Innere Schale Gebaute Akustik im Konzertsaal von Danmarks Radio in Kopenhagen
Nach Plänen des französischen Stararchitekten Jean Nouvel entstand in Kopenhagen das 4. Segment von DR Byen, der neuen Sendestadt des öffentlich-rechtlichen Danmarks Radio (DR). Dessen Herzstück ist ein großer Konzertsaal mit 1800 Sitzplätzen. Seine expressive Innenarchitektur und das ausgefeilte raumakustische Konzept realisierten die Mitarbeiter der Firmen Lindner und Voringer mit außergewöhnlichen Konstruktionen aus Gipsfaserplatten: Schallschluckende Elemente aus bis zu fünf Plattenlagen sorgen im Zusammenspiel mit einer schallentkoppelten Unterkonstruktion aus Gipsfaser-Spanten für einen optimalen Musikgenuss.
1999 fiel der Startschuss für den Umzug von Danmarks Radio (sozusagen die ARD Dänemarks) in den Kopenhagener Stadtteil Ørestad. Das ortsansässige Architekturbüro VLA Vilhelm Lauritzen Arkitekter hatte den Wettbewerb zum Generalplan der neuen Medienstadt gewonnen und übernahm selbst die Gestaltung des ersten Bauabschnitts. Die Planung der weiteren drei Segmente wurde anderen Büros übertragen, um innerhalb von DR Byen unterschiedliche Gebäude zu verwirklichen. Denn „Byen“ steht für „Stadt“ und damit für architektonische Vielfalt auf der 130 000 m² großen Gesamtfläche des Projekts.
28 000 m3 Raumvolumen
Den Wettbewerb für das
vierte Segment entschied 2002 der französische Architekt Jean Nouvel für sich. Es handelt sich dabei um die Konzerthalle, deren Kern der große Orchestersaal ist. Außerdem enthält das Gebäude verschiedene weitere Proben- und Aufnahmestudios sowie Büroräume und das großzügige Eingangsfoyer. Höhepunkt des Entwurfs ist der große Konzertsaal mit etwa 28 000 m³ Raumvolumen. Er ist durch die fast vollständige Abwesenheit glatter gerader Flächen geprägt. Stattdessen stellen die auf- und absteigenden Linien sowie die fließenden Wölbungen und Rundungen einen unmittelbaren Bezug zur Bewegung der Musik her.
Bekleidung als Haus im Haus
Neben der ungewöhnlichen Gestaltung stellten die schalltechnischen Bedingungen des großen Konzertsaals eine große Herausforderung dar. Und dies gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen sollte die innere Akustik ein gutes räumliches Hörerlebnis auf allen Plätzen gewährleisten. Die Planung hierfür übernahm mit Nagata Acoustics ein international führendes Spezialbüro mit Sitz in Tokio und Los Angeles, das zum Beispiel auch die Akustik der im Bau befindlichen Elbphilharmonie in Hamburg verantwortet. Zum anderen musste der Konzertsaal akustisch vollständig von allen anderen Teilen des Gebäudes entkoppelt werden, damit Aufführungen im Saal nicht die Arbeit in den anderen Tonstudios und Proberäumen stören. Obwohl es sich beim vierten Segment baulich um eine einheitliche Stahlbetonkonstruktion handelt, bildet der Innenausbau des großen Saals nach seiner Fertigstellung ein schalltechnisch eigenständiges Haus im Haus.
Unterkonstruktion mit Spanten aus Gipsfaserplatten
Die erste Idee sah eine Stahlunterkonstruktion für den Saal vor, an der die Wand- und Deckenbekleidung befestigt werden sollte. Wegen der eigenwilligen Raumgeometrie hätte dabei jedes Stahlteil als Unikat angefertigt und noch dazu schalltechnisch entkoppelt werden müssen – praktisch ein „Ding der Unmöglichkeit“. Der ausgeführte Alternativvorschlag verwendet eine mehrlagige Wand- und Deckenbekleidung aus Fermacell Gipsfaserplatten. Ihre Besonderheit ist die Unterkonstruktion, die nicht wie gewöhnlich aus Holz oder Metall besteht, sondern mit wiederum mehrlagigen Spanten aus zugeschnittenen Gipsfaserplatten ausgebildet wird. Die schon für sich allein sehr gut schalldämmende Bekleidung ist durch die Befestigung auf den weich gelagerten Gipsfaser-Spanten akustisch komplett vom übrigen Gebäude abgekoppelt.
