386 XXL-Fenster für das Berliner Schloss
Deutschlands prominentestes Kulturbauvorhaben, der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, ist abgeschlossen. Auch die Rekonstruktion der historischen Fassaden ist damit beendet. Ein wichtigstes Bauelement waren dabei die neuen Kastenfenster, bearbeitet mit einem Remmers Beschichtungssystem.
500 Jahre lang war das Stadtschloss Berlin markantestes Bauwerk auf der Spreeinsel und Mittelpunkt auf der historischen Meile der Linden bis zum Brandenburger Tor. 1945, bei einem Tagesangriff von Bombern aus der Luft schwer getroffen, brannte es in drei Tagen vollständig aus. Die noch standfeste Ruine wurde 1950 auf Anordnung des SED-Generalsekretärs Walter Ulbricht für einen Aufmarschplatz abgerissen. Nach langen Debatten begann im Juni 2013 der Wiederaufbau des Stadtschlosses. Dafür wurde die historische Kuppel rekonstruiert und an drei Außenseiten die historische Fassade nachgebildet.
Die originalgetreue Rekonstruktion – inklusive ihrer 386 außergewöhnlich großen Kasten- und Verbundfenster – lag voll im Plan. Ihre Fertigung war ein spektakulärer Großauftrag für das Fensterbauunternehmen Wertbau und eine weitere Bestätigung für das Produkt-, Verfahrens- und Qualitätssicherungssystem der industriellen Remmers Beschichtungssysteme. So soll ein langlebiger Schutz bei den beschichteten Holzfenstern erreicht werden. Die aufwendige Montage der schweren, barocken Fassadenelemente übernahm dabei der Transport- und Hebespezialist Heavydrive GmbH. Generalunternehmer war Bilfinger Fassadentechnik GmbH.
Die großen Holz-Portalfenster wurden - wie bereits in bauhandwerk 1-2.2018 bereits ausführlich beschrieben - von der Berliner Firma Bildau & Bussmann gebaut und montiert.
Der Auftrag: 6 m hohe, 700 kg schwere Fenster
Rainer Taig, Firmengründer und Geschäftsführer der Wertbau GmbH & Co. KG, braucht nur eine Zahl zu nennen, um den größten Auftrag seiner Firmengeschichte zu verdeutlichen: 3,6 Millionen, ohne Glas, Montagen und Zargen. Aber für diesen Eurobetrag war eine enorme Leistung zu erbringen.
Zehn Monate dauerten die Auftragsverhandlungen und die Abstimmung der Werkplanung. Unzählige Muster wurden von diversen Gremien begutachtet und bewertet, bis die endgültigen Profil-Geometrien und Sonderlösungen definiert waren. Auch die Beschaffung von europäischer Eiche in bester Qualität und in ausreichender Menge für die Herstellung und Lieferung der fertig laminierten Kanteln erwies sich für den Holzsystemhändler Holz Schiller als Herausforderung.
Die Blendrahmen reichen bis 6607 mm in die Höhe, die raumseitigen Drehflügel haben Breiten von bis zu 1283 mm. Daraus resultierten Flügelgewichte von bis zu 160 kg. Um die sicher abzutragen, wurden spezielle Sonderbänder montiert. Auch die Zentralverschlüsse und die verschiedenen Schließbleche sind Sonderkonstruktionen von Siegenia.
Weitere Merkmale verdeutlichen die Einzigartigkeit dieser Fensterproduktion: Schlagregendichtigkeit der Kastenfenster nach Klasse 8A, erweitert auf E 900. Schallschutz 50 dB, Einbruchshemmung angelehnt an die Widerstandklasse RC 2 beziehungsweise RC 3, Ausstattung einiger Fensterflügel mit Motoren, um im Brandfall als Entrauchungsöffnung dienen zu können. Vier Elemente sind sogar durchschusshemmend nach FB3 ausgestattet.
