Herausragende Architekturen mit dem Deutschen Ziegelpreis 2021 gewürdigt
Überraschende Leichtigkeit, klar gezeichnetes Bauwerk, außergewöhnlich unspektakuläre Transformation: Bei der Verleihung des Deutschen Ziegelpreises 2021 sparte die Jury nicht mit ihrem Lob. Zwei Hauptpreise, fünf Sonderpreise und Anerkennungen für herausragende Architektur in Ziegelbauweise wurden vergeben.
Unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sowie in Kooperation mit vielen weiteren Partnern lobte der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie den Deutschen Ziegelpreis 2021 aus. In der einstündigen Verleihung, die am 12. Februar online stattfand, überreichte Dr. Matthias Frederichs, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie e.V., die Preise virtuell an alle Preisträger, ebenso erfolgten die Präsentation und Würdigung der Projekte. Hier die Haupt- und Sonderpreisträger:
Hauptpreise „Monolithische Bauweise“:
Rathaus mit Sitzungssaal, Dorfen
Architekten: DiezingerArchitekten, Eichstätt
Bauherr: Stadt Dorfen
Jurybegründung: Die Jury – unter Vorsitz von Architekt Volker Kurrle – würdigt die subtile Fügung und den Reichtum der einfachen Fassadengestaltung. Auf engstem Raum fügt sich der Ersatzneubau beeindruckend unaufgeregt in die Umgebung ein. Das zeitgemäße und klar gezeichnete Bauwerk überzeugte die Jury, indem es gekonnt, zwischen den unterschiedlich hohen Bürgerhäusern zu vermitteln vermag. Mit dem abgestuften Baukörper gelingt es trotz der beengten Lage, Ansprüchen wie der Ästhetik, Individualität und Qualität eines öffentlichen, repräsentativen Gebäudes nachzukommen. Ruhig und präzise ist die ausgewogen proportionierte Putzfassade. Ihre Kratzputzstruktur korrespondiert sehr gut mit den benachbarten Fassadenoberflächen. Die Fensteröffnungen sind rhythmisch platziert und sorgfältig mit schrägen Laibungen gestaltet, welche Blickbezüge zum nahe gelegenen Marktplatz ermöglichen. Durch tief in der Ebene liegende Fenster, Nachtauskühlungselemente aus eloxiertem Aluminiumlochblech und dezent abgesetzte Putzfaschen gewinnt die Fassade an Lebendigkeit und Plastizität. Die dicken, monolithischen Ziegelaußenwände des viergeschossigen Gebäudes unterstreichen die Architekturhaltung des Entwurfsgedankens, erfüllen die Anforderungen an Effizienz sowie Nachhaltigkeit und – für ein Rathaus durchaus von Bedeutung – auch an Langlebigkeit.
Hauptpreise „Mehrschalige Bauweise“:
Stylepark-Neubau am Peterskirchhof, Frankfurt am Main
Architekten: NKBAK,Frankfurt am Main
Bauherr: Stylepark AG
Jurybegründung: Ein dreigeschossiger Anbau in einem Hinterhof mitten in Frankfurt – unten wird gearbeitet, oben gewohnt. Mit der baulichen Ergänzung wurden die Ausnutzungsreserven des Grundstücks ausgeschöpft und gleichzeitig die räumlichen Verbindungen für die Büronutzung des Eigentümers deutlich verbessert. Ungewöhnlich dabei ist die Präsenz, die das Hofhaus auf der Rückseite entwickelt. Hier zeigt sich der schmucke Baukörper als kubische Skulptur und grenzt direkt an die Friedhofsmauer des kulturhistorisch bedeutsamen Peterskirchhofs an, die einen wesentlichen Impuls für den architektonischen Entwurf liefert: Die Autoren lassen den Neubau gewissermaßen aus dieser Mauer herauswachsen, so baut das Neue – ganz wörtlich – auf dem Bestehenden auf. Die Fassadentextur des Neubaus schließt ohne Berührungsängste an die jahrhundertealten Steinschichten an. Der diffizile Übergang wurde mit einer stillen Behutsamkeit gemeistert, die nachhaltig begeistert. Dahinter steht eine ganze Reihe technischer und gestalterischer Besonderheiten: Für die tragenden Außenwände wurden großformatige Ziegel gewählt, während das Sichtmauerwerk aus verschiedenen Steinformaten horizontal geschichtet ist, um die textile Haptik des Verbandes herauszuarbeiten.
Sonderpreis „Nachwuchs“: Ziegelschale Nottuln
Planer: Hochschule Trier,M.A. Christoph Heib
Bauherr: Hagemeister Klinkerwerk
Jurybegründung: Bei den drei Projekten, die für einen Nachwuchspreis infrage kamen, entschied sich die Jury einstimmig für das Projekt des Fachbereiches Architektur der Hochschule Trier. Fließende, organische Formen und das Material Klinker finden in diesem 5 auf 7 Meter großen und knapp 5 Meter hohen Ausstellungspavillon zueinander – eine Kombination, die mit einigen statischen Herausforderungen verbunden ist. Die Studierenden, allen voran der dafür verantwortlich zeichnende Architekt Christoph Heib mit Unterstützung von Prof. Dr. Peter Böhm und dem Bildhauer Martin Kleppe, stellten sich der Aufgabe, für eine besondere Verwendung des Werkstoffs Klinker besondere Maßnahmen zu entwickeln. Die Leichtigkeit des hyperbolischen Paraboloids, der mit einer Materialstärke von nur 7 Zentimetern auskommt, überrascht und besticht durch die skulptural wirkende Form gleichermaßen.
