Schwerpunktrenovierung des Kuppelsaals im Hannover Congress Centrum (HCC)

Nach über 100 Jahren hat der Kuppelsaal in Hannover eine bewegte Geschichte hinter sich. Mit der Schwerpunktrenovierung wurde nicht nur das Erscheinungsbild von 1914 und von 1962 wiederhergestellt, sondern der Raum auch in akustischer und technischer Hinsicht auf die Höhe der Zeit gebracht.

Der Kuppelsaal des Hannover Congress Centrum (HCC) zählt bis heute zu den größten Konzertsälen Deutschlands. Die von 1910 bis 1914 nach einem ­Entwurf von Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer erbaute Stadthalle mit dem Kuppelsaal wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Nach ersten notdürftigen Instandsetzungen erhielt der Kuppelsaal schließlich 1962 durch Ernst Zinsser ein neues architektonisches Gesicht, das abgesehen von kleineren Umbauten und Instandsetzungsarbeiten die nächsten 50 Jahre überdauern sollte.

Im Frühjahr 2014 schrieb das HCC dann ein VOF-Verhandlungsverfahren mit ausgewählten Bietern für die Schwerpunktrenovierung des Kuppelsaals aus. Gesucht wurde ein integrativer Lösungsansatz, der die technischen Belange eines modernen Veranstaltungssaals berücksichtigt und dabei die baugeschichtlichen Besonderheiten des historischen Gebäudes sensibel herausarbeitet. Im Verfahren überzeugte die Arge Symbiose HCC, aus den Hannoveraner Architekturbüros Ertelt Laes Architekten und Woelk Wilkens Architekten. Wie der Name der Arge nahe legt, ist das Konzept eine Symbiose: Der Entwurf greift die architektonischen Merkmale von 1914 und von 1962 auf – ohne zu historisieren. Dazu formulierten die Architekten eigene zeitgemäße Akzente. Die Schwerpunktrenovierung fand von Juli 2015 bis Januar 2016 statt. Da der Kuppelsaal als Veranstaltungsort des Hannover Congress Centrum (HCC) nicht lange ausfallen durfte, wurde für die Bauzeit ein engmaschiger Terminplan für die zahlreichen Gewerke, teilweise sogar in Tag- und Nachtschichten, erarbeitet. Mitunter waren bis zu 120 Handwerker auf der Baustelle vor Ort.

