Auf ganzer Linie „Schuppen“
Bei einem Anbau in Berlin spielte zwar der Holzbau eine große Rolle, der Arbeitstitel „Schuppen“, den die Architekten wählten, sollte aber vielmehr auf die kleinteilige, schuppenartige Fassade aus Biberschwanzziegeln anspielen. Die Bibliothek des Hauses im Obergeschoss erhält zusätzliches Licht durch elektrische Dachfenster.
Der Neubau auf dem Grundstück einer früheren Gärtnerei lehnt sich auf der Ostseite an die Brandwand einer typischen Zeile von Berliner Hinterhäusern an. Er nimmt deren vordere und hintere Fluchtlinie auf und spielt mit ähnlichen Dachformen der Nachbarn. Damit enden jedoch die Gemeinsamkeiten. Denn ausgerechnet im oft als „steinerne Stadt“ apostrophierten Berlin wurde das 11,5 Meter hohe dreigeschossige Einfamilienhaus komplett aus Holz gebaut. Die Bauweise ergab sich ganz pragmatisch aus den Wünschen des Bauherrn nach Energieeinsparung und dem Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen. Vor allem sollten nur ökologische und hinsichtlich der Wohngesundheit unbedenkliche Baustoffe zum Einsatz kommen. Unter diesen Bedingungen erwiesen sich voll gedämmte Holzkonstruktionen für die Wände und das Dach als die schlankere Lösung gegenüber den alternativ ebenfalls geprüften Massivbauweisen. Knapp 50 cm dicke Außenwände sorgen heute für einen zeitgemäß geringen Jahres-Heizwärmebedarf von nur 35 kWh/m². Zugleich erlaubten sie eine platzsparende Grundrissausnutzung mit 156 m² Wohnfläche im Haus und einem dreiseitig anschließenden Garten.
Der „Schuppen“ ist komplett aus Holz gebaut
Die Holzständerwände entstanden auf der Baustelle zunächst mit 18 cm dicken Ständern und OSB-Platten als Versteifung. Anschließend wurde die Konstruktion mit nochmals 18 cm dicken Ständern aufgedoppelt, sodass zwischen ihnen Platz für eine 36 cm dicke Einblasdämmung aus Zellulose war. Die innen liegende Ebene der OSB-Platten übernimmt die Funktionen der Dampfsperre sowie der Luftdichtheit und ist mit Gipsfaserplatten bekleidet. Den äußeren Abschluss bildet eine Holzfaserdämmplatte mit umlaufendem Nut- und Federprofil. Sie unterstützt die Zellulosedämmung sowohl beim winterlichen Wärmeschutz als auch beim sommerlichen Hitzeschutz, dient aber vor allem als Unterdeckplatte für die Fassade. Dieser einfache, aber wärmetechnisch hochwirksame Aufbau konnte weitgehend baugleich auch für den geneigten und den flachen Teil des Daches übernommen werden, sodass eine homogene, an jeder Stelle gleichwertige Gebäudehülle entstand.
Statt der OSB-Platten dient im Dach eine feuchteadaptive Bahn als Dampfbremse. Ihr Diffusionsverhalten variiert mit der Luftfeuchtigkeit und dadurch letztlich mit der Jahreszeit. In trockner Winterkälte ist der Diffusionswiderstand hoch und die Konstruktion deshalb gut gegen das Eindringen von Feuchte geschützt. In der hohen relativen Luftfeuchtigkeit des Sommers nimmt der Diffusionswiderstand feuchteadaptiver Bahnen hingegen ab, sodass ein Austrocknen zur Raumseite möglich ist. Der flach geneigte Dachteil ist mit wurzelfesten Bitumenbahnen abgedichtet, sodass perspektivisch eine Dachbegrünung ergänzt werden kann. Wie das Dach, sind auch alle Decken zwischen den Geschossen als Balkenkonstruktionen ausgeführt worden.
Bewegung in und auf der Fassade
Die Holzbauweise war auch Ausgangspunkt der Überlegungen zur Fassade. „Das normale Schwind- und Quellverhalten einer Holzkonstruktion im Jahreszeitenwechsel und die damit verbundenen Längenänderungen verlangen nach einer flexiblen Bekleidung für die Fassade“, beschreiben die Verantwortlichen von brandt+simon architekten ihr planerisches Vorgehen. Mit der Eindeckung aus Biberschwanzziegeln wurde eine massive und dauerhafte Lösung gefunden, die durch zahlreiche unverschlossene Fugen, Bewegungen in den Bauteilen schadensfrei kompensieren kann und gleichzeitig einen langfristig wartungsarmen Wetterschutz bietet. Umgesetzt hat die Planung der Generalunternehmer, Dipl.-Ing. für Hochbau, Frank Wildenhayn, der die Gewerke koordinierte und selbst die Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten ausführte. Bereits in der Planung wurde intensiv mit den Architekten zusammengearbeitet: „Nachdem wir wussten, dass eine Ziegelfassade mit Biberschwanzziegeln geplant ist, mussten wir zunächst die äußere Hülle auf die Ziegelformate einstellen“, sagt Frank Wildenhayn. Die Höhe der Stürze, die Hausöffnungen und die Fensterformate ergaben sich also aus der Möglichkeit, die Ziegelfassade sauber zu verlegen und zu gestalten und nicht durch ständige Flickarbeiten inhomogen erscheinen zu lassen. „Alles musste zusammenpassen, bevor wir überhaupt mit der Werkplanung beginnen konnten“, sagt Wildenhayn.
