Modern gestalten mit Lehmputzen

Genau wie Kalk wird Lehm seit Urzeiten zum Bauen verwendet. Seit sich das Material als Lehmputz mit durchgängiger Qualität und einfachen Arbeitsmethoden verarbeiten lässt, ist es bei uns als ökologisch nachhaltiges Material gefragt.

Während Ton ein natürlicher verwitterter Feldspat ist, besteht Lehm aus einem Ton-Sand-Gemisch. Der Baustoff wurde jahrhundertelang verwendet, weil man ihn einfach und billig bekommen konnte, und weil seine Verarbeitung kein allzu großes Geschick erforderte.

Heute ist Lehm vor allem wegen seiner guten bauphysikalischen und ökologischen Eigenschaften beliebt. Im Vergleich zum Brennen von Kalk, Gips und Zement wird Lehm nicht durch energieintensive Verfahren behandelt. Die aufwändige Art des Anmischens und Auftragens von Lehmputz ist überholt. Optimal aufeinander abgestimmte Lehm-Sand-Verhältnisse und angepasste Sieblinien ermöglichen die Verarbeitung des Baustoffs als maschinentaugliches Putzsystem. Lehmputz bindet nicht ab, sondern verfestigt sich allein durch die Abtrocknung des Anmachwassers.

Baustoffe aus Ton und Lehm

Vom Ton- beziehungsweise Lehmgehalt und von der Konsistenz der Stoffe hängt ab, wie man sie nutzen kann.

Ton-Sand-Gemische mit 5-6 Prozent Tongehalt sind kaum für Putz verwendbar

Magerlehme mit 12-15 Prozent Tongehalt eignen sich für Stampf-/Lehmputz

Fette Lehme mit 20-30 Prozent Tongehalt eignen sich für Lehmsteine/Grünlinge

Ab 25 Prozent Tongehalt eignet sich Lehm für die Ziegelherstellung

Ton für Töpferarbeiten hat einen Tonanteil von mindestens 50 Prozent.

Kaolin (reiner weißer Ton) ist geeignet für die Porzellanherstellung

 

Gestaltungsmöglichkeiten

Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als man Lehm für kleine Putzflächen in Fachwerk-Katen oder wulstige Lehmwickelwände verwendete, kann man mit Lehmputzen heute modern gestalten. Die feinen und/oder farbigen Lehmputze lassen sich nach kurzem Antrocknen filzen oder glätten oder mit so genannten Effektzuschlägen wie Stroh, Perlmutt und Glimmer optisch aufwerten. Der Baustoff lässt sich aber auch mit Hilfe von Schwamm und Pinsel, Bürste oder Rolle bearbeiten, so dass besonders strukturierte Oberflächen entstehen. Lehmputze sind in der Regel aus Lehm oder Tonrohstoffen hergestellt, denen Sande unterschiedlicher Körnung, aber keine verarbeitungsverbessernde Zusatzmittel beigegeben werden.

 

Verarbeitung und Anwendung

Lehmputze lassen sich auf fast allen Untergründen und Mauerwerksarten aufbringen. Dabei haftet der Lehmputz am Untergrund ausschließlich durch mechanische Verkrallung. Eine chemische Reaktion im Lehmputz, wie man sie von anderen Putzmaterialien kennt, findet nicht statt. Die Untergrundvorbehandlung sollte auf den jeweiligen Putzgrund abgestimmt werden. Bei Hochlochziegelmauerwerk wird beispielsweise mit Lehmhaftschlämme vorgeschlämmt, wobei ein erhöhter Tonanteil in der Haftschlämme für die bessere Verbindung von Untergrund und Grundputz sorgt.

Nach der Untergrundvorbehandlung wird der grobe Lehmgrundputz in die mattfeuchte Lehmhaftschlämme in einer Dicke von 10 bis 15 mm eingearbeitet. Die Grundputzschicht wird mit der Kartätsche abgezogen, die Oberfläche für den späteren Feinputzauftrag entsprechend aufgeraut.

Anschließend muss der Lehmgrundputz gut durchtrocknen, damit er seine Festigkeit ausbilden kann. Nur wenn der Trocknungsvorgang vollständig abgeschlossen ist, können schwindrissfreie Oberflächen sichergestellt werden. Grundsätzlich sollte bei einer Unterputzauftragsstärke von 15 mm eine Standzeit von vier Wochen kalkuliert werden. Je nach Umgebungsbedingungen verlängert sich die Austrocknungszeit gegenüber herkömmlichen Putzsystemen auf Basis von Gips beziehungsweise Kalk und Zement von einem Tag pro mm Putzdicke auf zwei bis drei Tage. Die Austrocknungsgeschwindigkeit bei Lehmputz ist von der Raumluftfeuchte abhängig. Deshalb sollte man generell eine künstliche Entfeuchtung mit Kondensationstrockner einplanen.

