Steinbruch
Konsolidierung und Restaurierung von Naturstein, Teil 1

Regen, Frost, Sonne und Wind führen zur Verwitterung von Naturstein. So war es schon in früheren Jahrhunderten eine Daueraufgabe für die Handwerker der Dombauhütten, der Steinverwitterung entgegenzuwirken, um die Bausubstanz der Gebäude zu erhalten.

Die Natursteinverwitterung führt zur mechanischen Schwächung des Natursteingefüges durch Bildung zusätzlichen Porenraumes und einem allgemeinen Bindemittelverlust. Der Verwitterungsprozess verläuft je nach Art des Steins unterschiedlich; in der Hauptsache wird er durch Wasser- und Schadstoffaufnahme ausgelöst. Carbonatisch gebundene Sedimentgesteine zeigen eine höhere Anfälligkeit für die chemische Verwitterung, tonig-silikatisch gebundene Sedimentgesteine dagegen für physikalische Verwitterungsprozesse. Zur Instandsetzung stehen dem Handwerker  folgende praxisbewährte Verfahren und Produktsysteme zur Verfügung:

Quellminderung
Steinfestigung
Steinersatz und Neuverfugung
Hydrophobierung
Beschichtung

Ermittlung von Verwitterungsprofilen

Da es nicht möglich ist, einem Naturstein von außen anzusehen, wie tief und in welcher Form er verwittert ist, sind Voruntersuchungen erforderlich. Zur Ermittlung des Verwitterungsprofils gibt es zwei Methoden: Ein Vor-Ort-Verfahren (Messung des Bohrhärtewiderstands) und ein Laborverfahren.

Im Laborverfahren hat sich eine Prüftechnik mit Ultraschall durchgesetzt, die kompakte Stückproben erfordert (Ø 3-5 cm, ohne Zentrierloch). Die Probe wird dabei in Längsrichtung mit Hilfe gegenüberliegender Sende- und Empfängereinheiten millimeterweise abgerastert und durchschallt. An jedem Messpunkt wird über die Ultraschalllaufzeit der jeweilige dynamische Elastizitätsmodul (Edyn) errechnet, so dass ein Verwitterungs- beziehungsweise Festigkeitsprofil erkennbar wird.

Der Vorteil der Labormethode besteht darin, dass an ein und derselben Stelle das Festigkeitsprofil sowohl vor als auch nach einer festigenden Behandlung ermittelt werden kann. So lässt sich nicht nur die Wirktiefe des Festigers erkennen. Zugleich lässt sich überprüfen, ob der gewählte Festiger einen zu hohen oder zu geringen Festigkeitszuwachs erbringt. Anhand dieser Ergebnisse lassen sich dann gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

Quellminderung bei tonig gebundenen Natursteinen

Bei den meisten tonmineralhaltigen Natursteinen verursacht das hygrische Quellen und Schwinden, also das Quellen und Schwinden infolge von Feuchteaufnahme und -abgabe, wesentliche Schäden. Die Tonminerale sind zu einem erheblichen Anteil so genannte Schichtsilikate. Ihr Aufbau lässt sich mit dem eines Buches vergleichen: Bei entsprechender Feuchtigkeit wird zwischen den „Buchseiten“ aufgrund einer elektrochemischen „Magnetwirkung“ Wasser angelagert und bei der Trocknung wieder abgegeben. Die in den Zwischenschichten befindlichen, positiv geladenen Metallionen sind für diese Magnetwirkung verantwortlich.

Durch die Einlagerung von Wassermolekülen werden die Schichtpakete auseinandergedrückt. Verringert sich die Feuchtigkeit dann, ziehen sie sich wieder zusammen. Nach diesem Muster entstehen wiederkehrende, gefügezerstörende Spannungen innerhalb des Steins. Dazu muss die Feuchte nicht einmal in flüssiger Form eindringen. Hohe Luftfeuchten, wie sie meist tageszyklisch, zum Beispiel in den frühen Morgenstunden, auftreten, reichen völlig aus.

