Handwerk alter SchuleAuszäunen von Fachwerkkonstruktionen mit Lehmbewurf
Das Auszäunen von Fachwerkfeldern mit Staken und Weidenruten sowie anschließendem Lehmbewurf ist eine traditionelle Handwerkstechnik, die sich über Jahrhunderte in der Praxis bewährt hat. Die Ausführung ist zwar sehr zeit- und arbeitsintensiv, garantiert dafür aber auch eine extrem lange Lebensdauer. Darüber hinaus wird sie den Anforderungen einer „arbeitenden“ Fachwerkkonstruktion vollauf gerecht. Der Beitrag zeigt, was bei der handwerklichen Ausführung beachtet werden sollte.
Das Bauen mit Lehm zieht sich durch fast alle Zivilisationen der Menschheitsgeschichte bis in die heutige Zeit. Funde aus der Bronzezeit beweisen, dass auch in Deutschland vor tausend Jahren Lehm als Füllmaterial von Palisaden- und Flechtwerkwänden ein durchaus weit verbreiteter Baustoff war.
Baulehme sind bautechnisch gesehen tonhaltige Erden. Die wirksamen bindigen Bestandteile des Lehms sind nur die tonigen Anteile – Sandkörner und Gesteinsmehl bilden das Mineralgerüst. Ton ist ein Verwitterungsprodukt aus Feldspat und anderen Mineralien der Urgesteine. Die chemische Verbindung mit anderen Stoffen beeinflusst die Farbe: Eisenverbindungen sorgen für eine rotgelbe Färbung, Magnesium für eine weiße und organische Beimengungen für eine bräunliche bis schwarze Färbung.
Auszäunen des Fachwerks
Bei dieser Ausfachungstechnik wird in die Fachwerkkonstruktion ein Haltegerüst aus Staken und Geflecht eingebracht. Diesen Vorgang bezeichnet man als Auszäunen. Staken und Fachwerk sollten aus der gleichen Holzart hergestellt werden, damit das Dehnungsverhalten identisch ist.
Bei der Ausführung müssen zuerst Eichenscheite auf Länge geschnitten und die Kanten mit einem Schalmesser gebrochen werden. Dies ist notwendig, damit scharfkantige Staken das Flechtwerk nicht durchtrennen. Die Staken werden anschließend an beiden Enden mit einem Beil angespitzt.
Nun muss der Handwerker eine 20 mm breite und 15 mm tiefe Kerbe im unteren Riegel herstellen. Im oberen Gefachriegel werden, je nach Anzahl der Staken, Löcher von 20 mm Tiefe mit einem Stechbeitel gestemmt. Sie dienen als Arretierung für die Staken. Die auf Länge geschnittenen Staken werden schließlich mit dem angespitzten Ende in das obere Loch des Riegels gesteckt und mit einem Holzhammer stramm in die untere Kerbe geschlagen.
Bei einer Gefachbreite bis 100 cm sollten drei Staken angebracht werden (siehe großes Bild auf rechter Seite). Die äußeren Staken sollten mindestens einen Abstand von 20 mm vom senkrechten Eichenpfosten haben, damit sich der Lehmbewurf später gut festkrallen kann.
Für das Flechtwerk wird schnell wachsendes, biegsames Holz benötigt, dessen Ruten nicht dicker als 15 bis 20 mm sein sollten. Sind die Ruten dicker, müssen sie vor dem Einbau gespalten werden. Als geeignetes Material hat sich hierfür Weide oder Haselnuss bewährt. Die einzelnen Ruten werden abwechselnd einmal von rechts und einmal von links verflochten. Dies gewährleistet eine gleichmäßige Flechtholzdicke im Gefach. Um das Flechtgefüge fest und widerstandfähig zu machen, sollte das Geflecht möglichst dichtmaschig eingearbeitet werden.
