Modellprojekt für Sinnesbehinderte
Mitten in Weimar liegt das rund 2,5 ha große Areal „Altes Zöllnerviertel“, das in den 1920er-Jahren
entstand. Im ersten Bauabschnitt wurden von Mai bis August 2014 drei von sechs Gebäuden auf der Schwabestraße saniert von denen eines innen mit TecTem Insulation Board Indoor gedämmt wurde.
Zum Bestand des Alten Zöllnerviertels gehören zwei Schulen und zwei Kindergärten aus den 1960er- und 1970er-Jahren, die im Besitz der Stadt Weimar sind, sowie eine Villa aus dem Jahr 1900 und acht Wohngebäude aus den 1920er-Jahren, sechs davon an der Schwabestraße, die der Weimarer Max-Zöllner-Stiftung gehören. Für die Objekte in ihrem Besitz ist die Stiftung Bauherr. „Im Jahr 2004 hat die Stiftung die Immobilien von der Stadt zurückübertragen bekommen. Seitdem haben wir daran gearbeitet, das Areal im Sinne unserer Stiftung umzugestalten“, sagt Geschäftsführer Martin Mölders. Es sollten Wohnungen entstehen, die besonders für die Bedürfnisse von Blinden oder Gehörlosen geeignet sind, denen sich die Stiftung besonders verpflichtet fühlt. „Diese Wohngebäude galt es, unter der Maßgabe des Denkmalschutzes, aber auch der Barrierefreiheit sowie größtmöglicher Energieeffizienz zu sanieren“, so Mölders weiter.
Die sechs denkmalgeschützten Häuser an der Schwabestraße sind technisch auf dem gleichen Stand: Entstanden zwischen 1920 und 1925 aus verputztem Ziegelmauerwerk, die Mansard- beziehungsweise Walmdächergedeckt mit Tonziegeln. Die Geschosse verfügen über Holzbalkendecken, die Kellerdecken sind Betondecken mit Stahlträgern und Ziegeleinlage. Kein Haus war energetisch ertüchtigt, einige standen leer oder hatten Feuchteschäden. Die Folge: immenser Sanierungsbedarf. So herausfordernd dieser Status Quo für den Besitzer war, boten die Gebäude gleichzeitig auch eine interessante Chance: Schließlich sind sie faktisch baugleich – und bilden so eine ideale Plattform für ein Modellprojekt. Verschiedene Innendämmsysteme können so im Langzeitversuch getestet und auch miteinander verglichen werden.
Die gesamte Entwicklung des Alten Zöllnerviertels wird im Rahmen der Forschungsinitiative „EnEff:Stadt“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert. Angefangen mit der Erstellung eines Energiekonzepts von Juli 2010 bis Juni 2013, befindet sich das Projekt nun in der Umsetzungsphase, die bis 2016 geplant ist. Die wissenschaftliche Betreuung der energetischen Wohngebäudesanierung wird vom Institut für Bauklimatik der TU Dresden übernommen, das sich um das Dämmkonzept und die anschließende dritte Projektphase, das längerfristige Monitoring, kümmert.
Wohnraum für Sinnesbehinderte
Die Sanierungsplanung hat das Büro Sigma Plan Weimar übernommen, das schon seit längerer Zeit mit der Max-Zöllner-Stiftung zusammenarbeitet. Torsten Bude ist Gesellschafter des Büros und leitet das Projekt: „Mit dem Bauen für Sinnesbehinderte haben wir schon Erfahrungen gemacht. Eine der besonderen Herausforderungen war es jedoch, diese in Einklang mit der alten Bausubstanz und den neuen Dämmsystemen zu bringen.“ So war zum Beispiel die Beheizung der neun, zwischen 50 und 90 m2 großen Wohnungen nicht mit einer Fußbodenheizung möglich, da dadurch die durchgängige Barrierefreiheit beeinträchtigt worden wäre. „Aufgrund der relativ kleinen Grundrisse waren auch Wandheizungen schwierig, so dass wir uns letztlich für Deckenstrahlplatten entschieden haben“, so Bude.
Zu den weiteren Besonderheiten, die den adäquaten Wohnraum für Sinnesbehinderte ausmachen, zählen etwa Klingelanlagen mit Kameras, eine erhöhte Anzahl von Steckdosen und Rauchmeldern sowie optische und haptische Leitsysteme sowohl in den Häusern als auch in den Außenanlagen. Um größtmögliche Energieeffizienz zu erreichen und gleichzeitig den Erfordernissen des Forschungsprojekts gerecht zu werden, wurde außerdem eine kontrollierte Wohnraumlüftung eingebaut. „Besonders interessant war für uns als Büro aber die Detailplanung und Umsetzung der Innendämmung im Bereich der alten Holzbalkendecken“, erzählt Torsten Bude. „Wir haben in Haus Nummer 11 intensiv mit TecTem gearbeitet und durch das Innendämmsystem einen echten Know-how-Zuwachs erhalten.“
Dämmsystem mit vielen Vorteilen
Je nach Wand und Anforderung wurden verschiedene Dämmdicken im Gebäude verbaut. Mit der technischen Umsetzung war die wir-bauen-aus Ltd. aus Pössneck beauftragt, die mit bis zu vier Trockenbauern vor Ort war. „Besonders wichtig war die höchstmögliche Präzision bei den Arbeiten“, erzählt deren Projektleiter Frank Mehlhorn. Die jeweiligen Vorgaben zu den Dämmdicken kamen direkt von den Wissenschaftlern der TU. So führte das Team die Innendämmung der Außenwände im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss mit 100 mm TecTem Dämmplatten aus, während im zweiten Obergeschoss und an der Zwerchgiebelfront 80 mm dicke Dämmplatten zum Einsatz kamen.
