Betriebsgründung im Handwerk: Der Sprung in die Selbstständigkeit

Wer in Corona-Zeiten den Sprung in die Selbstständigkeit wagt, braucht Mut. Die beiden Tischler Deniz Yilmaz und Hartmut Harbich aus Freiberg haben sich erfolgreich auf eigene Füße gestellt und arbeiten volle Auftragsbücher ab. Eine gute Vorbereitung ist das A & 0.

Fast hätte eine gebrochene Hand den Sprung in die Selbstständigkeit verzögert. Doch Tischler Deniz Yilmaz reagierte blitzschnell und brachte aus dem Krankenhaus sogar noch den ersten Auftrag mit in die frisch gegründete Schreinerei. „Ich habe die Ärztin gefragt, wie lange ich ausfalle. Denn lange krank zu sein kann ich mir nicht leisten“, erinnert sich der 35-Jährige. Als die Medizinerin erfuhr, dass Deniz Yilmaz gerade mit seinem Freund Hartmut Harbich (32) einen Schreinerbetrieb eröffnet hatte, kamen die beiden weiter ins Gespräch. „Zwei neue Schiebetüren bestellte sie bei uns“, erzählt er und blickt bereits auf volle Auftragsbücher.

Die Zeit mit der gebrochenen Hand konnte überbrückt werden, am 1. Januar 2021 gingen Harbich und Yilmaz als Gbr in Freiberg am Neckar an den Start.  „Die Holzwerkerei“ heißt ihr Unternehmen, das Schreinerarbeiten für den gesamten Innenausbau anbietet (www.dieholzwerkerei.de). Mit ihrem überzeugenden Konzept gehören die Beiden für die Handwerkskammer Stuttgart zu den erfolgreichen Existenzgründern.

Handwerkskammern unterstützen

„Mit einer guten Geschäftsidee, solide vorbereitet und unterstützt und natürlich professionell beraten sollten sich auch in Corona-Zeiten Gründerinnen und Gründer nicht davon abhalten lassen und den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit wagen“, macht Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, engagierten Handwerkern Mut, ihre langfristigen Vorhaben und guten Pläne umzusetzen.

Deniz Yilmaz und Hartmut Harbich haben sich gut vorbereitet und kennen sich bereits seit mehr als zehn Jahren. „Wir haben gemeinsam in einer Schreinerei gearbeitet, dann trennten sich unsere Wege. Ich bin in eine kleinere Firma gewechselt und habe zusätzliche Lehrgänge, wie zum Beispiel ,Geprüfte Montage-Fachkraft‘ absolviert“, sagt Yilmaz. Schwerpunkte waren dort kundenfreundlicher Auftritt, Organisation auf der Baustelle, Nachrüstung, Einbruchsschutz, Monteur als technischer Problemlöser vor Ort, Montage von Fenster und Türen nach Stand der Technik in der Praxis, Rauch- und Brandschutztüren. Der zusätzliche Lehrgang hieß ,,Grundkenntnisse Installations-, Armaturen- und Sanitärtechnik“.

Zuerst dient Garage als Firmensitz

Für Hartmut Harbich, der den staatlich geprüften Holztechniker und den Meister absolvierte sowie die REFA- und QM- Zertifizierung, reifte der Wunsch, der eigene Chef zu sein. Und zufällig trafen sich die beiden Freunde wieder und beschlossen, gemeinsame Sache zu machen. Zunächst agierten sie aus einer Garage heraus, auch ein eigenes Auto fehlte. Seit dem Sommer haben sie eine 250 Quadratmeter große Halle samt Firmenlogo.

