Durchgepaust
WDVS mit Aerogel: Extrem dünne Dämmung für die Stadtkanzlei in Wangen

Bei der Sanierung der Stadtkanzlei in Wangen kam ein mit 4 cm extrem dünnes WDVS zum Einsatz. Es darf so dünn sein, da es Dank Aerogel eine WLG von 018 erreicht. Nebeneffekt: Unregelmäßigkeiten des Mauerwerks teilen sich durch die dünne flexible Dämmung bis an die Putzoberfläche mit.

Ebenso kurz wie überzeugt klingt die Antwort des Architekten und Eigentümers Eckhard Mackh, wenn es um die Sanierung seines denkmalgeschützten Wohn- und Geschäftshauses, der ehemaligen Stadtkanzlei, in der Spitalstraße 15 in Wangen im Allgäu, geht. Gemeint ist insbesondere der Einsatz eines neuen WDV-Systems, das auf Basis extrem dünner und flexibler Hightech-Dämmplatten erreicht, dass die unverwechselbare Optik historischer Fassaden in ihrer individuellen, charakteristischen Oberflächenstruktur erhalten und deutlich sichtbar bleibt. Heute blickt Eckhard Mackh geleitet von sehr hohen Ansprüchen an Authentizität und Werterhalt äußerst zufrieden auf die fast 400 m2 Fassadenfläche seiner Alten Kanzlei, die er ohne MultiTherm Aero ungedämmt gelassen hätte.

Der Sitz des Stadtschreibers

Als öffentliche Gebäude entstanden bereits in den Jahren 1415/16 in Wangen im Allgäu die Häuser in der Spitalstraße 15 und 17. Immer wieder kam es in den darauffolgenden Jahrzehnten, insbesondere in den Jahren 1540/41 sowie 1590, zu Veränderungen und Erweiterungen des Gebäudes Nummer 15. Durch seine Größe und Architektur stach das Haus schon damals aus dem Stadtbild Wangens hervor und diente als städtischer Verwaltungsbau. Die Alte Kanzlei war Sitz des Stadtschreibers, der im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als höchster Angestellter einer Stadt meist auf Lebenszeit die Stadtverwaltung leitete und als rechte Hand des Bürgermeisters fungierte. Die Stadtkanzlei war seinerzeit auch Notariat und Warenprüfstelle. Ebenso konnten des Lesens und Schreibens unkundige Bürger hier ihre Korrespondenz erledigen lassen. Von 1673 bis 1786 beherbergte das Haus unter anderem die Mädchenschule der Stadt Wangen. Die öffentliche Nutzung des bedeutenden Stadthauses riss gegen Ende des 18. Jahrhunderts ab. Die Privatisierung und teilweise Aufteilung des Hauses im Jahre 1793 führte letztlich zu unkonventionellen Umbauarbeiten. Bis zur Unkenntlichkeit verbaut und ohne Rücksicht auf Baukunst und Statik, blieb vom herausragenden Erscheinungsbild der einstigen Stadtkanzlei nicht viel übrig.

Würdevoll sanieren

Als Kind der Stadt Wangen fühlte sich der Architekt Eckhard Mackh seit jeher dem historischen Gebäudebestand seiner Heimatstadt verpflichtet und gerade das einst imposante Haus des Stadtschreibers erregte in besonderem Maße seine Aufmerksamkeit. Regelrecht zu einer Ruine verkommen, begann im Jahr 2010 eine umfangreiche Totalsanierung des sechsgeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit den Zielen, das Raumgefüge des Gebäudes aus der Zeit vor 1793 wieder herzustellen und dem Haus auch äußerlich die Würde eines für die alten Reichsstädte typischen öffentlichen Gebäudes wiederzugeben und seine Geschichte für alle erlebbar zu machen. Das zukünftig als Wohn- und Geschäftshaus vorgesehene Gebäude sollte darüber hinaus allen Anforderungen an moderne Bewohnbarkeit genügen, was natürlich mit einer Minimierung des Energiebedarfs einhergehen musste.

Lebenserhaltende Eingriffe

Insgesamt umfasst das Gebäude drei normale Stockwerke und drei Dachgeschosse. Davon hatte man ursprünglich das Hauptgeschoss (die Belle Etage) und die Dachgeschosse in Fachwerkbauweise errichtet. Im 18. Jahrhundert wurde, abgesehen von der Nordwestwand des in den Hof vorspringenden Bauteils und des ganzen Südwestgiebels, das Fachwerk im Hauptgeschoss durch Mauerwerk ersetzt.  Die Tragstruktur des Hauses war schwer beschädigt, Planungsfehler noch aus der Erbauungszeit hinterließen erhebliche Spuren und die Hölzer des Fachwerks waren durch Schädlingsbefall zerstört. Aufsteigende Feuchtigkeit zeichnete sich außerdem an den Fassaden ab.

Zu allererst ging es darum, das Gebäude durch „lebenserhaltende“ Eingriffe vor dem Einsturz zu bewahren. Die tragenden Mauern mussten mit Spritzbeton unterfangen werden, um zunächst die Stabilität des Hauses wieder herzustellen. An der Giebelwand und am Kreuzgratgewölbe war es unerlässlich, Risse zu verpressen, Sturzbögen teilweise zu erneuern, Maueranker und Zugstangen zu setzen. Die maroden Holzbalkendecken wurden wieder angestückt und ein Stahlrost eingezogen. Die Sanierung des Dachstuhls ging mit einer Rückformung und mit einer neuen Dacheindeckung einher. Um eine weitere Feuchtebelastung an der Fassade zu vermeiden, war es zudem unumgänglich, den Sockel abzudichten. Diese Bauwerksabdichtung erfolgte nach Reparaturarbeiten mit Rajasil Sperrputz beziehungsweise Behandlung mit Bitumen-Voranstrich und Aufbringen einer Dickbeschichtung (Rajasil 2K).