Die Mitarbeiter der wir-bauen-aus Ltd. legten zuerst die alte Bausubstanz vollständig frei. Um die Platten optimal zu montieren, ist ein ebener Untergrund nötig. Deshalb wurde im nächsten Schritt der zum System gehörende Grundputz aufgebracht. Nach dem vollständigen Durchtrocknen des Ausgleichputzes erfolgte dann die Montage der Dämmplatten: Dazu wurde der zum System gehörende diffusionsoffene Klebespachtel vollflächig auf die Platten aufgetragen und mit einer Zahntraufel durchkämmt. Anschließend setzten die Handwerker die Dämmplatten in waagerechten Reihen im Verband mit einem Mindestversatz von 20 cm an. Dabei achteten sie darauf, dass die Dämmplatten dicht gestoßen wurden und kein Kleber in die Fugen gelangte. „Die Handhabung des Materials ist einfach. Stücke können leicht mit dem Fuchsschwanz gesägt werden“, erzählt Frank Mehlhorn. „So konnten wir auch kleinteiligere Flächen, wie etwa Fenstergauben, gut bearbeiten.“
Zur Verbesserung der Haftfähigkeit behandelten die Handwerker die gesamte Fläche mit Grundierung vor. Nach Trocknung der Grundierung, in der Regel nach drei Stunden, konnten die sie mit der Armierung beginnen. Sie trugen den zum System gehörenden Innenputz in Bahnenbreite des Gewebes auf. Danach durchkämmten sie das Material mit der Zahntraufel. Anschließend legten sie Gewebe ins obere Drittel des Putzes in Bahnen mit 10 cm Überlappung ein und überzogen die Fläche noch einmal dünn mit Innenputz. Da der Bauherr eine geglättete Oberfläche für Haus 11 wünschte, brachten die Handwerker als Oberputz die zum System gehörende Glätte, einen mineralischen Feinputz auf Kalkbasis, auf. So ergibt sich eine Wand aus konsequent mineralischen, diffusionsoffenen Baustoffen. Das Resultat: eine effiziente, natürliche und gleichzeitig feuchtigkeitsregulierende Innendämmung mit entsprechend positiven Auswirkungen auf das Raumklima.
Die weiteren Arbeiten umfassten in der Schwabestraße 11 etwa die Dämmung der obersten Geschossdecke mit Einblasdämmung zwischen Deckenheizung und Decke. Die Ziegeldecke über dem Kellergeschoss wurde mit 90 mm mineralischem Dämmstoff WLG 035 und einer Dampfbremse oberhalb der Ziegeldecke sowie 60 mm Tektalan Deckendämmung von Knauf Insulation unterhalb der Decke energetisch ertüchtigt.
Das verkabelte Haus
Während der Dämmarbeiten waren regelmäßig die Wissenschaftler der TU Dresden auf der Baustelle an der Schwabestraße. Schließlich galt es, umfangreiche Sensorik zu installieren und zu vernetzen. „Wir haben Temperatursensoren, Temperatur-Luftfeuchte-Sensoren und Wärmestromplatten für die Erfassung des Wärmedurchgangs eingebaut“, erklärt Andreas Söhnchen vom Institut für Bauklimatik (IBK). „Die Sensoren befinden sich auf den Innen- und Außenoberflächen der Außenwände, aber auch zwischen der Dämmung und dem Ausgleichsputz“, so Söhnchen weiter. Desweiteren gibt es an jedem Fenster Kontakte, die genau die Öffnungszeiten und Öffnungsdauer registrieren und somit auch das Nutzerverhalten in die Auswertung einbeziehen. Außerdem wurden Zähler für die Erfassung der Energiebedarfswerte wie Warmwasser und Heizwärme sowie Netzwerktechnik für die Datenerfassung und -übermittlung installiert.
Um gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, ist eine Betrachtung über mehrere Jahre hinweg nötig. „Das liegt zum Beispiel an der Restfeuchte im Haus nach dem Umbau, die erst austrocknen muss, aber auch an Schwankungen im Nutzerverhalten oder Abwesenheitszeiten wie etwa Urlauben, die erst langfristig erfasst werden müssen“, so Andreas Söhnchen.