Lehmbautechniken lernen
Lehm ist nicht nur ein natürlicher und traditioneller, sondern auch ein sehr vielseitig einsetzbarer Baustoff. Erlernen kann man das Spektrum der Lehmbautechniken bei Beatrice Ortlepp in Biesenthal. Wir haben zwei Kursteilnehmer um ihre Eindrücke gebeten.
Seit sieben Jahren bietet Beatrice Ortlepp in ihrem Fachwerkhaus in Biesenthal Lehmbaukurse an. Schon das Haus selbst – das älteste im Ort – macht Lust auf die Auseinandersetzung mit dem Baustoff Lehm, den Menschen seit Jahrtausenden zum Bauen nutzen und der sich heute als moderner Baustoff vor anderen nicht zu verstecken braucht.
Die gelernte Maurerin und Lehmwerkerin Beatrice Ortlepp hat auf wenigen Quadratmetern in ihrem Haus die verschiedensten Lehmtechniken angewandt: Den großen Kamin im Zentrum des Hauses ziert ein riesiges, farbenfrohes Lehmschlangen-Relief, die Gefache sind mit verschiedenen Techniken mit lehmverputzten Strohballen und mit lehmumwundenen Holzstaken gefüllt oder mit Lehmsteinen ausgemauert. Im Erdgeschoss fällt eine organisch wirkende Wand auf: Mit Lehm gefüllte Baumwollschläuche, unter anderem einige alte Hosenbeine und Strümpfe, wurden hier geschwungen aufgeschichtet. Im Flur hat der Lehmputz eine besonders feine Struktur. Der Trick: alte Baumwolltücher wurden komplett in eine dünne Lehmmischung getaucht und als Lehmtapeten aufgezogen.
Im Workshop Lehmbau lernen heißt,
das Material verstehen
Der Workshop beginnt in Bisenthal mit Materialkunde und ersten Versuchen mit Lehm: Der erdfeuchte Lehm muss zunächst mit Wasser angerührt werden und über Nacht stehen bleiben, was man als mauken bezeichnet. Danach ist er noch geschmeidiger und gut zu verarbeiten. Der Lehm für das Seminar stammt von einer Baugrube ganz in der Nähe. Mit ein wenig Erfahrung können Lehmwerker leicht die Qualität des Lehms feststellen. Gut zu verarbeiten ist das Material, wenn sich die Putzmischung 1,5 cm über den Rand der Kelle schieben lässt, bevor der Strang reißt. Geeigneter Lehm ist wurzelfrei, fett ebenso wie mager und wird entsprechend seinen Eigenschaften und der geplanten Anwendung mit Sand oder anderen Zuschlagstoffen vermengt.
Dann geht es los. Die zahlreichen Lehmbaustellen im Haus erlauben ein Ausprobieren der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Lehm. Eine Lehm-Stroh-Wand können die Teilnehmer zum Beispiel verputzen. Sie klatschen den Lehm mit reichlich Stroh vermischt auf die Fläche. Später wird die Wand abgezogen und gleichmäßig verputzt. Im Nachbarraum wird innen vor die Fachwerkwand eine Leichtlehmwand gesetzt. Diese Stampflehmwand hat schon eine Vorgängergruppe begonnen, jetzt ziehen die Teilnehmer die Verschalung hoch und ergänzen eine neue Schicht. Mit Kanthölzern verdichten die freiwilligen Stampfer die Lehm-Stroh-Mischung. Eine Wand des Hauses wird mit riesigen Bauklötzen aus Stroh gemauert: Die Teilnehmer müssen die Ballen mit Hilfe von Seilen und Gurten noch verdichten und in die Gefache einfügen. Eine Alligatorsäge hilft, die Wand zu ebnen. Reichlich Lehmputz schützt das Stroh vor Schädlingen und verbirgt nach und nach den regional angebauten Wandbaustoff. Ein Gefach füllen die Teilnehmer schließlich in der historischen Stakenbauweise: Mit dem Beil schlagen sie die Hölzer zurecht. In die Balken müssen Vertiefungen eingestemmt werden, damit die Staken fest sitzen. Stroh und Lehm werden von beiden Seiten um die Staken geflochten, wodurch das Gefach immer dichter wird.
In der Theorie-Pause spülen die Kursteilnehmer ihre lehmigen Hände ab und erfahren auf diesem Weg hautnah die Vorteile des Baustoffs: Lehm ist atmungsaktiv, nimmt Feuchtigkeit aus der Luft auf und gibt sie wieder ab, sorgt für ein gutes Raumklima, lässt sich gut reparieren und komplett recyceln. Je nach Zuschlagstoff kann Lehm auch farbig gestaltet werden. So werden die Lehmgefache von außen zum Schluss mit einer Lehm-Kuhdung-Mischung verputzt. Die weist das Wasser ab und schützt die Fassade für viele Jahre vor der Witterung. Im Badezimmer wird über der Wanne der Lehm durch Leinöl wasserfest gemacht. Das Öl verleiht dem Lehm zudem einen dunkleren Farbton. Aber dies ist nur eine Möglichkeit, um Lehm zu färben. Mit in Eimern angerührter Lehmfarbe kann die Oberfläche auch gelb, rot oder weiß eingefärbt werden.
Stroh und Lehm ist überall verfügbar
und entspricht den Sicherheitsvorschriften
Im Zeitalter der Passivhäuser gewinnen die Rohstoffe Lehm und Stroh wieder an Bedeutung. Das Abfallprodukte Stroh in Form von Ballen in der Landwirtschaft und der Lehm als Restmaterial beim Aushub des Kellers sind hervorragende Materialien für den ökologischen Hausbau. Das schöne an diesen Baustoffen ist, dass sie weitgehend den deutschen Sicherheitsvorschriften entsprechen und vielseitig verwendbar sind. Für umweltbewusste Menschen ist die Beschaffung der Baustoffe vor Ort eines der Argumente für den Lehmbau. Ein anderes Argument ist die gesunde Raumluft aufgrund des Lehms im Innenraum. Lehm ist einer der besten Wärmespeicher und hält auch Strahlung, zum Beispiel von Mobiltelefonen, ab.
Wenn Sie mehr über den historischen Baustoff Lehm lernen wollen, so finden Sie ein entsprechendes Kursangebot im Internet unter www.lehmbaukurse.de. Dort bietet Beatrice Ortlepp Kurse an, in denen praxisnah verschiedene Wandbauweisen, Putz- und Modelliertechniken mit Lehm vermittelt werden. Die nächsten Termine für Kurse sind: 11.-13. Juni, 15.-17. Juli und 12.-14. August 2011.
Autoren
Jutta Sundermann und Marc Jaspert haben an Lehmbaukursen bei Beatrice Ortlepp in Biesenthal teilgenommen und für die Zeitschrift bauhandwerk über ihre Eindrücke berichtet.
Die Gefache sind mit lehmverputzten Strohballen, lehm-
umwundenen Holzstaken oder Lehmsteinen gefüllt