG 519 inklusive Wassermanagement übernimmt die Trinkwasserzuleitung und Abwasserfiltrierung    
Foto: Kluge Sanierung GmbH
Ab einer Mannschaftstärke von 3 bis 4 Personen müssen die Schleusenkammern vergrößert werden. Dies wird über ­Vergrößerungskammern bewerkstelligt, denn nach ASR ist je Einsatzkraft eine Grundfläche von mindestens 0,5 m² zu berücksichtigen. Bei 3 bis 4 Personen: mindestens 2 m² je Kammer, 4 bis 8 Personen: mindestens 4 m² je Kammer, 8 bis 12 Personen: mindestens 6 m² je Kammer. Ausgenommen ist die Wasch- beziehungsweise Duschkammer. Diese ist mit einer Mindestfläche von 0,8 x 0,8 m vorgeschrieben. Mann muss ­darauf achten, dass die Duschkammer, insbesondere was die Zuwasserleitungen angeht, in Trinkwasserqualität hergestellt wurde. Abfallbehälter beziehungsweise Rohrschleusen in Kammer 1 und Kammer 3 sorgen dafür, dass keine unnötigen Abfälle in der Kammer für Stolperfallen sorgen. Auf eine Männer-Frauen-Trennung auf der Baustelle kann verzichtet werden, wenn bei einer maximalen Mannschaftsstärke von 21 Personen eine zeitliche Trennung geregelt wird.

In der Luftdusche wird eine Person über einen großen Volumenstrom am ganzen Körper abgeblasen und so von Stäuben und Fasern befreit
Foto: deconta

In der Luftdusche wird eine Person über einen großen Volumenstrom am ganzen Körper abgeblasen und so von Stäuben und Fasern befreit
Foto: deconta
Eine Ausnahme zur Nassdusche stellt die Luftdusche dar. Diese darf nach TRGS 519 generell als Vorraum oder Kammer 4 zur Vorreinigung eingesetzt werden. Luftduschen dürfen an Stelle von Nassduschen nur eingesetzt werden, wenn sie behördlich oder berufsgenossenschaftlich zugelassen werden.

Verkehrswege müsse mit mindestens 20 Lux ­beleuchtet werden, Arbeitsplätze mit mindestens 200 Lux. Befinden sich mehrere Personen gleichzeitig in der Umkleidekammer, so ist je 4 Personen eine Sitzgelegenheit in der Kammer zu berücksichtigen.

2. Belüftung und Luftstrommanagement: Eine effiziente Schleusentechnik beinhaltet auch die Integration von Belüftungs- und Absaugsystemen, die sicherstellen, dass die Luft in kontaminierten Bereichen ständig abgesaugt wird und nicht in saubere Bereiche gelangt. Hier gelten jedoch die strengeren Vorgaben der TRGS 519, die einen gerichteten Luftstrom in Richtung des Schwarzbereichs vorschreibt und ­zusätzlich in Kammer 3 und Kammer 4 einen Unterdruck von 10 Pa vorsieht. Für Baustellen ist es zudem ausreichend, wenn die Lufttemperatur von +18 °C vorhanden ist und sichergestellt ist, dass eine Lufttemperatur von +21 °C während der Nutzungsdauer erreicht werden kann.

3. Einhaltung von Hygiene- und Reinigungsstandards: In vielen Modellen der Schleusentechnik ist die Möglichkeit eingebaut, dass Sanierungsarbeiter ihre PSA in einer speziell dafür vorgesehenen Kammer ablegen und dort kontaminierte Kleidung und Ausrüstung einer gründlichen Reinigung unterziehen können. Dies beschreibt ebenfalls die TRGS 519 konkreter. In Kammer 4 erfolgt nach dem Eintreten aus dem Schwarzbereich ein Absaugen mit einem geeigneten Industriesauger. Bei einer Kammergrundfläche von 1 bis 2 m² bietet sich hier ein Bedienelement an, bei dem der Sauger vom Weißbereich her angeschlossen wird und sich in der Kammer lediglich ein Bedienknopf für das Ein- und Ausschalten des Saugers mit Saugrüssel befindet, dies spart Platz. In Kammer 4 wird dann der Schutzanzug ausgezogen und im Optimalfall über eine Rohrschleuse direkt aus der Kammer ausgeschleust, damit ein ungehindertes Eintreten mit der Maske in die Duschkammer erfolgen kann.

