Verlangsamung des Verfalls des Tempels Angkor Wat in Kambodscha
Die Tempelstadt Angkor, seit 1992 UNESCO Weltkulturerbe, ist eine der beeindruckendsten Kulturstätten der Welt. Bis heute zeugen die einzigartigen Bauwerke im Angkor Park von der Hochkultur der Khmer, die vom 9. bis 15. Jahrhundert ihr Zentrum in Kambodscha hatten.
Das Weltkulturerbe Angkor Park ist auch aufgrund des tropischen Klimas dem stetigen Verfall ausgesetzt – stoppen lässt sich dieser nicht, nur verlangsamen
Foto: Leisen / GACP
Doch die Tempel nahe Siem Reap zerfallen und nur dank intensiver Bemühungen konnte und kann der Zerstörungsprozess verlangsamt werden. Eine Aufgabe für Generationen. Das German Apsara Conservation Project (GACP) kämpft seit über 25 Jahren erfolgreich gegen den Verfall. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Ausbildung von Experten in Steinkonservierung, die diese Arbeit durchführen und später selbstständig fortsetzen können. Ein anderer auf der Verlangsamung des Verfalls, unter anderem mit Produkten aus dem Hause Remmers.
Starke Verwitterung
Der größte und wichtigste Tempel im Angkor Park ist der Angkor Wat
Foto: Leisen / GACP
Größter und wichtigster Tempel im Angkor Park ist der Angkor Wat. Beeindruckende und einmalige Steinbildhauerarbeiten zieren seine Oberfläche. Unter anderem sind hier rund 1850 himmlische Wesen, im Volksmund „Apsaras“ genannt, bis zu 100 m lange Flachreliefs in den Galerien sowie aus Sandstein geschnittene Giebelfelder zu sehen. Ihnen sowie allen anderen Bauten und Dekorationen hat die Verwitterung stark zugesetzt, das tropische Klima mit seinen starken Monsun-Regen und Luftfeuchtigkeitsschwankungen bedroht das Weltkulturerbe immer wieder. Der Haupt-Baustein des Angkor Wat ist ein toniger Sandstein, dessen Quarzkörner durch Tonminerale miteinander verbunden sind. Tonminerale gehören zu den Schichtsilikaten und einige von ihnen sind quellfähig. In ihrer schichtartigen Struktur ist der Zusammenhalt der einzelnen Lagen gering. Wassermoleküle können eindringen und die Schichtabstände vergrößern. Messungen haben deutlich gezeigt, dass die Gesteine quellen und wieder schrumpfen – und dass hierfür bereits Veränderungen der Luftfeuchtigkeit ausreichen. Die zyklische Bewegung lockert das Gefüge der Steine und führt schließlich zur Zerstörung. Lösliche Salze aus dem Gestein selbst, Fledermauskot, ungeeignete Restaurierungsmaterialien sowie Luftverschmutzung tragen im Weiteren zum Verfall bei.
Konservierung nicht Restaurierung
Die Experten vor Ort nutzen die Steinfestiger aus dem Hause Remmers – mit verschiedenen Zusätzen werden Injektionsmassen, Anböschmörtel und Schlämme hergestellt
Foto: Leisen / GACP
1995 besuchte Professor Dr. Hans Leisen die Tempelanlagen ein erstes Mal und war zugleich beeindruckt und schockiert angesichts des starken Verfalls. Im Rahmen seiner Tätigkeit am Cologne Institute of Conservation (CICS) der TH Köln rief er noch im gleichen Jahr das German Apsara Conservation Project (GACP) ins Leben, zusammen mit Dr. Esther von Plehwe-Leisen. Schwerpunkt der Arbeit ist bis heute der Erhalt der wertvollen Reliefs am Angkor Wat. In Kooperation mit der kambodschanischen Denkmalschutzbehörde APSARA kann der Verfall verlangsamt werden.
Im Rahmen seines Kulturerhalt-Programms unterstützt das Auswärtige Amt das GACP finanziell. „Seit 1997 fördern wir das German Apsara Conservation Project zum Erhalt der Tempelanlagen von Angkor. Es ist die umfangreichste Kulturerhalt-Maßnahme des Auswärtigen Amts. Mit diesem Projekt leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Weltkulturerbestätte in Angkor. Das German Apsara Conservation Project ist zu einem beispielgebenden Modell geworden, wie der Erhalt kultureller Denkmäler auf der Basis von Wissens- und Technologietransfer gelingen kann“, erklärt Botschafter Stefan Messerer von der Deutschen Botschaft Phnom Penh. Weitere Unterstützung erfährt das Vorhaben von der TH Köln, dem Förderverein FAKT und von privaten Sponsoren. Studierende von vielen in- und ausländischen Universitäten und Fachleute verschiedener Disziplinen unterstützen mit ihrer Arbeit und Expertise. Einen namenhaften Beitrag leistet auch die Remmers Gruppe AG. Bis heute sind weit über vier Millionen Euro Fördergelder geflossen.