„Ein Schatz wird ausgepackt“

Charakteristisch für den Kuppelsaal von 1914 waren die vorwiegend weißen Elemente im zweiten Rang wie die zwanzig Säulen und die umlaufende Galerierückwand. Dazu kamen die vergoldeten Stuckaturen der Lichtgöttin und die Tierkreiszeichen. In der Sanierungs- und Umbauphase von 1962 unter dem Architekten Ernst Zinsser war für diesen Prunk kein Platz und die Stuckapplikationen verschwanden hinter einer Holzverschalung. Im Rahmen der Schwerpunktrenovierung bauten die Handwerker die Wandverkleidung im zweiten Rang zurück, um die ursprüngliche weiße Gestaltung mit den goldenen Stuckapplikationen behutsam wiederherzustellen. Zudem wurden auch die Säulen von einer 1962 angebrachten Rabitz-Verkleidung befreit, neu verputzt und weiß gestrichen. Nach Abnahme der Wandverkleidung zeigte sich, dass das fast 6 m hohe Flachrelief der Lichtgöttin die Jahrzehnte hinter Holz alles in allem recht gut überstanden hatte. Neben kleineren Löchern und Abplatzungen waren vor allem die Brüste und die Nase deutlich beschädigt. Der größte Schaden befand sich aber auf Kniehöhe, hier waren zugunsten einer horizontalen Wandöffnung Wand und Stuck entfernt worden. Im ersten Schritt entfernten die Handwerker zunächst die weiße Übermalung aus der Nachkriegszeit. Da es sich bei der Farbe um eine wasserlösliche Emulsionsfarbe handelte, konnten sie die Farbschicht vorsichtig abwaschen. Anhand von historischen Fotos wurden dann die Fehlstellen mit Stuck sorgfältig rekonstruiert und abschließend neu vergoldet. Die im Rund angeordneten zwölf Tierkreiszeichen sorgten während der Bauarbeiten für eine unvorhergesehene Überraschung. Hatten Fotos aus der Nachkriegszeit und bauhistorische Untersuchungen im Vorfeld nahegelegt, dass die Stuckaturen jedenfalls in Teilen noch vorhanden sein könnten, zeigte sich, dass dem leider nicht so war. Akkurat waren die Plastiken ausgeschnitten und entfernt worden, nur die Konturen der Symbole waren noch deutlich zu sehen. Einzig das Tierkreiszeichen Krebs war noch an seinem Platz und in gutem Zustand. Von den lateinischen Namen waren nur noch einige Buchstaben sowie teilweise Fragmente der Zierprofile mit den Voluten erhalten. Parallel zu den Bauarbeiten galt es nun für die Planer eine angemessene Lösung für diese Fehlstellen zu entwickeln. In enger Abstimmung mit der Denkmalpflege entschied man sich dazu, anstatt detailgetreuer Repliken die unterschiedlichen Epochen nachvollziehbar zu gestalten. Im Kontrast zu dem plastischen Flachrelief des noch erhaltenen Tierkreiszeichens Krebs nehmen zweidimensionale Scherenschnitte der Symbole jetzt die leeren Plätze über den Nischen ein. Die dekorativen Ornamente wie die dachgiebelartigen Stuckprofile und auch die Schrift restaurierten die Handwerker hingegen bewusst im Stil von 1914. Große Fehlstellen an vorhandenen Fragmenten bessert sie auf und vergoldeten diese neu. Gut erhaltene Ornamente wurden nur gereinigt und erscheinen etwas matter als die neu vergoldeten Stuckaturen.

Ambiente von 1962 wiederbeleben

Während die Handwerker im oberen Saalbereich die Elemente von 1914 freilegten, sah das Konzept der Symbiose vor, im unteren Saalbereich das einstmals elegante modern-funktionale Design von Ernst Zinsser wiederzubeleben. Da akustische Untersuchungen im Vorfeld ergeben hatten, dass die glatte Oberfläche des mit grauen Marmorplatten verkleideten Säulensockels zu ungünstigen Schallreflexionen führt, demontierten die Handwerker die Platten und ersetzten sie durch eine neue akustisch wirksame Holzverkleidung aus dunkel gebeiztem Nussbaumholz. Die vorhandene Mahagoni- Holzverkleidung wurde restauriert und ergänzt, wobei teilweise Elemente der behutsam im zweiten Rang demontierten Wandverkleidungen für die Balkonbrüstung wiederverwendet werden konnten. Die für die damalige luxu­riös anmutende Atmosphäre verantwortlichen Akzente wie die chromglänzenden Brüstungsgeländer und die in der Balkonbrüstung versenkbaren Kristallglasleuchten sowie die sieben Kristallglasleuchter arbeiteten die Handwerker auf. Die bis dato mit wartungsintensiven Glühbirnen bestückten 2,70 m hohen und 1,30 m breiten Kronleuchter erhielten eine energiesparende LED-Technologie mit entsprechenden Ansteuergeräten. Mit viel Aufwand und Sorgfalt sanierten die Handwerker die 11 000 Kristallglas-Elemente der Kronleuchter. Mit der Entscheidung alle 3573 Sitzplätze wieder in dem kräftigen Farbton Blaufalter-Blau von 1962 zu beziehen, gelingt es den Architekten, die weiße Bonatz-Epoche im oberen mit der Zinsser’schen Gestaltung im unteren Saal vertikal zu verzahnen.