Diese Lösung ist gegenüber Stahl nicht nur in der Ausführung praktikabler, sondern durch die Europäische Technische Zulassung von Fermacell (ETA Nr. 03-0050) auch in qualitativer und baurechtlicher Hinsicht abgesichert. Die ETA beschreibt EU-weit gültige Parameter für die Planung und Verarbeitung von Fermacell, so dass der französische Architekt mit deutschen Firmen das Projekt in Dänemark ohne Verständigungsschwierigkeiten abwickeln konnte.
Vorfertigung:
Made in Germany
Der Alternativvorschlag der Saalgestaltung mit Gipsfaserplatten wurde von der Voringer Gewölbe und Ausbautechnik GmbH aus Töging ausgearbeitet. Grundlage war der Entwurf von Nouvel, der als computergeneriertes Modell vorlag. Darauf aufbauend entwickelte Voringer die komplette Fertigungs- und Montageplanung und stellte die Bekleidungselemente auch selbst in Vorfertigung her.
Die zunächst ebenen Gipsfaserplatten wurden dafür auf die vorgesehenen Radien gebogen und dann zu mehrlagigen Elementen verschraubt und verklebt. Die Anzahl der Lagen ergab sich dabei aus den vom Akustiker vorgegebenen Flächengewichten für jeden Wand- beziehungsweise Deckenabschnitt. Die schwersten Bereiche mussten 100 kg/m² auf die Waage bringen, was eine bis zu fünffache Beplankung mit Gipsfaserplatten verlangte. Für die Südwand des Saals mussten außerdem Elemente mit akustisch wirksamem Lochbild angefertigt werden, bei denen Öffnungen mit vier verschiedenen Durchmessern aufsteigend angeordnet sind.
Die Größe jedes Spantenabschnitts und jedes Flächenelements wurde so gewählt, dass sich die Teile gut transportieren und in der Regel ohne Kran oder andere Hilfsmittel versetzen ließen. Jedes der Bauteile für rund 20 000 m² Wand- und Deckenfläche erhielt eine Bezeichnung nach Montageplan und wurde dann auf Paletten nach Kopenhagen gebracht.
Verfahrbares, doppelt gekrümmtes Deckensegel
Dort übernahm die Arnstorfer Lindner AG den gesamten Innenausbau des vierten Segments von DR Byen und führte damit auch die Montage im großen Konzertsaal aus. Nach Plänen von Voringer stellten die Monteure die Wände in schallentkoppelte Schuhe oder auf Gummiprofile und befestigten die einzelnen Elemente auf den Gipsfaser-Spanten. Eine besondere Herausforderung waren dabei frei auskragende Wandabschnitte, wie sie sich oberhalb des letzten Zuschauerrangs erheben. Die Spanten ruhen hier schall-entkoppelt auf einem nur
140 mm dicken Stahlprofil.
Die Decke des Saals wird von einem verfahrbaren, rund 225 m² großen Deckensegel beherrscht. 14 unterschiedlich und in beide Raumrichtungen gekrümmte Fermacell-Elemente sind hierfür auf eine Stahl-Unterkonstruktion montiert. Je nach akustischen und technischen Anforderungen kann das insgesamt rund 75 t schwere Segel über Seilzüge und Umlenkrollen gehoben oder gesenkt werden. Darüber erhebt sich die (feste) Hauptdecke, ebenfalls mit Gipsfaserbeplankung und einer Sichtseite aus gefrästem Holz. Die Gipsfaserelemente der Wände erhielten als Oberflächenfinish eine
6 mm dicke Gipsplattenauflage, die gespachtelt, mit einem Malervlies belegt und schließlich gestrichen wurden.
Sicherheit bei Schall-
und Brandschutz
Durch den Aufbau von Boden, Decke und Wänden ist der Konzertsaal allseitig von schallentkoppelt gelagerten Gipsfaserplatten eingeschlossen. Er bildet damit akustisch eine selbständige Einheit innerhalb des Gesamtgebäudes. Kein Geräusch und keine Schwingung wird bei den Aufführungen aus dem Saal dringen, so dass die anderen, ebenfalls akustisch als Raum-im-Raum ausgeführten Räume im Gebäude ohne Einschränkungen parallel genutzt werden können. Gleichzeitig erfüllt die Konstruktion die bei öffentlichen Gebäuden besonders strengen brandschutztechnischen Auflagen. Gipsfaserplatten entsprechen den Brandschutzanforderungen der Klasse A2-s1, d0 nach DIN EN 13501-1.
Fazit
In DR Byen entstand nicht nur ein akustisch außergewöhnlicher, sondern zugleich auch ein besonders sicherer und moderner Konzertsaal. Seit Beginn dieses Jahres eingeweiht, lockt das Haus mit seiner Medienfassade die Besucher in den großen Konzertsaal – denn außen auf der feinmaschigen Glasfiberplane ist das zu sehen, was drinnen gerade gespielt wird.