Praxisbeispiel: Schleusentechnik in der Asbestsanierung

Die mobile Dekontaminationseinheit ermöglicht ein stufenweises Eintreten in den kontaminierten Bereich und ebenso das stufenweise Verlassen
Foto: deconta

Die mobile Dekontaminationseinheit ermöglicht ein stufenweises Eintreten in den kontaminierten Bereich und ebenso das stufenweise Verlassen
Foto: deconta
Ein häufiges Einsatzgebiet der Schleusentechnik ist die Asbestsanierung, da Asbestfasern gesundheitsschädlich sind und bei falscher Handhabung in die Umwelt gelangen können. Die Umsetzung der ASR in Verbindung mit der TRGS 519 bei einer Asbestsanierung könnte wie folgt aussehen:

Zugangskontrolle: Nur autorisierte Personen dürfen den kontaminierten Bereich betreten, wobei der Zugang ausschließlich über eine 3- oder 4-Kammer-Personenschleuse erfolgt. Die Schleuse stellt sicher, dass keine Schadstoffe nach außen gelangen.

Wechsel der PSA: Vor dem Betreten des kontaminierten Bereichs ziehen die Arbeiter spezielle Schutzanzüge in der Kammer 1 an, die nach der Arbeit in der Personenschleusenkammer 3 wieder abgelegt werden. Vorsicht: Die Atemschutzmaske wird erst nach dem Duschen in der Kammer 2 ­abgenommen und gründlich gereinigt. Dies verhindert eine Inhalation der restlichen anhaftenden Fasern sowie eine Übertragung von Asbestfasern auf saubere Bereiche.

Luftabsaugung: Während der Arbeiten wird kontinuierlich Luft im Arbeitsbereich abgesaugt und so ein Luftaustausch inklusive Unterdruck erzeugt, der mit speziellen Systemen gefiltert wird, ­bevor er nach draußen abgeführt wird. Mit einseitig öffnenden Zuluftklappen entsteht so eine in den Arbeitsbereich gerichtete Luftführung durch die Schleuse.

Fazit

Die Einhaltung der Arbeitsstättenrichtlinie (ASR) ist für die Sicherheit bei der Schadstoffsanierung nach diversen TRGS immer auch zu beachten. Modular aufgebaute Schleusen-Systeme stellen eine praxisgerechte und effiziente Lösung dar, wenn diese an die zum Einsatz kommende Mannschaftsstärke angepasst ist. Sie gewährleisten nicht nur die Einhaltung der ASR-Vorgaben, sondern schützen insbesondere die Gesundheit der Sanierungsfachkräfte und verhindern die Ausbreitung von Schadstoffen in unkontaminierte Bereiche.

Durch den flexiblen Einsatz von Schleusentechnik können Unternehmen in der Schadstoffsanierung sicherstellen, dass sie nicht nur gesetzliche Vorschriften einhalten, sondern auch den höchsten Standard an Arbeitsschutz und Effizienz bieten. Und ­sollte es sich bei dem Sanierungsbereich um beispielsweise eine Brandschadensanierung handeln, bei der ein ­modulares System aus Sicherheitsgründen nicht aufgebaut werden kann, so stehen für diese Fälle auch mobile Dekontaminations-Lösungen zur Verfügung.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Florian L. Tiemann ist Technischer Berater Gebäudeschadstoffe und Feinstäube bei der deconta GmbH in Isselburg.

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