Farbspiel mit Faschen
Neubau von sieben Geschosswohnungsbauten in Würzburg

Pastellfarben und spielerisch auf den Fassaden verteilte, weiße Fensterfaschen kennzeichnen die neue Wohnanlage in der Würzburger Brunostraße. Im Kontrast zu den übrigen Flächen verputzten die Handwerker die Faschen mit einem feinkörnigen Filzputz.

Die 2012 fertiggestellte Wohnanlage in der Brunostraße liegt im Stadtteil des ehemaligen Kasernen- und Industriestandortes Zellerau. Bis vor wenigen Jahren galt die Zellerau noch als „Schmuddelkind“ mit hoher Sozialhilfedichte und Jugendarbeitslosigkeit, baulichen sowie städtebaulichen Schwächen. Als Projekt im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“ wird das Viertel nun zukunftsfähig gemacht, werden Gebäude, Straßen und Plätze umgestaltet.

Die neuen Wohnblöcke ersetzen sechs nicht sanierungsfähige Zeilenbauten aus den frühen Wiederaufbaujahren. Unterstützt vom Baureferat lobte die Stadtbau Würzburg 2009 ein kooperatives Verfahren aus, das Stefan Forster Architekten aus Frankfurt am Main gewannen. Es entstanden neun Punkthäuser mit insgesamt 104 barrierefreien Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen. Sie sind versetzt angeordnet und umschließen als Dreier-Gruppen jeweils einen kleinen Zwischenhof. Lage und Anordnung der Häuser richten sich nach sechs 40 bis 50 Jahre alten Großbäumen, die zu Baubeginn ausgegraben, zwischengelagert und nach der Fertigstellung wieder eingepflanzt wurden.

„Stadtvillen“ nach KfW-70-Standard

Jede der nach dem Standard KfW 70 gebauten „Stadtvillen“ besteht auf der Eingangsseite aus einem viergeschossigen Quader, dem auf der Gartenseite eine dreigeschossige, thermisch getrennte Vorzone mit Loggien und Terrassen vorgelagert ist. Die Außenwände aus 24 cm dicken Hohllochziegeln wurden als geschosshohe und bis zu 2,67 m breite Wandscheiben samt Stürzen vorgefertigt und die Fensterbrüstungen vor Ort nachträglich aufgemauert. Ein Wärmedämmverbundsystem mit 14 cm Mineralfaserdämmung und farbig gestalteten Putzoberflächen verkleidet die Fassaden. Das Farbkonzept trägt zur leichteren Identifizierung der Häuser bei: Die Grundfigur ist immer cremeweiß gestrichen, die Vorzonen in unterschiedlichen Pastellfarben: Mal eher gräulich, mal gelb oder cappucinobraun, fasst ein Farbton jeweils drei Häuser zusammen.

Fensterfaschen als Kontrast

Als Kontrast wirken die spielerisch verteilten, reinweiß verputzten Fensterfaschen, die je zwei Fenster wie Rahmen umschließen. Die unterschiedlich breiten Seiten der Faschen verspringen mal nach links, mal nach rechts und lockern die klare Fassadengliederung auf. „So bekommen wir trotz Vorfertigung und wirtschaftlicher Bauweise ein leichtes Spiel in die Fassade“, sagt Projektleiterin Sandra Söhnel vom Frankfurter Büro Stefan Forster Architekten.

Für die Fassaden verwendeten die Handwerker der Würzburger Firma Brückl ein WDVS aus 14 cm dicken Mineralfaserdämmplattenplatten, die sie mit Klebemörtel auf die vorbereitete Außenwand montierten und mit Thermodübeln befestigten. In eine weitere Lage Gewebespachtel betteten die Putzer die Armierung ein und trugen nach dem Abbinden die Grundierung auf. Danach zogen sie mit der Glättkelle einen vorgefärbten Silikonharzputz auf. „Ein Mineralputz hätte zu viel Feuchtigkeit aufgenommen und wäre – auch wegen der Bäume im Park – ein Nährboden für Algen und Schimmelpilz gewesen“, sagt Geschäftsführer Olaf Brückl. Abschließend rollten die Handwerker zweifach flächig einen Silikonharzanstrich auf, der zusätzlich vor Schlagregen, Schmutzpartikeln und Algenbefall schützt.

Die Standardkörnung des Silikonharzputzes (Korngröße: 3 mm) bringt Struktur in die ebene Fassadenoberfläche. Auf die Faschen trugen die Handwerker dagegen einen glatten Filzputz mit einer Körnung von 1 mm auf, der aus einem Kalkmörtel mit besonders fein gesiebtem Sandzuschlag besteht. Da der Filzputz dünner ist, wurde er als erstes aufgetragen – mit etwas Überlappung, um darauf später den gröberen Putz für die restlichen Flächen anzubringen. Die Putzer zogen den Filzputz mit einer Stahltraufel auf die getrocknete Grundierung auf und rieben ihn dann mit einem regelmäßig angefeuchteten Filzbrett ab. So entstand eine gleichmäßig glatte Oberfläche. Anschließend zeichneten sie die Faschen an, klebten sie mit einem PVC-Putzband ab und verputzten die umliegenden Flächen.