Aufwändige Verlegung der Fassadenziegel
Die glasierten Biberschwanzziegel, Modell „Noblesse April“, des Herstellers Creaton sind wie eine klassische Dachdeckung auf Lattung und Konterlattung verlegt, wegen der Verarbeitung in der Senkrechten jedoch zusätzlich verschraubt. Als kleinteilige, durchgehende Hülle umspielen sie die Ecken und verlaufen in fünf verschiedenen Grüntönen, von dunkel nach hell, bis in das geneigte Dach hinein. „Eine große Schwierigkeit war, die Biber waagerecht zu hängen“, berichtet Frank Wildenhayn. Ungleiche Nasen bei den Bibern seien dafür verantwortlich. Immer wieder mussten also mit der Wasserwaage die die Ziegel korrigiert werden, damit die Flucht stimmte. Bei genauem Hinsehen erkennt man die Fuge zwischen den einzelnen Bibern. „Die Breite der Ziegel beträgt 17,6 bis 17,8 cm. Wir haben mit 18 cm gerechnet, um erstens Ungleichheiten auszugleichen und zweitens bei Wind kein Klappern zu erzeugen, wenn die Ziegel aneinanderstoßen oder reiben“, erklärt Frank Wildenhayn diese feinen Details. Die Fassade an sich, aber auch die Vorarbeit, sei eine Herausforderung gewesen: „Ich saß einen ganzen Tag, um die farbliche Abstufung auszutüfteln und die Bestellung loszuschicken.“
Es hat sich aber gelohnt: Entfernt man sich von der Fassade, entsteht der Eindruck einer Bewegung von Bildpunkten. Wenn das Gebäude und die umliegenden Bäume und Sträucher ineinander fließen, scheint es, als wäre es ein Blattwerk.
Lichtspots für die Bibliothek
Innerhalb der Fassade fallen auf jeder Gebäudeseite große, teilweise die gesamte Raumbreite füllende Fenster auf. Von der Küche mit dem Essbereich geht der Blick auf die westlich anschließende Terrasse, vom Wohnbereich in den Garten und vom Arbeitszimmer schaut man über die Baumwipfel in den Himmel nach Norden.
Einen spürbaren Kontrast dazu bilden die viel geringer bemessenen Ost- und Südfenster des obersten Geschosses. Hier befindet sich die Bibliothek, in der die Wände als Stellfläche für Bücherregale gebraucht werden. Gleichzeitig erzeugen die tief in den Leibungen sitzenden kleinen Lichtflächen warmes Ambiente. Um trotzdem genügend Licht in den Raum zu leiten, wurden, zusätzlich zu den Fassadenfenstern, vier Dachfenster im geneigten Dachteil ergänzt, die fast in der Art von Lichtspots den Raum in ein überwiegend indirektes Licht tauchen. Durch diese Planung bietet die Bibliothek heute trotz ihrer gegenüber den Nachbarhäusern exponierten Lage viele sehr private und nicht einsehbare Flächen.
Elektrische Dachfenster mit Zusatznutzen
Wegen der Einbaulage hoch über dem Kopf kamen Fenster mit Elektroantrieb des Herstellers Velux zum Einsatz, bei denen Motor und Steuerung für den Automatikbetrieb bereits ab Werk optisch unauffällig integriert sind. Bauseits muss lediglich die 230-V-Stromversorgung verlegt werden. Das Öffnen und Schließen der Fenster wird in der Bibliothek mit einer Funkfernbedienung gesteuert. Alternativ sind fest installierte Wandtaster möglich. Die Elektrofenster erhöhen nicht nur den Bedienkomfort, sondern können auch die Wohnbedingungen verbessern. Denn über die Fernbedienung lassen sich bestimmte Zeiten für die Fensteröffnung voreinstellen, sodass eine planmäßige Lüftung auch bei Abwesenheit der Bewohner sichergestellt ist. Die zur Grundausstattung gehörenden Regensensoren schließen die Fenster selbsttätig bei aufkommendem Niederschlag. Zum unpassenden Zeitpunkt automatisch geöffnete, oder auch vom Menschen vergessene offene Fenster, sind damit ausgeschlossen.
Planung passt zum Gesamtkonzept
Die Montage der Dachfenster gestaltete sich als einfach und unproblematisch. „Velux liefert ja alles komplett einbaufertig“, kommentiert Frank Wildenhayn diese Phase der Montage.
Und auch hier passt die Planung in das Gesamtkonzept eines modernen, innovativen Hauskonzeptes: Die Dachfenster gruppieren sich auf dem nach Süden orientierten geneigten Dachteil um die solarthermischen Kollektoren, die den Warmwasserbedarf des Hauses decken und auch heizungsunterstützend eingebunden sind. Das Haus wird über eine Fußbodenheizung erwärmt. Neben der Solarthermie wird der Heizbedarf des Hauses mit einer Gasbrennwerttherme gedeckt. Durch die großen Heizflächen ist eine sehr geringe Vorlauftemperatur und damit sparsames Heizen möglich. Das Gesamtkonzept geht auf!
Autorin
Astrid Unger ist Pressesprecherin der Velux Deutschland GmbH.
Der Bauherr wollte sein Haus zum größten Teil aus nachwachsenden Rohstoffen fertigen
Wenn das Gebäude und die umliegenden Bäume und Sträucher ineinander fließen, scheint es, als wäre es ein Blattwerk