Krusten und Salze am Stein
Restaurierungsarbeiten am Sandstein des Magdeburger Doms
Der Magdeburger Dom ist hierzulande eines der ältesten gotischen Bauwerke überhaupt. Nach 800 Jahren war der Sandstein unter Krusten verschwunden und die Witterung sowie bauschädliche Salze leisteten ihr Zerstörungswerk, so dass umfangreiche Restaurierungsarbeiten erforderlich wurden.
Der Bau des Magdeburger Doms begann 1209. Das Gebäude gründet auf dem schmalen Domfelsen, der in die Elbe hineinragt. Die Bauarbeiten dauerten mit Unterbrechungen über 300 Jahre an und das tun sie eigentlich bis heute, denn im Laufe der Jahrhunderte traten viele Belastungen auf.
Die Planung für die umfangreichen Restaurierungsarbeiten übernahm die ProDenkmal GmbH, Bamberg und Berlin, deren Arbeitsschwerpunkt die Fachplanung an Denkmalen ist. Zunächst wurde die historische Konstruktion sorgfältig wissenschaftlich untersucht. Im Anschluss erfolgte eine genaue fotografische und zeichnerische Dokumentation für eine Bauschadenskartierung. Auf dieser Basis erstellte die Denkmalschutzbehörde eine Zielvorstellung: Der Originalbestand sollte weitestgehend erhalten bleiben und die zahlreichen Zeitspuren sensibel bewahrt werden.
Fachplanung durch ProDenkmal
Die Planung restauratorischer Arbeiten an historischen Natursteinbauwerken basiert nicht nur auf der Kenntnis der unmittelbar sichtbaren Schadensphänomene und den ermittelten Kennwerten der äußeren Fassadenmaterialien. Zwingend erforderlich war darüber hinaus die Erforschung des konstruktiven Aufbaus und der petrographischen und chemisch-physikalischen Materialvarietäten. Konstruktive Abgrenzungen innerhalb eines Bauteils aufgrund vorhandener Bauphasenübergänge mussten genauestens untersucht werden. Allein der Wechsel des Bindemittels innerhalb des Mauerwerks von Kalk zu Gips hätte direkte Auswirkungen auf die Wahl von Sanierungsmaterialien mit Tiefenwirkung gehabt, wie zementhaltige Hinterfüll-, Verpress- und Injektionsmörtel.
Anamnese durch ein Spezialistenteam
Am Anfang des Projektes stand die Anamnese durch umfassende Datenerfassung am Dom selbst und in den Archiven. Restauratoren für Malerei suchten nach Fassungen am Gebäude und dem reichhaltigen architektonischen und skulpturalen, steinernen und metallischen Bauschmuck. Restauratoren für Stein erstellten Schadenskataloge, die später in Maßnahmenkataloge übersetzt wurden und auf deren Grundlage erst auf das Gebäude abgestimmte restauratorische Maßnahmen beschrieben werden konnten.
Geeignete objektspezifische Restaurierungsmethoden und -materialien wurden schon sehr früh im Projektverlauf von den Restauratoren von ProDenkmal auf ihre technische und ästhetische Wirkungsweise anhand einer Musterfläche im Portalbereich überprüft. Auf die verschiedenen Schadensbilder reagierte man mit einem breiten Spektrum an Restaurierungs- und Konservierungstechniken. Leitmaterialien für die Restaurierung beziehungsweise Konservierung oberflächennaher Schäden waren sowohl mineralische als auch kieselsäureethylester-gebundene Mörtel, Suspensionen und Schlämmen.
Damit wurde die Tradition der Vorgänger, des handwerklichen Steinaustauschs und weitgehenden Verzichts auf Reinigungs- und Konsolidierungsverfahren, am Dom nicht fortgeführt. Leitmotiv war der weitest mögliche Substanzerhalt unter Wahrung der Authentizität der Oberflächen, unter Abwägung der Exposition, des Erhaltungszustands und der denkmalpflegerischen Wertung von Fassadenelementen.
Darüber hinaus war neben der Reduzierung oberflächennaher und den Bestand gefährdender Salzdepots die Reinigung von Steinoberflächen ein besonderes Thema am Dom. Dichte schwarze Krusten, die vorwiegend gipsgebunden waren, stellten eine besondere Gefahr für die Dauerhaftigkeit des Gesteins dar. In den Regenschattenzonen unter den Gesimsen konzentrierten sich die Schäden aufgrund besonders starker Durchfeuchtung und Krustenbildung.