Sonderpreis „Einfach Bauen“: Haus Chausseestraße 48a, Berlin
Architekten: WietersheimArchitekten, Berlin
Bauherr: privat
Jurybegründung: Das siebengeschossige Wohnhaus bildet den Kopfbau einer Zeilenbebauung der Nachkriegszeit. Die Tragstruktur des Gebäudes ist nach außen deutlich ablesbar. Durch eine leichte Verschiebung der monolithischen Ziegelwandelemente zueinander wird mit sehr einfachen Mitteln eine gewisse Tektonik in der Fassade erreicht, die durch differenzierte Putzoberflächen zusätzlich an Tiefe gewinnt und Akzente setzt. Je Regelgeschoss gibt es zwei klar gegliederte Wohnungen, die sowohl über die Nordost- als auch über die Südwestfassade belichtet und besonnt werden. Im Sinne von „Einfach Bauen“ wurde konsequent auf alles verzichtet, was nicht zwingend erforderlich ist: Elemente wie Stürze, Brüstungen, Rollläden oder Sonnenschutz. Der Rohbau bildet nicht nur die Grundstruktur des Gebäudes, er ist darüber hinaus gestaltprägend. Auch die Innenräume überzeugen durch einen reduzierten Materialeinsatz.
Sonderpreis „Quartier“: Inn.Viertel – Areal der ehem. Innstadt-Brauerei, Passau
Architekten: PASEL-KArchitects, Berlin, zusammen mit Friedl und Partner Architekten, Passau
Bauherr: Innstadt Brauhaus Projekt, Passau
Jurybegründung: Das Projekt Inn.Viertel ist eine im Wortsinn außergewöhnlich unspektakuläre Transformation einer Industriebrache auf dem südlichen Flussufer des Inn, direkt gegenüber der Passauer Altstadt. Wie ein Passstück liegt das Ensemble mit hoher Funktionsmischung zwischen dem Kapuzinerplatz, den denkmalgeschützten Altbauten der ehemaligen Brauerei und einigen neuen Stadtvillen am Fuß der Wallfahrtskirche Mariahilf, es formt eine Schwelle zwischen der Stadt und dem umgebenden Landschaftsraum. Die mäandrierende Figur thematisiert das Paradox der kleinteiligen Großform, die unterschiedliche Hofräume bildet und als Kristallisationspunkt im durch Objekte geprägten Kontext wirkt. Vor- und Rücksprünge markieren Eingangssituationen und Passagen, die durch hölzerne Auskleidungen nobilitiert sind und dem Block eine Durchlässigkeit und Luftigkeit verleihen. Die architektonische Anmutung ist eher einfach und von der Wirtschaftlichkeit geprägt, wie auch an manchen Stellen die Grundrissdisposition einer rationalen Erschließungslogik geschuldet scheint. Dennoch schaffen es die Architekten, unter Einhaltung sehr niedriger Baukosten, mit dem Einsatz hochwärmedämmender Ziegel einen KfW-55-Standard zu realisieren.
Sonderpreis „Geschosswohnungsbau“: Wohn- und Geschäftshaus ehem. Feuerwehrareal, Celle
Architekten: Lorenzen Mayer Architekten, Berlin
Bauherr: WWB Weser-WohnbauHolding
Jurybegründung: Der Sonderpreis für „Geschosswohnungsbau“ ging an Lorenzen Mayer Architekten aus Berlin für das Gebäudeensemble aus zwei Wohn- und Geschäftshäusern in der Altstadt von Celle, das auf die komplexen, städtebaulichen Rahmenbedingungen überzeugend reagiert. Die Neubauten ahmen, ohne historisierend zu werden, die kleinteiligen, mittelalterlich geprägten und denkmalgeschützten Fachwerkhäuser der Altstadt nach. Dabei gewinnen sie sowohl durch eine eigenständige Formen- wie auch Materialsprache. Dies gelingt nicht nur durch die Auflösung der Volumina in scheinbar einzelne Häuser, sondern auch durch die Wahl eines wassergestrichenen Ziegels im schleppenden Läuferverband, dessen Mehrfarbigkeit und Haptik die Fassaden lebendig erscheinen lassen.
Sonderpreis „Bauen im Bestand“: „Casa Rossa“, Chemnitz
Architekten: bodensteiner fest Architekten BDA, München
Bauherr: BodensteinerFest Stroux GbR
Jurybegründung: Bodensteiner Fest Architekten aus München erhielten für die Revitalisierung des Wohn- und Geschäftshauses „Casa Rossa“ im Chemnitzer Sonnenbergviertel den Sonderpreis „Bauen im Bestand“. Eine Aufgabe, die für die Jury ein so wichtiges, sensibles Thema darstellt, dass es mit einem Sonderpreis bedacht wurde. Das nach einem beinahe 30-jährigen Verfallsprozess um 1910 errichtete Gebäude abzubrechen und die Baulücke mit einem Neubau zu schließen, wäre so viel einfacher und scheinbar effizienter gewesen. Stattdessen wurde das Gebäude von einem Team aus Architektenbüro und Investor gerettet und mit einem hohen Maß an Sensibilität renoviert. Auffällig ist gerade im Kontext der verputzten Nachbargebäude die Materialwirkung der puristisch sanierten Ziegelfassade: Unregelmäßigkeiten und die „Blessuren“ des letzten Jahrhunderts wurden sichtbar belassen und – wo nötig – mit Originalziegeln ergänzt.