Historische Lehmfußböden

In Ostwestfalen wurden Lehmfußböden auch Sinnendeelen genannt. Der folgende Beitrag stellt die alten

Techniken zur Ausführung der historischen Lehmfußböden, die man auch im Raum Ostwestfalen nur noch

selten findet, mit den dazu gehörenden Arbeitsabläufen vor.

Bei Restaurierungsarbeiten im Baudenkmal der Holtkämperei in Gütersloh-Isselhorst, fand man bei Ausschachtungsarbeiten für den neuen Betonfußboden im Flettbereich und der Deele noch einen Teil der einzelnen Schichten des früheren Lehmfußbodens. Bei der 1623 erbauten Holtkämperei handelt es sich um ein Dreiständer-Fachwerkhaus – das älteste Wohngebäude im Ort. Die Benennung „Holtkämperei“ wird vom vorletzten Eigentümer, einem Postbeamten Namens Holtkamp abgeleitet. Das Gebäude wird seit Jahren vom „Arbeitskreis zur Rettung der Holtkämperei“ von Grund auf nach den Vorgaben der Denkmalpflege restauriert.

Schichtdicke ist Abhängig von der Beanspruchung

„Sinnen“ wurde im Niederdeutschen von dem Begriff Sinter abgeleitet. Sinter, auch Zander genannt, sind Schuppen, die beim Schmieden beziehungsweise Hämmern des glühenden Eisens abspringen. In manchen Gegenden wird die anfallende Metallschlacke auch „Hammerschlag“ genannt. Diese Metallschuppen wurden in die obere vergütete Lehm-Hartschicht des Fußbodens mit eingestampft. Sie sollten die Lehm-Oberschicht härten und vor schnellem Abrieb schützen.

Im Raum Ostwestfalen wurde aufgrund der vielen Rasenerzablagerungen dafür zerkleinertes Rasenerz verwendet. In der Erbauungszeit der Holtkämperei dachten die Handwerker noch nicht an Beton. Fußböden für Dreschtennen oder normale Deelen, Scheunen, Werkstätten, Lagerräume – außer Viehstallungen – wurden in dieser Zeit grundsätzlich aus mehreren Lehmschichten hergestellt. Je nach Beanspruchung führte man die Böden in unterschiedlicher Dicke aus. Stark befahrene Lehmböden, wie Dreschtennen, hatten eine Gesamtdicke von 35 bis 45 cm; Böden mit geringerer Beanspruchung dagegen nur eine Dicke von 15 bis 20 cm. Bei der Ausführung der Lehmfußböden wurde zunächst der vorhandene Mutterboden für die jeweilige Fußbodendicke ausgehoben und abgefahren. Danach baute man eine Tragschicht als Packlage, bestehend aus Schotter und Schlacke, als so genannte kapillarbrechende Schicht, ein und verdichtet und verschlämmt diesen durch kräftiges Stampfen per Hand. Zur Abdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit wurde vorher unter der Packlage noch eine Sperre aus fettem Lehm eingebracht. Für Lehmfußböden verwendete man mittelfetten bis fetten Lehm. Magere Lehme waren hierfür ungeeignet.

Sichtaufbau der Lehmfußböden

Der Aufbau der Lehmfußböden erfolgte in einzelnen Schichtdicken von 7 bis 10 cm. Die jeweiligen Schichten wurden mit schweren Holzstampfern von Hand in wechselnden Richtungen Schlag auf Schlag verdichtet. Jede einzelne Schichtdicke musste anschließend durchtrocknen. Entstandene Schwindrisse wurden nachgestampft.

Bei stark beanspruchten Lehmböden stampfte man unter anderem zusätzlich geeignetes kleinteiliges Steinmaterial mit ein. In der Holtkämperei wurden nach Befund kleinteilige Muschelkalksteinbrocken aus dem nahegelegenen Teutoburger-Wald verwendet.

Für die letzte wichtige Oberschicht des Fußbodens verarbeitete man besonders gut durchgearbeiteten Lehm. Dieser wurde mit dem Schlagholz solange in wechselnden Richtungen von Hand verdichtet, bis die Oberfläche blank war und nicht weiter verdichtet werden konnte. Nach etwa 2 bis 3 Tagen wurde – wie schon beschrieben – im Raum Ostwestfalen die Oberfläche des Lehmbodens zur Härtung und Vermeidung eines schnellen Abriebs mit zerkleinerten Rasenerz flächig bestreut und ebenfalls mit eingestampft. Danach tränkte man zur weiteren Härtung die gesamte Oberfläche mit Blutwasser von Rinderblut.

Die anschließenden Handwerker hatten jeweils in ihren Gegenden eigene Ausführungsmethoden und Techniken. In vielen Gegenden mischte man zur Vermeidung von Schwindrissen dem Lehm unter anderem Häcksel, zerkleinertes Stroh oder auch gereinigte Kälberhaare bei und stampft diese mit ein. Zudem nahm man auch sehr oft eine Härtung mit Tierurin vor.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Ortwin Schwengelbeck studierte Hochbau an der Fachhochschule Nienburg/Weser und war als verantwortlicher Sachverständiger beim Staatshochbauamt Bielefeld und Detmold für den Bereich Denkmalpflege tätig.

Handwerklich gut ausgeführte Lehmfußböden haben eine lange Lebensdauer

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