Die Kundenaquise läuft fast ausschließlich über Empfehlungen. Eine intensive Werbestrategie haben die beiden Gründer gar nicht gebraucht. „Die Aufträge kamen rein. Das ist wirklich prima. Wir sind sehr zufrieden“, meint Hartmut Harbich.  Zu ihren Dienstleistungen gehören Planung/Beratung, 3D-CAD Zeichnung, digitales Aufmaß und Montage. Von der Komplettsanierung bis Einzel-Arbeiten reicht ihr Repertoire.  Das Duo ist sehr kreativ: Türen, Fenster, Wanderverkleidungen, Systemwände und Gartenhäuser gehören zu ihren Aufträgen. „Auch ein Schminktisch wurde bei uns bestellt. Und das ist das Schöne. Wir wollen uns so aufstellen, dass wir solche Anfragen auch immer annehmen können“, betont Harbich.

Der Weg zum eigenen Betrieb ebnete den beiden Partnern die Handwerkskammer Stuttgart, indem sie beratend tätig war. Es dürfe nichts dem Prinzip Zufall überlassen werden. Nicht umsonst würde beispielsweise die Qualifikation zum Handwerksmeister das Thema Unternehmensführung in den Meisterschulen mit in den Mittelpunkt stellen, sagt Handwerkskammer-Präsident Reichhold.

Motivation und Disziplin

„Bei einer Existenzgründung gibt es viele Aspekte, die über das Gelingen oder Scheitern des Vorhabens entscheiden“, weiß auch Johannes Klemann. Er ist betriebswirtschaftlicher Berater bei der Stuttgarter Kammer. Eine seiner Hauptaufgaben ist, die meist jüngeren Handwerker bei diesem bedeutenden Prozess zu begleiten. Auch wenn ausgeprägte handwerkliche und betriebswirtschaftliche Fähigkeiten sowie das finanzielle Grundgerüst vorhanden sind, sei nicht jeder dafür geeignet ein Unternehmen zu leiten. „Gründer müssen motiviert und diszipliniert sein und dürfen auch nicht vor Büro- und Planungsarbeit zurückschrecken, die definitiv anfallen werden.“

Hartmut Harbich und Deniz Yilmaz arbeiteten sich in diverse Themen wie Buchführung, Umsatzsteuer, Gebühren und Betriebsstättenordnung ein. „Im Moment unterstützt uns eine Buchhalterin. Sie schaut auf die Bilanzen und checkt, ob alles in Ordnung ist“, berichtet Harbich. Er selbst macht derzeit eine Ausbildung zum Betriebswirt bei der Handwerkskammer Stuttgart. „Einmal in der Woche und samstags ist Unterricht. Stressig, aber machbar“, betont der 32-Jährige. Er nimmt gerne die weitere Herausforderung an. Ihn spornt an, dass sie es bislang so weit geschafft haben. Die Erstellung des Business-Planes war der erste Schritt in Richtung Firmengründung. „Gar nicht so einfach. Denn um einen Existenzgründungskredit bei der Bank zu bekommen, mussten wir Planzahlen und Liquidität drei Jahre im Voraus berechnen.“

Businessplan ist besonders wichtig

Auch Johannes Klemann betont: „Das Erstellen eines Businessplans ist jedem Gründer zu empfehlen, damit frühzeitig Fallstricke und Hürden entdeckt werden.“ Dieser beinhalte die wichtigsten Eckpunkte des Gründungsvorhabens wie den Marketingplan, die Zukunftsaussichten oder die Situation der Mitbewerber. Wichtigstes Ziel des Businessplans ist es, die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens herauszuarbeiten. Dazu sind Berechnungen und Planungen notwendig, wie beispielsweise der Kapitalbedarfsplan, der Finanzierungsplan und die Rentabilitätsvorschau. Dies sind zentrale Bestandteile des Businessplans. Klemann empfiehlt, die Ausführungen im Businessplan kurz zu halten: „Beschreiben Sie, was Sie können, was Sie vorhaben und wie die Zahlenlage aussieht.“ Die Bank gab den beiden Tischlern schließlich grünes Licht.