Reicher mittelalterlicher Bauschmuck
Trotz starker Schädigung am Ende des Zweiten Weltkrieges blieb der Bauschmuck am architektonisch und bildhauerisch reich ausgestatteten Mittelbau weitestgehend erhalten. Innerhalb der mittelalterlichen skulpturalen Ausstattung waren besonders die Apostelskulpturen in der dritten Ebene infolge starker, heterogener Verkrustung schon lange nicht mehr für den Betrachter wahrnehmbar. Erst die technisch notwendige Entfernung der dichten Krusten machte sie wieder sichtbar. Schon bei der Anlage der Musterfläche vor Beginn der Arbeiten erprobte man verschiedene Reinigungsverfahren. Mit Hilfe eines modernen Klasse-4-Lasers mit 40 Watt Arbeitsleistung konnten die besten, da den Bestand schonenden Ergebnisse erzielt werden. Mit dem erprobten Gerät war es möglich, die Krusten im Mikrometerbereich auszudünnen und so in Nuancen eine Aufhellung und Öffnung der Oberflächen zu erreichen.
Steingenaue Kartierung
Das kommunikative Bindeglied zwischen Planer und ausführender Firma ist die restauratorische Maßnahmenkartierung, in dem die erforderlichen Arbeiten steingenau verortet sind und das Leistungsverzeichnis, das die objekt- und materialspezifischen Arbeiten genau beschreibt. Nicht zuletzt begünstigte die vereinbarte digitale Fortschreibung der Kartierung in Metigo Map auch die Herstellung einer umfassenden Dokumentation, die bei diesem Bauvorhaben in eine von ProDenkmal erstellte Online-Datenbank, DOM-DIS, eingearbeitet wurde und damit zukünftig digital zur Verfügung steht.
Strenge Zulassungskriterien für Auftragsvergabe
An die Vergabeverfahren wurden hohe Anforderungen gestellt. Ziel des Vergabeverfahrens war es, einen Wettbewerb unter strengen Zulassungskriterien der fachlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu formulieren. Daher wurden zweistufige Verfahren durchgeführt, bei denen die Eignung der Bieter vor Preisabgabe nachgewiesen werden musste. Aufgrund der vorwiegend konservatorischen Aufgabenstellung, fragte man ein Kernteam von Restauratoren personengenau ab. Fachbetriebe für Natursteinsanierung haben sich dafür in der Regel an freie Restauratoren gebunden.
Der Schadensbefund am Südturm
Die Bauschäden am Magdeburger Dom waren typisch für bekannte Schadensbefunde an großen alten Kathedralen. Während seiner langen Bauzeit hatte man das Gebäude aus unterschiedlichen Sandsteinvarietäten errichtet. Maßgeblich waren die aktuelle Verfügbarkeit der Steine und die Transportmöglichkeiten der damaligen Zeit. Das erklärt auch zum Teil die vorgefundenen Schäden.
Die hier verbauten Sandsteine gehören zur Gruppe der Sedimentgesteine, die generell sehr verwitterungsanfällig sind. Sie saugen Wasser auf wie ein Schwamm und besonders bei der Exposition an frei bewitterten Pfeilern, Bögen, Streben und Figuren baut der Frost-/Tauwechsel einen enormen Druck im Steingefüge auf. Die Folgen sind Verwitterungserscheinungen wie Schalenbildung, Absprengungen, Absandungen und weitere Anzeichen einer Gefügezerstörung. An diesem Zerstörungsprozess sind auch Salze beteiligt. Sie werden mit dem Regenwasser in den Stein transportiert, entstehen aber auch im Stein durch Reaktion des Wassers mit dem eingebrachten Mörtel.
Salzreduktion im Naturstein
Nach der Reinigung großer ausgewählter Bauwerksoberflächen mit Hochdruck-Dampfreinigung und Mikrostrahlverfahren wurden die bauschädlichen Salze bei stark belasteten Flächen durch Entsalzungskompressen verringert. Durch das Aufbringen einer feuchten Kompresse auf die Oberfläche eines Bauteils wird die Verdunstungszone von im Bauteil befindlicher Feuchtigkeit beziehungsweise eigens eingebrachter Feuchtigkeit weiter nach außen verlagert. Die im Wasser gelösten Salze werden daher aus dem Wandbaustoff heraus in die Kompresse transportiert, so dass es in der neuen Verdunstungszone außerhalb des Bauteilquerschnitts zur Kristallisation kommt.