Präzisionsarbeit beim Putz

Insgesamt arbeiteten bis zu 20 Putzer an den Fassaden der neun Häuser. Um trotz der großen Flächen ein gleichmäßiges Ergebnis zu erzielen, mussten sie präzise, schnell und von der Sonne weg arbeiten, „am besten schon morgens, wenn es nicht zu heiß war“, sagt Olaf Brückl. Damit auch im Winter verputzt werden konnte, wurde eines der Häuser zusätzlich vollständig umrüstet, mit einem Kassettendach abgedeckt und mit Kederplanen bespannt. „Eine Arbeit unter erschwerten Bedingungen“, sagt Olaf Brückl: „Bei Minusgraden sammelt sich die eingeblasene Warmluft unter dem Dach und sorgt für ein Temperaturgefälle an den zu bearbeitenden Wandflächen.“

Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass die Wände nicht vor Ort vermauert, sondern als Fertigteile angeliefert wurden. Dadurch entstanden kleinere Versätze, die die Putzer vorab mit Armierungsmörtel ausglichen. Hierzu war ein komplettes Abschnüren der Flächen sowohl horizontal als auch vertikal notwendig. Die Dehnfugenprofile zwischen den Wandscheiben wurden später im gleichen Farbton wie der Putz gestrichen.

Für die Loggien verwendeten die Rohbauer Betonfertigteil-Deckenplatten, die sie über Isokörbe an den Geschossdecken montierten. Wie bei den Fenstern sind auch bei den 2,5 m tiefen Loggien die massiven Brüstungen mit 60 cm sehr niedrig. „So haben die Bewohner auch sitzend noch Blickkontakt in den Park“, sagt Architektin Sandra Söhnel. Die dezenten Absturzgeländer aus dunkel pulverbeschichtetem Flachstahl fügen sich ruhig und unauffällig in das Fassadenbild ein. Um eine möglichst filigrane Wirkung zu erzielen, dübelten die Handwerker neben den Fenstern Kopfplatten auf das Mauerwerk, an denen sie die 40 x 10 mm großen Stahlprofile des Geländers über Befestigungswinkel und -laschen verschraubten. An den Befestigungspunkten schnitten sie die Dämmung aus und setzten stattdessen vorgefertigte Dämmstoff-Formteile mit entsprechenden Aussparungen ein. Alle Befestigungswinkel wurden mindestens 10 cm überdämmt, um Risse durch Temperaturausdehnungen des Metalls auszugleichen. Später arbeiteten die Handwerker den Putz in den Fensterlaibungen präzise an. In den Loggien wurden die Geländer über Kopfplatten und Winkelprofile, die die Horizontalstäbe aufnehmen, von außen unsichtbar an den Innenseiten der Brüstungen montiert. Diese erhielten einen zweifachen Betonanstrich mit vorheriger Grundierung.

Freitragende Sichtbetonwinkel

An jedem Eingang schützt ein freistehender, 1,66 m breiter und 3,84 m hoher Sichtbetonwinkel die Bewohner vor der Witterung und bietet Platz zum Abstellen der Fahrräder. Eine Glasfuge überbrückt den Abstand zur Außenwand und lässt Licht zur Eingangstür durch. Jeder der 9,2 t schweren L-förmigen Winkel besteht aus einer Wand- und einer Deckenscheibe, die von der Rohbaufirma Anton Schick im Betonfertigteilwerk vorgefertigt, von einem Mobilkran in Position gebracht und vor Ort montiert wurde. „Wand- und Deckenteil sind größtenteils freitragend“, sagt Bauführer Steffen Faßler. Lediglich eine im Durchmesser nur 10 cm dicke Stahlrundstütze verhindert eine zu starke Durchbiegung.

Für Klingeltableau, Briefkästen, Deckenleuchten und das Regenfallrohr auf der Rückseite ließen die Betonbauer Aussparungen im Beton frei. Die einzelnen Ausstattungselemente wurden später auf der Baustelle flächenbündig eingefügt. „Die Größe der Aussparungen war eine Herausforderung“, sagt Steffen Faßler. Da die Briefkästen in der Wandscheibe 12 cm tief sind, blieben bei 30 cm Bauteiltiefe an der schmalsten Stelle nur 18 cm zum Betonieren – und das bei beidseitig mindestens 3,5 cm Betonüberdeckung. Nach der Vorfertigung und Anlieferung betonierten die Betonbauer die Wandscheibe über eine Anschlussbewehrung an das Fundament an. Anschließend wurde die Deckenscheibe per Kran – nur mit zwei Dornen gesichert – auf die Wand aufgelegt. Ein Gerüst stützte die gegenüberliegende Seite solange ab, bis die Rundstütze montiert war. Erst beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass die Stütze außermittig platziert ist: Eines von vielen präzise geplanten und handwerklich perfekt umgesetzten Details, die die Wohnanlage aus der Masse herausheben und zu etwas Besonderem machen.

Autor

Dipl.-Ing. Michael Brüggemann studierte Architektur in Detmold und Journalismus in Mainz. Er arbeitet als Redakteur und schreibt außerdem als freier Autor unter anderem für stern, DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau.

Auf die Faschen trugen die Handwerker einen glatten Filzputz mit einer Körnung von 1 mm auf

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