Sie profitierten zudem von der neuen Meistergründungsprämie, die allerdings in jedem Bundesland an andere Voraussetzungen geknüpft ist. In Baden-Württemberg kann der Antrag in den ersten 24 Monaten nach der erfolgreich absolvierten Meisterprüfung im Zusammenhang mit einem L-Bank-Darlehen gestellt werden. Die L-Bank ist die Staatsbank in Baden-Württemberg. Einen Tipp haben die beiden Jung-Unternehmer: Genau hinschauen bei der Wahl des Steuerberaters. Wichtig sei da die Digitalisierung. Ein zu hoher Kostenaufwand sollte vermieden werden.

Was die Jungunternehmer jetzt noch anvisieren ist eine gute Social-Media-Päsenz. Die Website ist online, wird aber noch seo-optimiert. Ob sie in Zukunft expandieren und weiteres Personal einstellen, wissen sie noch nicht. Sie freuen sich erst einmal, zu zweit richtig durchzustarten. Deniz Yilmaz geht zudem zum „Business Network International“ (BNI).  Beim Unternehmerfrühstück  lassen sich sehr gute Kontakte finden, was auch zu Aufträgen führt.

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Meistergründungsprämie

Die Meistergründungsprämie kann derzeit nur in rund der Hälfte aller Bundesländer beantragt werden. Zumindest zahlen aber fast alle Länder einen Bonus auf erfolgreich absolvierte Meisterprüfungen aus. Die Auszahlung dieser Prämien ist in jedem Bundesland anders geregelt.  Grundsätzlich gilt: Die Meistergründungsprämie ist steuerpflichtig. Sie muss in der Steuererklärung bei den Einkünften hinzugerechnet werden. Die Gründerplattform (gruenderplattform.de) gibt einen Überblick über die Meistergründungsprämie in jedem einzelnen Bundesland.

Web-Seminare für Gründer

Die Handwerkskammer Region Stuttgart bietet Web-Seminare zur Selbstständigkeit im Handwerk an. Bei den kostenfreien Online-Kompaktseminaren erhalten Gründer wichtige Informationen zu Themen wie rechtlichen Voraussetzungen, Förderplänen oder Formalitäten.

Die nächsten Termine:

12. Oktober
9. November
7. Dezember

Infos und Anmeldung: www.hwk-stuttgart.de/starthilfe2021

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 12/2009

Weiterbildung für Gesellen und Meister

In den Lehrgängen zum Gesellen für Restaurierungsarbeiten der Propstei Johannesberg in Fulda können Handwerker ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in 8 bis 10 Wochen Vollzeitunterricht erweitern und...

mehr
Ausgabe 09/2012

Fortbildung „Restaurator im Handwerk“

Im Winterhalbjahr 2012/2013 bietet die Propstei Johannesberg gGmbH Meistern und Meisterinnen des Maler-, Maurer-, Tischler- und Zimmerhandwerks die Möglichkeit, sich zum Restaurator/zur Restauratorin...

mehr
Ausgabe 12/2011

Stipendium für Restauratoren im Handwerk

Baudenkmäler und deren Ausstattungen sowie wertvolle Möbel bedürfen besonderer Pflege durch fachkundige Handwerker. Der Umgang mit den handwerklichen Schöpfungen der beruflichen Vorfahren ist eine...

mehr

Meister & Master: Noch ein weiter Weg zur Gleichwertigkeit

Der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) fordert in einem Positionspapier mehr Anstrengungen für die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Insbesondere die verstetigte...

mehr

Corona-Pandemie: Wirtschaftsminister Altmaier hält Öffnungen nach den Sommerferien für möglich

Handwerks-Betriebe stellen Fragen im Live-Stream der Handwerkskammer Düsseldorf

Von Michaela Podschun Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versucht Mut zu machen. „Wann können Geschäfte und Handwerksbetriebe wieder öffnen? Ich kann es für die Monate Mai bis Juli...

mehr