Unter der Leitung des Ehepaars Leisen wurden die in der Tempelanlage verwendeten Natursteine, Ziegel- und Stuckdekorationen wissenschaftlich untersucht, die Verwitterungsprozesse analysiert und darauf aufbauend Konservierungskonzepte entwickelt, getestet und letztlich angewendet. „Wir konservieren die Tempel so wie sie sind. Es wird nichts hinzugefügt. Ausnahmen werden nur gemacht, wenn es der Statik dient. Ziel ist es, den natürlichen Verfall so lange wie möglich hinauszuzögern, um die Lebenszeit der Tempel zu verlängern“, fasst Prof. Dr. Hans Leisen sein Vorgehen zusammen.
Und es bleibt nicht bei Angkor Wat. Weitere Projekte in Ayutthaya, Thailand, am Borobudur, Indonesien, sowie in Bagan in Myanmar wurden ebenfalls vom Kulturerhalt-Programm und der TH Köln gefördert. Aufhalten lassen wird sich der Verfall nicht gänzlich und Leisen macht deutlich, dass nur durch kontinuierliches Monitoring, Eingreifen und Pflegemaßnahmen ist es möglich, die Bauwerke noch möglichst lange für die Nachwelt zu erhalten.
Das „KSE-Modul-System“
Schwerpunkt der Arbeit des German Apsara Conservation Projects ist bis heute der Erhalt der wertvollen Reliefs am Angkor Wat
Foto: Leisen / GACP
Die Verwitterung eines mineralischen Baustoffs geht immer mit einer Schwächung seines Gefüges einher. Diese wird in der Regel durch eine Aufweitung des ursprünglichen Porengefüges hervorgerufen. Schalenförmig fallen die Reliefoberflächen ab, nackter Baustein mit einer unebenen Oberfläche und vielen fragilen Gesteinsschuppen bleibt übrig. Hinzu kommen der Verlust von Sandkörnern, die nicht mehr von dem zermürbten Bindemittel gehalten werden, sowie Risse oder schädliche Salzausblühungen.
Um neben einer strukturellen Festigung auch Substanzverluste zu behandeln, wurde das gesamte Konservierungskonzept des GACP für die Tempelanlage mithilfe des „KSE-Modul-Systems“ von Remmers realisiert.
Bei der Festigung der Sandsteinbauwerke kamen sowohl klassische als auch elastifizierte Steinfestiger zum Einsatz. Um die teils stark entfestigten Baustoffe zu schützen, applizieren die Konservatoren zunächst die „KSE 300“ und „KSE 510“ Steinfestiger. Die Materialien auf Kieselester-Basis dringen tief in die verwitterten und aufgelockerten Oberflächen ein und verfestigen sie, ohne den Gebrauch von Lösemitteln. Aufgrund witterungsbedingter Hohlräume, kam ebenfalls der elastifizierte Steinfestiger „KSE 300 E“ zum Einsatz.
Die zentrale Aufgabe einer Festigung besteht im zielgerichteten Auffüllen des durch die Verwitterung neu entstandenen Porenraums. Dies geschieht durch Eintrag eines zusätzlichen, naturidentischen Bindemittels. In Angkor finden sich sowohl Bauten aus Sandstein als auch aus Ziegel, teilweise mit Stuckverzierungen. Ausgehend vom klassischen und elastifizierten Steinfestiger können auf Basis des „KSE 500 ST“ mit verschiedenen Zusätzen Injektionsmassen, Anböschmörtel und Schlämmen vor Ort hergestellt werden. Im Fall des Angkor Park verwenden Prof. Dr. Hans Leisen und sein Team Zuschläge unter anderem aus lokalem Sandstein und Quarzsand.
Zur Erhaltung der Stuckdekorationen der Tempelanlage verwendeten die Konservatoren eine modifizierte Variante des „KSE 300“. Mithilfe des „KSE 300 HV“ Haftvermittlers wird die chemische Anbindung des Kieselsäureesters auf den calcitischen Untergründen der Tempelverzierungen erzeugt.
Nachhaltiges Wissen
Ein wichtiges Ziel des GACP ist die Ausbildung lokaler Experten in der Steinkonservierung
Foto: Leisen / GACP
Der Ansatz des GACP geht noch weiter. Denn der Verfall ist nicht gänzlich aufzuhalten. Es gilt, das gewonnene Wissen und die Erkenntnisse vor Ort nachhaltig zu verankern. Aus diesem Grund liegt ein Schwerpunkt auf der Ausbildung kambodschanischer, thailändischer, burmesischer und indonesischer Konservatoren – damit die beeindruckenden Weltkulturerbestätten noch viele Generationen erhalten bleiben. Die im Rahmen des Projekts ausgebildeten örtlichen Stein-, Stuck- und Ziegelrestauratorinnen und -restauratoren arbeiten in der Folge überwiegend bei den örtlichen Denkmalschutzbehörden und geben auf diese Weise ihre in den Projekten erworbene Expertise weiter. Das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts ist ein wirkungsvolles Instrument der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Es hat zum Ziel, herausragendes Kulturerbe für die Menschheit zu bewahren und einen partnerschaftlichen Kulturdialog zu fördern. Und auch der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland und im Ausland profitiert, wenn die Studierenden im Rahmen von Studienreisen und Studienarbeiten vor Ort praktische Erfahrungen sammeln können.
Christian Behrens ist Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Firma Remmers in Löningen.