Besondere Harze und ein zusätzlicher UV-Blocker
Die Außenansicht der weißen Fenster sollte originalgetreu der letzten bekannten Optik aus der Mitte des 19. Jahrhunderts entsprechen. Für die Beschichtung wurde ein industrielles Beschichtungssystem ausgewählt. Das Unternehmen hat bereits vor Jahren als einer der führenden Hersteller von industriellen Beschichtungssystemen ein Konzept für das langlebige Holzfenster entwickelt. Der eingesetzte Isolierfüller „Induline ZW-504i“ ist feuchtigkeitsregulierend und haftvermittelnd. Er zeigt einen optimalen Verlauf und gute Fülle auf der Fläche. Bei porigen Hölzern ergibt sich eine sehr gute Porenfülle. Besondere Harze vermindern wirkungsvoll das Durchschlagen farbiger, wässriger Holzinhaltsstoffe. Das Produkt kann je nach Holzart unterschiedlich stark anfeuern. Ein zusätzlicher UV-Blocker gibt mehr Sicherheit bei hellen Lasurfarbtönen.
Der Großauftrag wurde von einem eigens zusammengestellten Team aus 13 Mitarbeitern abgewickelt. Zum Auftrag gehörten auch verschiedene Verbundfenster und drei große Türanlagen aus Eiche mit Kassettenfüllung. Die Terminvorgaben von Bilfinger Fassadentechnik wurden exakt eingehalten. Firmengründer Rainer Taig: „Ohne ein gutes Teamworking, auch mit den Lieferanten, hätten wir einen solchen Auftrag nicht bewältigen können.“
Glasmontagegerät mit Saugrahmen
Auch für den Tapfheimer Hebe- und Transportspezialist Heavydrive waren die Herausforderungen für die Fassadenmontage groß: Da die Deckenlast begrenzt ist, muss das Hebegerät möglichst leicht sein. Gleichzeitig muss es so viel Traglast wie möglich stemmen, um die Elemente in extremen Größen und Formen sicher zu heben, zu transportieren und millimetergenau zu setzen. Die Heavydrive-Lösung dafür heißt: das Glasmontagegerät GMG 575 mit einem extra konzipierten Saugrahmen. Es hat eine Traglast von bis zu 575 kg und konnte damit etwa 80 Prozent des Fassadenvolumens abdecken. Der speziell entwickelte Saugrahmen saugte die Elemente zwischen den Sprossen und Stegen sogar mit Überstand problemlos an.
Ein weiterer Vorteil des GMG 575: Das vollautomatische Gerät ist äußerst einfach von nur einem einzigen Arbeiter zu bedienen. Dank des Gyro-Systems wird beim Auf- und Abschwenken des Hauptarmes das Element immer senkrecht geführt. Eine Nachkorrektur der Lage durch eine weitere Funktion ist nicht notwendig. Das spart Zeit und Geld. „Wir haben das GMG 575 vor etwa vier Jahren auf den Markt gebracht. Seither ist es ungeschlagen auf Platz 1. Die Flexibilität im Einsatz und die einfache und sichere Bedienung machen das GMG 575 so erfolgreich“, erklärt Geschäftsführer Günter Übelacker. Für die schwereren Elemente kam der Minikran MRK 86 zum Einsatz. In Verbindung mit einer kundenspezifischen Sauganlage wurden die Glasscheiben in einer Höhe von bis zu 7 m in Position gebracht.
AutorenJürgen Dirkes ist Leiter Produktmanagement Holzfarben & Lacke bei Remmers. Natalie Hermann ist freie Pressebeauftragte für Heavydrive.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherren Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum, Berlin, www.humboldtforum.de
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin, www.bbr.bund.de
Fensterbau Portalfenster Bildau & Bussmann GmbH | Fenster und Türen aus Holz, Berlin, www.bildau.de
Fensterhersteller Wertbau , Langenwetzendorf, www.wertbau.de
Zentralverschlüsse und Schließbleche Siegenia, Wilnsdorf, www.siegenia.com
Holzlieferant Holz Schiller, Regen, holz-schiller.de
Fenstermontage Heavydrive, Tapfheim, www.heavydrive.com
Montage der Portalfenster Bildau & Bussmann GmbH, Berlin, www.bildau.de
Generalunternehmer Bilfinger Fassadentechnik, Oststeinbek
Herstellerindex (Auswahl)
Fenster-Beschichtung Induline ZW-504i, Farbton NCS S 1002 y, weiß/grau lackiert Remmers, Löningen, www.remmers.com