Um diesen wiederholten Spannungsauf- und abbau zu mildern, kann man so genannte Quellminderer einsetzen, die das hygrische Quellmaß um etwa 40 bis 60 Prozent reduzieren, ohne die Festigkeitsparameter, den Wasseraufnahme-Koeffizienten, den Wasserdampfdiffusionswiderstand und die Austrocknungsgeschwindigkeit zu beeinflussen. Vor der Verwendung eines Quellminderers muss der Naturstein von Schmutz- und Schadstoffkrusten, Salzausblühungen und Bewuchs gereinigt werden, um die Poren an der Oberfläche zu öffnen. Der Untergrund darf nicht wasserabweisend sein, da das wässrige Konservierungsmittel sonst nicht aufgenommen werden kann.

Natursteinfestigung mit Kieselsäureester

Die Natursteinverwitterung schafft zusätzlichen Porenraum im Natursteingefüge. Hierdurch wird das Gefüge geschwächt, und die Festigkeit des Steins lässt nach. Ziel einer Natursteinfestigung sollte immer die Wiederherstellung des ursprünglichen Festigkeitsprofils durch gezielte Bindemittelzufuhr sein. Um in diesem Sinne eine optimale Festigung zu erreichen, die auf den jeweiligen Gesteins- und Verwitterungszustand abgestimmt ist, muss ein Festiger mit entsprechender Gelabscheidungsrate ausgewählt werden und nur die Menge an Steinfestigern zugeführt werden, die zur Erlangung der Ursprungsfestigkeit benötigt wird.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten haben sich Kieselsäureester (KSE) als Wirkstoffe zur Natursteinfestigung durchgesetzt. Zu ihrer Herstellung dient reiner Quarzsand als Rohstoff. Dieser wird in einem chemischen Prozess durch das „Andocken“ von Alkoholgruppen zu flüssigem Kieselsäureester umgewandelt. Bei der Reaktion im Natursteingefüge wird der Alkohol abgespalten und es entsteht wiederum Quarz, in Form von amorphem (nicht kristallinem) Kieselgel als neues mineralisches Bindemittel.

Die unterschiedlichen Steinfestiger sind im Wesentlichen gekennzeichnet durch ihre Gelabscheidungsrate. Sie gibt an, wieviel Bindemittel (Feststoff) aus einer bestimmten Menge an Wirkstoff im Stein gebildet wird. Bei der Herstellung entstehen unterschiedlich große Moleküle. Deren Einfluss auf die Eigenschaften des fertigen Steinfestigers ist von großer Bedeutung: Je kleiner die im Steinfestiger enthaltenen KSE-Moleküle, desto geringer ist ihre Gelabscheidungsrate. Am Markt verfügbar sind Festiger mit Gelabscheidungsraten zwischen 50 und 10 Prozent.

Mit ihrer Größe ändert sich auch die Struktur der Kieselsäureester-Moleküle. Größere KSE-Moleküle bilden komplexere Strukturen, zum Beispiel Ringe oder dreidimensionale Strukturen. Das hat einen direkten Einfluss auf die Fließfähigkeit der Moleküle. Je größer und komplexer sie gebaut sind, umso höher ist die jeweilige Viskosität (Zähigkeit) und umso geringer ist ihre Fließfähigkeit. Daher gilt: Je kleiner die eingesetzten Kieselsäureester-Moleküle sind, desto tiefer kann der Festiger in den Stein eindringen.

Durch unterschiedliche Mischungsverhältnisse von großen und kleinen Wirkstoffmolekülen können die Eigenschaften der Festiger, insbesondere ihre Gelabscheidungsrate, variiert werden. Das stellt hohe Ansprüche an die Rezeptierung dieser Produkte. Die resultierenden Festiger sind jedoch erheblich hochwertiger als Produkte, bei denen lediglich Kieselsäureester mit großen Molekülen durch Zugabe von Lösemitteln verdünnt werden.

