Formstein und Handstrich

Formsteine und handgestrichene Ziegel haben als Vormauerziegel hierzulande eine lange Tradition.
Seit dem Mittelalter wurden die speziell geformten Backsteine verbaut. Die heute meist kulturhistorisch
wertvollen Bauten zu sanieren, verlangt vom Handwerker viel Geschick.

Seit dem frühen Mittelalter verwendete man Backsteine vor allem im nördlichen Deutschland. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür ist die Klosterruine in Chorin in der Nähe von Berlin. Aber auch viele Bauten in den mittelalterlichen Städten, wie Lübeck oder Neubrandenburg, wurden mit Backsteinen errichtet. Dabei wurden zahlreiche Formsteinarten entwickelt. Bei den handgestrichenen Ziegeln gab es unterschiedliche Oberflächenstrukturen. Durch die Rückbesinnung in der Architektur auf den Historismus gestaltete man ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa 1920 viele Fassaden von Wohn- und Fabrikgebäuden aber auch Kirchen mit unterschiedlichen Formziegeln.

Herstellung von Formsteinen und Handstrichziegeln 

Da es sehr unterschiedliche Formen und Abmessungen der Vormauerziegel gab, ist es notwendig, anhand erhaltener Steine diese speziell fertigen zu lassen. In Deutschland gibt es Ziegelmanufakturen, die diese Vormauermauerziegel nach Vorlagen oder Mustern in kleiner Stückzahl für die Sanierung und Restaurierung herstellen. In diesen Ziegeleien werden die Formkästen mit den entsprechenden gewünschten Ziegelformen hergestellt. Da es in den einzelnen Gebieten unterschiedliche Ziegelformate gab, müssen diese hölzernen Formkästen für jedes Sanierungsobjekt neu gefertigt werden. Die Grünlinge müssen zum Trocknen einige Wochen gelagert werden. Zum Teil wurden die Formziegel zusätzlich mit Glasuren unterschiedlichster Farben verbaut.

Ziegelarten und historischer Mörtel 

Erst Ende des 19. Jahrhunderts versuchte man in Deutschland einheitliche Ziegelformate festzulegen. Im davor liegenden Zeitraum gab es unzählige Ziegelgrößen. Da sich der historische Architekturgeschmack im Laufe der Zeit sehr veränderte, entwickelte man auch unterschiedliche Arten von Vormauerziegeln. Es wurden oft relativ einfache Formen verbaut. Bei speziellen Fassadenteilen gibt es auch kompliziertere Arten von Formziegeln. Diese Ziegel fanden an Pfeilern oder Tür- und Fensterlaibungen Anwendung. Da Baumaterialien teuer waren, wurden die reicher profilierten Formsteine nur sparsam verwendet. Durch den Einsatz der unterschiedlichen Formsteine konnte man an den Fassaden verschiedene Schmuckformen, wie Gesimse oder Friese, herstellen. Bis zur Entwicklung der industriell hergestellten Zemente verwendeten die Maurer meist Kalkmörtel zum Vermauern. Diesen Mörtel stellten sie vor Ort auf der Baustelle her und setzten ihn im gesamten Bauwerk ein.

Nutzung von historischen Bauunterlagen 

In den historischen Bauunterlagen kann man zum Teil sehr wertvolle Informationen über den ursprünglichen Zustand der Fassade finden. Neben Komplettansichten oder Detailzeichnungen der Fassade gibt es meist auch Angaben über die verwendeten Baustoffe und zu den verbauten Formziegeln. Mit diesen Informationen ist es möglich, die fehlenden oder zu ersetzenden Formsteine in einer Ziegelmanufaktur herstellen zu lassen. Mit diesen gewonnen Angaben können auch die Kosten für die Herstellung der Formsteine gesenkt werden. Gleiches gilt für historische Fachliteratur, die es mittlerweile wieder als Reprint im Buchhandel gibt.

Anwendung bei historischen Gebäuden

Bei einer historischen Fassade mit Formziegeln muss man sich vor Beginn einen genauen Überblick über den Erhaltungszustand verschaffen. Bei denkmalgeschützten Gebäuden sollte eine enge Abstimmung mit der zuständigen örtlichen Denkmalschutzbehörde erfolgen. Insbesondere muss man dabei prüfen, welche Ziegel schadhaft oder nicht mehr sicher in der Fassade vermauert sind. Bei fehlenden Ziegeln sollte man ein Muster von den entsprechenden vorhandenen Ziegeln für eine Nachfertigung sicherstellen. Es gibt eine Reihe von kleinen Ziegelherstellern, die nach einem vorhandenen Musterziegel diese Vormauerziegel wieder form- und farbgerecht herstellen können.

Vor Beginn der Fassadensanierung sollte die Handwerker eine gründliche Reinigung vornehmen. Aufgrund der langen Standzeit gibt es oftmals unterschiedliche Schmutzablagerungen, wie zum Beispiel Salze. Diese Ablagerungen behindern das Abtrocknen des Untergrunds oder speichern zum Teil Feuchtigkeit. Nachdem die lockeren oder schadhaften Steine entnommen wurden, wird der vorhandene Mörtel entfernt. Danach kann man die Ziegel wieder einsetzen. Anschließend können die Handwerkermit dem fachgerechten Verfugen beginnen. Dabei sollte der Maurer besonders darauf achten, dass er lose Mörtelreste oder andere Teile vor dem Verfugen schon gründlich entfernt hat. Die Fugen sollten in der Tiefe etwa um das 2,5-fache ihrer Höhe ausgekratzt werden. Bei einer denkmalgeschützten Fassade empfiehlt es sich, den Mörtel so einzustellen, dass der gleiche Farbton wie bei den vorhandenen Fugen erreicht wird.

Besonderes handwerkliches Können erfordert das Instandsetzen und Restaurieren von sogenannten Rosettenfenstern an Kirchenfassaden. Bei diesen Arbeiten sind durch die lange Standzeit der historischen Kirchen oft sehr umfangreiche Arbeiten erforderlich. Oftmals sind auch wertvolle Bleiglasfenster vorhanden. Bei einer Sanierung solcher Kirchenfenster muss man besonders die Festigkeit der Formziegel an den Fensterrosetten prüfen und nach einer fachgerechten Sanierung eine entsprechende Neuverfugung ausführen.

Bei historischen Fassaden kommt oftmals Sumpfkalkmörtel zum Einsatz. Der Kalk wird bei verschiedenen Herstellern bis zu sechs Jahre gelagert, ehe er auf der Baustelle verwendet wird. Die verschiedenen Mörtelhersteller bieten für eine solche Fassadensanierung eine breite Auswahl von Produkten an. Wenn man sich nicht sicher über den einzusetzenden Mörtel ist, bieten die Hersteller einen technischen Kundendienst vor Ort an.

Autor

Dipl.-Ing. Lutz Reinboth ist Bauingenieur in Leipzig, Fachautor und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk.Weitere Infos unter www.lutz-reinboth.de

Bis zur Entwicklung industrieller Zemente verwendeten die Maurer meist Kalkmörtel

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