Innere Wandlung
Umbau der Melanchthonkirche in Hannover zum Gemeindezentrum mit Pfarrbüro

Nach Plänen des Büros dreibundarchitekten konnte in die um 1960 erbaute Melanchthonkirche in Hannover sowohl das Gemeindezentrum als auch das Pfarrbüro integriert werden. Im Zuge des Umbaus erhielt das Gebäude eine mineralische dampfdiffusionsoffene Innendämmung.

Ursprünglich vom Architekten Karl-Heinz Lorey von 1959 bis 1961 entworfen, steht die Melanchthonkirche in Hannover mit der Grundform eines griechischen Kreuzes selbstbewusst auf einem baumbestandenen Grundstück. Doch in seinem Innern hatte die Nutzung über 50 Jahre Spuren hinterlassen, die Sanitäranlagen mussten dringend saniert und eine Dämmung durchgeführt werden. Außerdem war die Kirchengemeinde angehalten, Geld zu sparen. Die Idee: Um einen Teil des  Bestands der Gemeinde veräußern zu können, sollte das bislang in einem separaten Gebäude untergebrachte Gemeindezentrum mit Pfarrbüro in die Kirche integriert werden. Den ausgelobten Wettbewerb entschied das Bochumer Büro dreibundarchitekten ballerstedt | helms | koblank  für sich.

„Priorität hatte für uns, dass wir den bestehenden Baukörper nicht antasten“, erklärt Projektleiter Jan Hintemann. „Die Gemeindemitglieder sollten nach dem Umbau weiterhin ihre, zumindest äußerlich, gewohnte Kirche vorfinden.“ Auch sollten durch einen Verzicht auf Neubauten außerhalb der Kirche Flächen und Ressourcen gespart werden. So beschränkten sich die Planer auf eine Neuorganisation des Innenraums. Das neue Kirchenschiff orientiert sich nun vom West- zum Ostteil des Gebäudes, die Seitenschiffe im Norden und Süden wurden abgeteilt. Statt vormals rund 400 Sitzplätzen finden nun maximal 230 Besucher Platz. Im Nordteil befinden sich die Küche sowie der darüber liegende Gruppenraum. Im Südteil liegen nun das Gemeindebüro und darüber das Amtszimmer des Pastors. „Um hierfür mehr Platz zu schaffen, haben wir die drei bestehenden Emporen entfernt und deutlich höher neu eingezogen“, so Hintemann. Ein weiterer Gruppenraum liegt im Untergeschoss der Kirche, der nun großzügig natürlich belichtet werden kann. Dafür wurde an einer Gebäudeseite das Gelände zugunsten von Fenstern abgetragen.

Sensibler Umgang mit der Substanz

„Von außen war das Gebäude durch seine gelbliche Klinkerfassade und sein grünes Kupferdach geprägt“, erzählt Architekt Hintemann. „Diese Erscheinung sollte nicht beeinträchtigt werden. Schon aus diesem Grund schied für uns eine Außendämmung des Gebäudes aus.“ Auch im Innern war den Planern aber der sensible Umgang mit der Substanz aus dem Jahr 1961 wichtig. Etwa die Deckenverschalung: „Die ist aus sibirischer Lärche und sehr präzise gefertigt. Darüber befand sich allerdings nur noch eine Kokosmatte und dann kam schon das Kupfer des Daches“, so Hintemann. So entfernten die Handwerker behutsam die Sichtverschalung, dämmten das Dach nach Stand der Technik und bauten dann die Schalung in leicht veränderter Form wieder ein. Auch bei der Schaffung neuer Lichtverhältnisse galt Respekt dem Vorhandenen. Die alten Buntglasfenster wurden durch moderne, transparente Fenster ersetzt. Ausgewählte Buntglasfenster erhielten ihren neuen Platz in den beiden Windfängen, sowie eingefasst in eine filigrane Stahl-Rahmenkonstruktion, hinter dem erweiterten Westfenster. Zusätzlich wurde auch eine neue Dachöffnung eingebracht, die den Altar ins Licht rückt. Der bestehende Bodenbelag aus Dielen und Schiefer musste jedoch einem neuen Boden aus Anröchter Dolomit weichen, der bereits um den Altar herum gelegt worden war. „In diesem Umfeld aus hochwertigem und mit Bedacht ausgewähltem Material war eine Dämmung mit einem profanen WDVS nicht vorstellbar“, erzählt Jan Hintemann. So entschloss man sich bei der Wärmedämmung für die Innendämmung TecTem Insulation Board Indoor, von dem der beauftragte Stuckateurbetrieb Martin Schwarze rund 900 m2 montierte.