Ein WDVS für eine lebendige Oberflächenstruktur

Nun konnten auch die umfangreichen Fassadenarbeiten beginnen. Entscheidend war hier die Maßgabe, die historisch wertvolle Oberflächenstruktur zu erhalten und trotzdem ein WDV-System nach neuestem Stand einzusetzen. „Die Entscheidung für eine Fassadendämmung mit dem neuen Dämmsystem MultiTherm Aero ist mir sehr leicht gefallen“, erinnert sich Eckhard Mackh, „denn ich wollte auf jeden Fall die besondere lebhafte Oberflächenstruktur an den Fassadenflächen erhalten. Für mich gab es keine wirkliche Alternative, insbesondere auch für feuchtebelastetes Mauerwerk, wie bei diesem Objekt. Dann hätte ich ganz auf eine Dämmung verzichtet“. Vorausgegangene Überlegungen: Beim Einsatz eines mineralischen Dämmputzes wäre die bewegte Putzoberfläche zwar erhalten geblieben, doch den hohen Ansprüchen an die Dämmeigenschaften hätte ein solches Putzsystem vergleichsweise nicht standgehalten. Außer Frage standen bei diesem Gebäude die „starren“ Dämmplatten der Dämmsysteme auf Polystyrol- oder Mineralwollebasis.

Hightech trifft auf Vergangenheit

Das neue Dämmsystem vereint alle gewünschten Eigenschaften auf sich. Reduziert auf 4 cm Dicke schmiegt sich die dünne und äußerst flexible Dämmplatte mit Stufenfalz wie eine zweite Haut an die Fassade und in jeden Winkel der Alten Kanzlei. Auch die Herstellung von Anschlüssen an bestehende Bauteile, wie Fassadenöffnungen, das Dach oder an die Nachbargebäude war mit MultiTherm Aero für die Handwerker problemlos machbar. Bei einem hervorragenden Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit von 0,018 W/mK ist das neue, auf Aerogel-Basis entwickelte Hightech-WDVS äußerst wasserabweisend sowie diffusionsoffen und stellte auch deshalb die perfekte Lösung für das stark feuchtebelastete Bauwerk in Wangen dar.

Historische Putzfunde konserviert

Trotz des ruinösen Zustands der Alten Kanzlei konnten an Teilen der hofseitigen Fassade sowie an den Nordwest- und Südwestfassaden erhaltenswerte, historische Putzflächen ausgemacht werden. Um diese wertvollen Zeugen der Vergangenheit zu schützen und zu konservieren, entschied man sich dazu, die MultiTherm Aero Dämmplatten an diesen Stellen nur zu dübeln und nicht zu verkleben. Damit entstand eine perfekte Trennschicht zwischen historischem Putzbefund und neuem Wandaufbau.

Die Fassadenflächen ohne historische Fundstellen bedeckte überwiegend ein Zementputz aus den 1930er Jahren. In diesen Teilen wurde das WDV-System nach Entfernung des Zementputzes zusätzlich mit dem speziell hierfür konzipierten Klebe- und Armierungsmörtel MultiTherm Aero K+A verklebt und schließlich armiert. Die Verarbeitungsweise des neuen Hightech-Dämmsystems unterscheidet sich damit nicht von der herkömmlicher WDV-Systeme. Den Blick auf die originalgetreu wieder hergestellte Fassade vervollständigen die Fenster. Modernste Technik hat es auch hier ermöglicht, die leicht unklaren Glasscheiben als stilechte Zeugen der Epoche in einem speziell von der Denkmalpflege genehmigten Dämmglas einzufangen und damit der Fassade einen harmonischen Gesamteindruck zu verleihen sowie ihren unverwechselbaren Charakter gänzlich zu erhalten. Durch einen eigens angefertigten Kalkputz mit Flachsfasern und einem darüber aufgebrachten Kalkfeinputz konnte die historische, handstrukturierte Putzoberfläche wiederhergestellt werden. Der abschließende, freskale Kalkanstrich wurde auf den noch frischen Rajasil Kalkputz gestrichen, um eine optimale Verbindung und Haltbarkeit der Materialien zu erreichen. Die Arbeiten wurden vom Stuckateur- und Restaurierungsbetrieb Frank Mauer aus Wangen durchgeführt.

Von der Denkmalpflege gefördert

Zur Dämmung der Fassaden wurde der Bauherr von der staatlichen Denkmalpflege, der Denkmalstiftung Baden-Württemberg und der Stadt Wangen, die das Projekt bezuschussen, ermuntert, die Maßnahmen wurden freigegeben und mit großem Interesse begleitet. Nach fast dreijähriger Bauzeit und Fertigstellung Ende 2013 ist im Erdgeschoss  der Alten Kanzlei in Wangen eine gewerbliche Nutzung vorgesehen. Familie Mackh bezieht die Büroräume im ersten Obergeschoss sowie die Wohnräume im ersten Ober- und ersten Dachgeschoss. Dank MultiTherm Aero ist eine uneingeschränkte Nutzung des historisch wertvollen Baudenkmals nach modernsten Standards möglich geworden.


Autorin

Kristine Meurer-Schröder ist als freie Autorin unter anderem für die Zeitschrift bauhandwerk tätig. Sie lebt und arbeitet in Bielefeld.

Dank Aerogel (WLG 018) nur 4 cm dickes flexibles WDVS erlaubt lebendige Oberflächenstruktur

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