Getrockneter Lehmputz ist mit Wasser immer wieder neu mischbar. Deshalb sollte er nicht im direkten Spritzwasserbereich von Duschen und Waschbecken eingesetzt werden. Oberhalb des Fliesenspiegels kann man Lehmputz in Sanitärräumen jedoch durchaus verwenden.

Gewebe sind überall dort erforderlich, wo sie auch beim Arbeiten mit Kalkputzen eingesetzt werden, also beim Materialwechsel im Untergrund. Bei nichtsaugenden Untergründen wie beispielsweise altem Klinkermauerwerk schaffen gerade Schilfrohrputzträgermatten eine gute Haftgrundlage für den Lehmputz.

Lehm reguliert das Raumklima

Weil der Baustoff die sogenannten Dreischicht-Tonmineralien enthält, reguliert Lehmputz das Raumklima stärker als andere Baumaterialien. Durch das Vermögen eines tonigen Lehmes schon bei einer Lehmputzschicht von 2 cm bis zu fünfmal mehr Feuchtigkeit aufzunehmen als herkömmliche Kalkzement- oder Gipsputze, stellt sich eine optimale und schwankungsarme Raumluftfeuchte ein. Je größer die Schichtdicken sind desto größer ist die Gesamtspeicherkapazität. Dies macht sich besonders positiv in Verbindung mit einer Wandheizung bemerkbar.

 

Lehmputz für eine Schule in Luxemburg

Ein Schulprojekt in Luxemburg-Hamm wurde nach ökologischen Gesichtspunkten mit einem Energieverbrauch von 28 kWh/Jahr und m² geplant und ausgeführt. Das Gebäude wurde mit einer kontrollierten Lüftung sowie Wärmerückgewinnung versehen. Dabei hat man berücksichtigt, wie viel Energie das Gebäude im Betriebszustand benötigt, aber auch, wie die globale Energiebilanz im Bezug auf den Primärenergiebedarf der eingesetzten Baumaterialien aussieht.

Mit diesen Vorgaben entwarf das Architekturbüro Witry & Witry aus Echternach, Luxemburg ein kompaktes, hochwertig gedämmtes Gebäude in Holzkonstruktion, dessen große Glasflächen sich nach Süden orientieren. Dies erlaubte den Transmissionswärmeverlust der Fassadenelemente zu reduzieren.

Ein zentraler Baukörper, der das Schulgebäude entlang der Längsache in Schulbereich und Foyer unterteilt, wurde in optischer Anlehnung an Stampflehmwände in Hochlochziegel-Bauweise gebaut und mit mindestens 20 mm maschinengängigem Lehmputz beschichtet. Grund für die massive Bauweise war die Absicht, eine relativ hohe inerte Masse zu schaffen, die in der Lage ist, Temperaturschwankungen durch Wärme- und Kältespeicherung ganzjährig auszugleichen. Das Zusammenspiel von Pflanzen, gebrannten Ziegeln und Lehmputz reguliert die Raumluftfeuchte ganz natürlich.

Ecken und Kanten wurden möglichst abgerundet gearbeitet, was bei der Verwendung von Lehmputz generell sinnvoll ist. Das Glätten der Lehmputzoberfläche führt zu einer weitaus besseren Oberflächenfestigkeit durch das Ineinanderschieben und miteinander Verpressen der Tonplättchen im Lehmputz und gleichzeitig zu einem marmorierenden Farbspiel in der Lehmputzoberfläche. Um diesen Effekt zu erreichen, wird die mattfeuchte Lehmputzoberfläche mit Hilfe einer möglichst kleinen Glättkelle, der so genannten venezianischen Traufel glatt gerieben.

Die Lehmputzoptik weicht ab von der Gleichmäßigkeit gestrichener Flächen. Die Wolkigkeit ist typisch für Lehmputzoberflächen, die dadurch lebendig wirken. Um diese Oberflächenoptik in ihrer Natürlichkeit zu erhalten und Lichtreflexionen je nach Tages- oder Kunstlichteinfall zu unterstreichen, wird durch Einsprühen mit verdünnter Wasserglaslösung eine Erhöhung der Abriebfestigkeit der Lehmputzoberfläche erreicht. Dies ist vor allem an stärker beanspruchten Flächen, etwa in öffentlichen Gebäuden, in Kindergärten oder Fluren, empfehlenswert.

Lehmputze lassen sich auf fast allen Untergründen und Mauerwerken aufbringen

Verdünnte Wasserglaslösung erhöht die
Abriebfestigkeit des Lehmputzes

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