Akustik – bitte mehr rechteckig als rund

Akustisch konnte der Kuppelsaal die Erwartungen von Beginn an nicht in jeder Hinsicht erfüllen. Bereits 1962 hatte man versucht, die akustischen Missstände zu beheben. Die damals eingezogene Zwischendecke, die den Kuppelsaal in einer Höhe von 20 m überspannt und die Kuppel abteilt, sowie der riesige Plafond über der Bühne und die Holzverkleidungen sollten für eine Verbesserung sorgen – was allerdings nur teilweise gelang. Gemeinsam mit dem Schalltechnischen Büro BeSB GmbH aus Berlin entwickelte die Arge Symbiose ein Konzept aus baulichen und elektroakustischen Maßnahmen zur Verbesserung der Raumakustik. Insgesamt sollte der Kuppelsaal bei Konzertveranstaltungen, zumindest wenn man ihn mit den Ohren wahrnimmt, etwas weniger rund und etwas mehr rechteckig klingen. Zu diesem Zweck bauten die Handwerker hinter dem Bühnenpodium und an der Rückwand des Hochparkett unter anderem strukturierte Wandverkleidungen als Diffusor ein, die eine größtmögliche schallstreuende Wirkung erzielen. Der unter Hannoveranern liebevoll-spöttisch als „Kartoffel“ betitelte riesige Plafond gewährleistete keine optimale Verständigung der Musiker untereinander auf dem Podium. Der Deckenreflektor wurde daher demontiert und stattdessen zehn einzelne Plafonds aus glasfaserverstärktem Kunststoff installiert, die in der Höhe verstellbar und hinsichtlich ihrer Größe, Form, Position und Ausrichtung akustisch optimiert sind. Für die Bühnenbeleuchtung montierten die Handwerker hochglanzverchromte Pendelleuchten, die zusammen mit den neuen Plafonds eine „Lichtwolke“ über der Bühne bilden.

Pünktlich konnten die Arbeiten am Kuppelsaal in Hannover nach 28 Wochen Bauzeit im Januar 2016 abgeschlossen werden. Obwohl beim Bauen im Bestand immer mit einem gewissen Maß an unvorhergesehenen Entwicklungen gerechnet werden muss und so einige Entscheidungen baubegleitend getroffen werden mussten, ging der Terminplan unter Einhalt des Budgets auf.

 

Autorin

Dipl.-Ing. Katharina Ricklefs wechselte nach dem Architekturstudium in Braunschweig zum Journalismus nach Hamburg. Als freie Autorin und Redakteurin schreibt sie regelmäßig für Magazine im Bereich Architektur, Design und Bauwesen. www.katharinaricklefs.de

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Architekten Arge Symbiose HCC – Ertelt Laes Architekten, Hannover, www.ertelt-laes-architekten.de

Woelk Wilkens ­Architekten, Hannover,

www.woelk-wilkens.de

Tragwerksplanung Dr.-Ing. Meihorst und Partner, Hannover, www.meihorst-gmbh.de

Akustikplanung BeSB, Berlin www.besb.de

Restauratorische Untersuchungen / Arbeiten

Butt Restaurierungen, Lübeck,

www.butt-restaurierungen.de

Abbrucharbeiten Massarski Abbruchunternehmen, Isernhagen, www.massarski.de

Rohbauarbeiten / Abbruch Naturstein

Heinrich Kütemeyer Baugeschäft, Hannover

Gerüstbau Bau- und Spezialgerüstbau Franke & Wagner, Schmölln, www.bsb-geruestbau.info

Tischlerarbeiten Schelm & Sohn, Langenhagen,

www.schelm-sohn.de

QRD-Wandverkleidungen Martin und Joachim

Salland, Nordstemmen, www.salland.de

Montage Absorber-Akustikelemente

Diaplan Innenausbau, Freilassing, www.diaplan.com

Plafondschalen GFK Hahlbrock, Wunstorf

www.hahlbrock.de

Akustikputzarbeiten Janz Akustikbau, Berlin,

www.janzberlin.de

Trockenbauarbeiten Innenausbau Udo Lichtenberg, Berlingerode

Putz- und Stuckarbeiten Restaurierung Sven

Bodewald, Mühlhausen, www.stuck-thueringen.de

Kramp & Kramp, Lemgo, www.kramp-lemgo.de

Walter Jödicke, Liebenburg

Maler- und Lackierarbeiten / Bodenbelagsarbeiten

Gustav Meyer, Liebenau,

www.gm-meyer.de

Parkettarbeiten

Bühnenbau Wertheim, Wertheim,

www.buehnenbauwertheim.de

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