19. tubag Sanierungsforum tagt in der Domstadt Speyer
16.11.2022Das tubag Sanierungsforum erfreut sich in Fachkreisen seit fast zwei Jahrzehnten großer Beliebtheit. Für das Jahr des 100-jährigen Jubiläums hat tubag die Domstadt Speyer als Veranstaltungsort ausgewählt. Mit 165 Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren die Räumlichkeiten im Priesterseminar St. German ausgebucht. Anfang November 2022 fand das Forum zum 19. Mal statt und zog wieder ein Publikum aus verschiedenen Disziplinen rund um den Erhalt der historischen Bausubstanz an. tubag ist Teil der Sievert SE und hier unter anderem für den Bereich Sanieren und Restaurieren zuständig.
Mit dem von Friedensreich Hundertwasser entliehenen Zitat: „Wer die Vergangenheit nicht ehrt, verliert die Zukunft. Wer seine Wurzeln vernichtet, kann nicht wachsen“ lenkte Dr. Petra Egloffstein, Bauberaterin Spezialanwendungen tubag, den Blick auf die diesjährige Ausrichtung der Veranstaltung. Wie schon in den vergangenen Jahren moderierte sie das Sanierungsforum gemeinsam mit Gerrit Sievert, Aufsichtsrat und Gesellschafter der Sievert SE. Elsken Herchenröder, Leiterin Marketing & Kommunikation bei Sievert, präsentierte dem Publikum einige Meilensteine aus der 100-jährigen tubag-Geschichte sowie einige neu gestaltete Medien, wie die Jubiläums-Webseite und einen neuen Image-Film.
Dom im Speyer im Mittelpunkt
Im Anschluss an die Vorträge bot sich den Teilnehmenden die Gelegenheit, sich vor Ort ein eigenes Bild vom Dom zu Speyer oder dem Judenhof zu machen.
Foto: Guido Wollenberg / tubag Sanieren/Restaurieren
Die Fachvorträge starteten dann mit einem Blick auf wichtige Baudenkmäler im Veranstaltungsort Speyer. Zu Beginn rückten Wolfgang Franz, seines Zeichens Dom- und Diözesankonservator sowie der Restaurator Roger Thamm den Dom ins Zentrum. Dessen Baugeschichte reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück und seither hat das Erscheinungsbild sowohl innen als auch außen viele Änderungen und Baumaßnahmen durchlaufen. Dr. Alexandra Fink stellte dann den Judenhof, das Judenviertel mit seinen Kellern und die Mikwe, ein rituelles Tauchbad, vor. Restaurierungsarbeiten und ein Forschungsprojekt haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, ein deutlich genaueres Bild des Speyerer Judenviertels und seiner Gebäude zu zeichnen.
Von Speyer ging es dann ins nahe gelegene Worms und zu dessen alter Stadtmauer. Dipl.-Ing. (FH) Hannah Lunemann erläuterte Aufgabenstellungen rund um eine fachgerechte Instandsetzung eines Mauerbereichs am Andreasstift. Eingeleitet und gleichzeitig erschwert wurden diese Arbeiten durch den städtischen Wunsch, im unmittelbaren Anschluss an die Mauer neue Grünanlagen und Wege mit Betonfundamenten zu schaffen. Achim Wendt rückte dann die Stadtbefestigung als größtes und ältestes strukturbildendes Baudenkmal der Stadt in den Mittelpunkt und ergänzte seine Ausführungen mit einem Ausblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse.
Reste alter Befestigungsanlagen in Worms gefunden
Tief im Boden von Worms wurden Mauerreste gefunden, die auf sehr alte Befestigungsanlagen hinweisen. Sie könnten ein Prototyp für solche Anlagen und hier deutschland- und europaweit erstmals in dieser Form genutzt worden sein. Dipl.-Rest. (FH) Kristina Brakebusch stellte weitere restauratorische Untersuchungen und Maßnahmen zu frühromanischen Putzfragmenten an der Wormser Stadtmauer vor. Eine historische Vorgehensweise, bei der hervortretende Reste des Fugenmörtels auf der Steinoberfläche verstrichen wurden, ist aus der gleichen Zeit auch am Dom zu Speyer und im Judenviertel zu finden. Die Gemeinsamkeiten in der Ausführung legen die Vermutung nahe, dass hier die gleichen Handwerker tätig waren.
Der fachgerechte Umgang mit historischem Mauerwerk stand auch in den nächsten Vorträgen von Architekt Dipl.-Ing. (FH) Marc Sattel und Dipl.-Ing. Christian Reetz im Zentrum. Gemeinsam stellten sie mehrere unterschiedliche Problemstellungen und Lösungen vor. Dazu gehörten die Sicherungsmaßnahmen mit speziell angepassten Stahlkonsolen an einer Wehrmauer von Schloss Hirschhorn sowie eine aus dem Lot geratene Schlossgartenmauer in Kirchheimbolanden, die mit Hilfe eines Holzkorsetts wieder in die Senkrechte gezogen werden konnte.
Alte Bautechniken erforschen
Danach führte Dipl.-Ing. Jörg Seitz das Publikum auf die Festung Landau, ebenfalls in der Pfalz gelegen. Nach einem Blick in die Geschichte und Stadtentwicklung von Landau und auf den pfälzischen Erbfolgekrieg, der katastrophale Auswirkungen auf wichtige Baudenkmäler in Speyer und Worms hatte, erläuterte er einige Maßnahmen, die zur Instandhaltung der Festung durchgeführt wurden. Unter fachkundiger Beratung hat hier ein Verein freiwilliger Helfer sogar eine Schaubaustelle eingerichtet, auf der alte Bautechniken erforscht und erprobt werden.
Der letzte Vortrag führte dann weg vom Mauerwerk hin zu einem Feldversuch im Kalkbrennen. Der Restaurator Matthias Wittner hat mit einem Team von Gleichgesinnten einen eigenen Kalkbrennofen gebaut und mit dessen Hilfe auf traditionelle Weise Kalk gebrannt. Dafür mussten die Kalksteine im Ofen vier Tage rund um die Uhr alle 15 Minuten befeuert werden. Als Ergebnis dieses Projekts konnten zwischen zwei und drei Tonnen Kalk gewonnen werden. Bei der Sanierung der Kirche St. Alban wurde dieser Kalk dann erstmals für die Herstellung eines passenden Mörtels eingesetzt. Der historische Bestandsmörtel ließ sich mit dem Kalk und den passenden Sanden nach Farbe, Sieblinie und Kornverteilung optisch perfekt nachbilden.
Im Anschluss an die Vorträge bot sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, die am Beginn des Tages vorgestellten Bauwerke live zu erleben. Mit Führungen in den Dom zu Speyer sowie den Judenhof und die Mikwe schloss sich der Kreis zu einer gelungenen Veranstaltung.
Autor
Guido Wollenberg ist Fachjournalist der Agentur Wollenberg-Frahm PR in Frechen. Er betreut unter anderem die Firma tubag bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und schreibt als Autor unter anderem für die Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.