Gleiches gilt für das Verdünnen von Steinfestigern auf der Baustelle: Mit dem verdünnten Produkt, das größere und somit weniger fließfähige Moleküle enthält, als das vergleichbare Fertigprodukt, lässt sich in der Regel nicht die geforderten Eindringtiefe erreichen. Außerdem wandern die leichtflüchtigen Lösemittel nach dem ersten tiefen Eindringen schnell wieder an die Baustoffoberfläche zurück und verdunsten dort. Dieser Rückwanderungsstrom behindert nicht nur das weitere Eindringen der langsameren Wirkstoff-Moleküle, sondern transportiert bereits eingedrungene KSE-Moleküle wieder mit an die Oberfläche zurück.

Elastifizierte Steinfestiger

Alle Steinfestiger auf Kieselsäureesterbasis haben aber eine Gemeinsamkeit: Das entstehende Kieselgel besitzt einen spröden Charakter, der zu einer Sekundärporosität innerhalb des Kieselgelgerüstes führt. Diese Sekundärporosität sorgt für den Erhalt von Kapillarität und Wasserdampfdurchlässigkeit des gefestigten Materials. Die teilweise sehr geringe Größe der Gelpartikel der klassischen Steinfestiger begrenzt deren Einsatzbereich jedoch auf Untergründe mit normalen Poren- und Hohlraumradien. Für die Festigung von Baustoffen mit größeren natürlichen oder durch Verwitterung entstandenen Hohlräumen sind die herkömmlichen Festiger somit nur bedingt geeignet. Diese Einschränkung ist relevant für:

grobporige Natursteine (wie Rheinische Tuffe)
stark gelockerte Bereiche, entstanden durch Verwitterung (bei quellfähigen Natursteintypen wie zum Beispiel Schilfsandsteinen)
subkrustale Lockerzonen, meist entstanden durch anthropogen bedingte Verwitterung (Saurer Regen)

Durch den Einbau so genannter „Weichsegmente“ konnten in den 1990er Jahren elastifizierte KSE-Steinfestiger für die strukturelle Festigung dieser Problemzonen entwickelt werden. Die bei der Reaktion der klassischen Festiger entstehenden inneren Spannungen werden abgebaut; größere Kieselgelbrücken entstehen. Mit dieser Festigergeneration ist die Konsolidierung von Natur aus stark poröser sowie stark geschädigter Gefüge möglich. Positiver Nebeneffekt ist ein gegenüber klassischen Festigern günstigeres Spannungs-/Dehnungsverhalten des Materials.

Elastifizierte Festiger können zudem zu weiteren Aufgaben herangezogen werden: Wenn die verwitterten Natursteinoberflächen etwa Risse in Dimensionen aufweisen, die mit Steinfestigern alleine nicht geschlossen werden können, kann man elastifizierte Festiger mit möglichst hoher Gelabscheidungsrate mit mineralischen Schweb- und Füllstoffen modifizieren, um Injektionsmörtel, Hinterfüllmassen und Anböschmörtel herzustellen. Vor Ort werden dann nach dem Baukastenprinzip auf den modifizierten Steinfestiger abgestimmte Zuschläge eingemischt. Mit den resultierenden Materialien gelingt die Wiederherstellung des kraftschlüssigen Verbundes von Schalen und Krusten zum Untergrund ohne die sonst unvermeidlichen Schichtgrenzenprobleme zwischen der Lockerzone und dem unverwitterten Stein.

Der zweite Teil der Serie zur Natursteinrestaurierung und -konsolidierung erscheint in der bauhandwerk 5.2013.

Autoren

Jens Engel ist Produktmanager Fassade, Dr. Markus Boos ist Leiter der Forschung und Entwicklung für den Bereich Bauten und Fassadenschutz – Flüssigprodukte bei der Firma Remmers Baustofftechnik in Löningen.

bauhandwerk

Serie

 

Konsolidierung und Restaurierung von Natursteinen

Teil 1

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