Dampfdiffusionsoffene Innendämmung aus Perlite

Die Dämmplatten der WLG 045 bestehen aus vulkanischem Glas (so genanntem Perlit) und können Feuchtespitzen im Raumklima abgepuffert. Das gesamte alkalische System (pH-Wert 10) ist durchgängig diffusionsoffen sowie kapillaraktiv und damit gegen Schimmelpilz weitestgehend unempfindlich.

In der Melanchtonkirche hatte eine Wärmedurchgangsuntersuchung eine ideale Dicke von 100 mm für die Dämmplatten ergeben. So konnte das Team von Stuckateur Martin Schwarze mit der Vorbereitung des Untergrunds starten. „Am Anfang stand eine kleine Herausforderung“, so Schwarze, „denn die Innenräume waren großflächig mit Klinkern verkleidet, die seinerzeit aus ästhetischen Gründen teilweise verkehrt herum, also mit der Lochseite in den Raum hinein, angebracht worden waren.“ So hieß es für die Stuckateure als erstes: Löcher zuspachteln. Um einen normgerechten, ebenen Untergrund zu erreichen, brachten die Handwerker einen 1 cm dicken Kalkzementputz auf. Nach dem vollständigen Durchtrocknen konnte dann die Montage des TecTem Systems erfolgen: Dazu wurden die Dämmplatten auf Stoß gesetzt und rückseitig vollflächig mit dem zum System gehörenden diffusionsoffenen Flächenspachtel verklebt. Die Montage erfolgt immer reihenweise von unten nach oben, wobei bei der jeweils folgenden Zeile ein Fugenversatz von mindestens 20 cm zu berücksichtigen ist. „Auf Grund des teilweise bis zu 12 m hohen Raumes mussten die Platten außerdem mittig gedübelt werden“, erklärt Martin Schwarze, das sei ab einem Grenzmaß von 3,80 m erforderlich. Die Handhabung des Materials ist einfach, Stücke können mit dem Fuchsschwanz gesägt werden. Auch kleinteiligere Arbeiten, wie etwa die Einfassung der erhaltenen Buntglaskreuze, waren mit den Platten problemlos möglich.

Einfache Verarbeitung

Bei der Verarbeitung entstandene Ausbrüche und Plattenstöße, die größer waren als 2 mm, beseitigten die Handwerker mit Füllmörtel. Anschließend wurde die gesamte Fläche mit der zum System gehörenden Grundierung vorbehandelt sowie – nach vollständiger Trocknung – der Flächenspachtel mit Gewebearmierung aufgetragen. Das Gewebe wird dabei im oberen Drittel der Armierungsschicht in Bahnen mit 10 cm Überlappung eingelegt. „Dann haben wir die Oberfläche mit eingefärbtem Rotkalk fein verputzt“, berichtet Schwarze. So ergibt sich eine Wand, bei der konsequent auf mineralische, diffusionsoffene Werkstoffe ohne Einbau einer Dampfsperre gesetzt wurde.

Ein zusätzliches Element kam außerdem im Altarbereich zum Einsatz. Martin Schwarze: „Hier haben wir auch eine Wandflächenheizung integriert.“  Dafür wurde das Climasystem von Aquatherm mit dem  TecTem Insulation Board Indoor kombiniert. Die leichten Heizregister aus Kunststoff können dafür direkt auf der Innendämmung montiert werden. Aufgrund der geringen Abmessungen kann das System dicht unter dem Putz verlegt werden, eine einfache vollflächige Gewebearmierung gilt als ausreichend. Um die  Kapillaraktivität der Wand zu gewährleisten, sollte dabei immer auf den geeigneten Putz geachtet werden. Da in der Melanchthonkirche durchgängig mineralische Komponenten verwendet wurden, stellte sich diese Frage aber gar nicht. Für den Stuckateur Schwarze zeigten sich gerade hier die Vorteile der mineralischen Dämmung: „Das Perlit-Material überzeugt natürlich durch seine bauphysikalischen Eigenschaften. Nicht nur in punkto Wärmedämmung, sondern vor allem, wenn es um Wasseraufnahme und -abgabe geht“.

Äußerlich unverändert, erscheint die Melanchthonkirche nach Abschluss der Umbauarbeiten im Mai 2013 im Inneren wärmer und einladender, mit mehr Tageslicht und hell verputzt. Die neuen Emporen bieten zusätzlichen Raum für Besucher und die Gruppenräume sowie das Pfarrbüro sind schnell und einfach erreicht.

Autorin

Dipl.-Ing. Andrea Grond ist als Architektin verantwortliche Produktmanagerin mit dem Schwerpunkt technische Beratung von Architekten und in der Innendämmung tätigen Handwerkern bei der Firma Knauf Aquapanel in Dortmund.

Auf Grund des teilweise bis zu 12 m hohen Raumes wurden die Platten mittig gedübelt

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