Anmischen des Lehmbewurfs
Ist das Auszäunen beendet, kann der Handwerker mit dem Anmischen der Leichtlehmmischung beginnen, die übrigens auch Lehmbewurf genannt wird. Zuerst wird dabei die Lehmschlämme aus Lehm und Wasser hergestellt. Gut aufgelockertes Stroh (Halmlänge: 60 bis 80 cm) wird anschließend im Spritzverfahren mit der Lehmschlämme übergossen oder im Tauchverfahren in einem Mischgraben eingetreten oder eingestampft. Wichtig ist bei beiden Techniken, dass alle Faserstoffe mit Lehm ummantelt werden. Deshalb muss der Lehmbewurf lange genug durchgemischt werden, denn je inniger das Material durchmischt wird, desto fester und widerstandsfähiger ist es nach dem Austrocknen.
Dem Lehmbewurf wurde laut alten Rezepturen früher oftmals Kuhdung, Borsalz, Kasein oder Rinderblut hinzugefügt. Sie sorgen allesamt für eine Erhöhung der Wasserfestigkeit. Die organischen Zuschlagstoffe wie Roggen-, Weizen- oder Gerstenstroh, Holzhäcksel, Borsten, Sägespäne, Heidekraut oder Reisig dienen hingegen als Armierung und magern den Lehm ab. Sie können Spannungs- und Schwundrisse bis zu 3 mm überbrücken. Außerdem erhöhen sie durch ihr geringes spezifisches Gewicht die Wärmedämmung der Konstruktion. Jedoch sollte eine Rohdichte von 600 kg/m³ nicht unterschritten werden.
Das gut durchmischte Gemenge wird dann auf einen so genannten Maukhaufen von 50 cm Höhe geschichtet, auf dem das Material mindestens 24 Stunden mauken sollte. Diese Haufen müssen durch Planen gegen Regen und Sonneneinstrahlung geschützt werden. Der Maukvorgang dient dazu, die Klebekraft des Lehms besser aufzuschließen und die überschüssige Flüssigkeit ablaufen zu lassen. Die Konsistenz der fertigen Mischung sollte zwischen plastisch und steif liegen.
Verarbeitung des
Lehmbewurfs
Der nächste Arbeitsschritt ist das Anwerfen der Lehmmischung auf das ausgezäunte Gefach. Hierbei wird in der unteren Ecke eines Gefachs begonnen und diagonal in die obere Ecke des Gefachs vorgearbeitet – selbstverständlich nimmt man diese Arbeit mit den Händen vor. Der Lehm wird dabei mit Schwung gegen das ausgezäunte Gefach geworfen und dann mit den Händen zwischen das Geflecht gedrückt. Ist das Gefach vollflächig beworfen, wird der Lehm mit einem Edelstahlglätter flächig angedrückt, besonders an den Ständern und Riegeln.
Mit einem an den Enden um 25 mm eingekerbten Abziehbrett wird das Lehmgefach nun über die Ständer abgezogen. So entsteht ein gleichmäßiger Abstand vom Lehmbewurf zum Fachwerkständer.
Diese 25 mm sollten die Mindestschichtdicke für den späteren Oberputz sein – egal ob Lehm- oder Kalkputz. Für einen Oberputz aus Kalkmörtel (außen) muss der abgezogene Lehmbewurf noch mit einem Nagelbrett oder einem Holzkamm aufgeraut werden, um eine bessere Verbindung vom Lehmbewurf zum Kalkmörtel zu gewährleisten.
Außerdem muss umlaufend zwischen Holzständer und Lehmbewurf eine 15 mm breite und 15 mm tiefe Kerbe eingedrückt werden. Nun kann sich der Oberputz an dieser Stelle gut festkrallen. Als Oberputz sollte der Handwerker einen zweilagigen Kalkkaseinmörtel mit Zuschlag aus Tierhaaren aufbringen.
Der Lehmbewurf benötigt je nach Dicke und Witterung etwa zwei bis drei Wochen Trocknungszeit. Nasslehmarbeiten müssen zwischen April und Oktober durchgeführt werden, ein Witterungsschutz ist dabei unbedingt erforderlich.
Anschließend kann auf der Innenseite ein zweilagiger Strohleichtlehmputz aufgetragen (Strohhäcksel von 2 bis 5 mm Länge) und glatt gerieben oder ganz fein geglättet werden. Auf der Außenseite wird ein zweilagiger Kalkkaseinputz balkenbündig aufgetragen. Für den Anstrich sollte eine Kalkkaseinmilch nass in nass verwendet werden.