Die Kompressen werden temporär, zerstörungsfrei und reversibel eingesetzt. Nach Auftrag einer Trennschicht aus Zellulose wurde die Kompresse mit einer Pumpe aufgetragen. Wichtig war der abschließende Verdunstungsschutz mit einer Folie, denn bei einer Turmhöhe von 90 m sorgt frischer Wind für eine schnelle Ausstrocknung. Nach der definierten Einwirkzeit wurde mit Laboranalysen überprüft, ob genügend Salze in die Kompresse eingewandert waren. Als die Ergebnisse positiv waren, konnten die Kompressen manuell wieder entfernt werden.
Steinfestigung
Die Natursteinverwitterung schafft zusätzlichen Porenraum im Natursteingefüge, bei gleichzeitiger mechanischer Schwächung der Oberfläche. Ziel war daher die Wiederherstellung des ursprünglichen Festigkeitsprofils durch gezielte Bindemittelzufuhr mit Produkten auf Basis von Kieselsäureester KSE.
Um optimale Festigungen zu erreichen, sollte jedoch den einzelnen Verwitterungsbereichen nur die Menge an Steinfestigern zugeführt werden, die sie zur Erlangung der Ursprungsfestigkeit benötigen. Deshalb liegen die KSE-Steinfestiger von Remmers auch in verschiedenen Rezepturen vor. Ihre Gelabscheidungsrate variiert zwischen 100 und 500 g Kieselgel pro kg Festiger als neues mineralisches Bindemittel. Für die Festigung von Baustoffen mit größeren, natürlichen oder durch Verwitterung entstandenen Hohlräumen sind die herkömmlichen Festiger somit nur bedingt geeignet. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden wurde das KSE-Modulsystem von Remmers eingesetzt.
Zunächst entfernte man an den schadhaften Stellen loses Material, das durch Festigung nicht mehr zu retten war. Je nach Größe wurde der Hohlraum dann mit Edelstahl-Gewebe, -Draht oder -Schrauben vorbereitet und anschließend SK-Restauriermörtel in mehreren Schichten eingebracht, nachdem er farblich passend zur Umgebung eingestellt wurde – zunächst mit einer auswölbenden Überhöhung, um ihn dann präzise an die Oberflächenstruktur und -form anpassen zu können.
Die physikalischen Kenndaten des Mörtels entsprachen der Forderung nach möglichst geringen Eigenspannungen und waren auf die Eigenschaften hinsichtlich Druck- und Biegezugfestigkeit, Wassertransport usw. des Natursteinuntergrunds abgestimmt.
Schlämmen verwitterter Natursteinoberflächen
Wenn die verwitterten Natursteinoberflächen Risse in Dimensionen aufwiesen, die mit Steinfestigern auf Basis KSE ohne Füllstoffe nicht geschlossen werden konnten, wurde der modifizierte Steinfestiger KSE 500 STE eingesetzt, in den bereits rein mineralische Schwebstoffe eingebettet sind. Er besitzt eine Gelabscheidungsrate von etwa 50 Prozent bei einem Wirkstoffgehalt von mehr als 70 Prozent und kann auch als Bindemittel zur Herstellung von Hinterfüllmassen und Anböschmörteln verwendet werden. Vor Ort wurden die Zuschläge, KSE Füllstoff A oder B eingemischt, um die bauphysikalischen und physiko-mechanischen Eigenschaften mit dem Untergrund abzustimmen.
Die Schlämmkittung von Mikrorissen sowie aufgerauten Oberflächen ging einher mit einer partiellen Festigung stark morbider Oberflächen und eröffnete die Option der farbigen Anpassung an den Untergrund. Die Wasserabweisung erfolgt schwerpunktmäßig an der Oberfläche, mit einem fließenden Übergang zum Stein. Auch bei Schichtdicken in der Größenordnung 1000 µm ist die gute Haltbarkeit zum Erhalt des noch vorhandenen Formenschatzes (zum Beispiel Scharrierung) gewährleistet.
Das entsprach den Vorgaben der Denkmalpflege beim Magdeburger Dom, die sehr konservatorisch ausgerichtet waren. Konservierung hatte Vorrang vor der Wiederherstellung durch Reproduktion, wie sie durch Einsatz eines Restauriermörtels möglich ist.
Autoren
Martin Pomm ist Architekt und Fachplaner bei der ProDenkmal GmbH in Berlin und Bamberg. Dipl.-Ing. FH Volkmar Hillig ist Bauleiter beim Bamberger Natursteinwerk in Bamberg. Dipl.-Ing. Jens Engel ist Produktmanager Bautenschutz bei der Remmers Baustofftechnik in Löningen.
Leitmotiv war der weitest mögliche Substanzerhalt unter Wahrung der Authentizität der Oberflächen