Putzfimmel?Reinigung von Wandanstrichen: Wunsch und Realität
Sieben Jahre ist die DIN EN 13 300 nun schon alt, welche die Kriterien für die Einteilung von Wandfarben regelt. Mit der grundlegenden Überarbeitung dieser Norm sollte damals unter anderem eine „Überbetonung von Ansprüchen“ vermieden werden. Doch genau diese Ansprüche sind in der Praxis nun doch eingetreten: Im deutlichen Gegensatz zur Normzielsetzung hat sich in den vergangenen Jahren eine neue „Glaubensgemeinschaft“, nämlich die der Wandreiniger, etabliert ...
Die Wandreiniger glauben, dass alle Arten von Verschmutzungen und Flecken von Wandfarben der Nassabriebklasse 1 entfernt werden können. Und zwar auch dann, wenn es sich bei diesen Anstrichen um stumpfmatte Wandfarben handelt. Diese stumpfmatten Innenfarben mit der Nassabriebklasse 1 tauchen in den vergangenen Jahren vermehrt im Markt auf. Nach dem Motto „das Bessere ist des Guten Feind“ wird der Eindruck erweckt, dass derartige Beschichtungsstoffe notwendig sind und echte Vorteile gegenüber Wandfarben der Nassabriebklasse 2 bieten. Nur wird leider viel zu selten hinterfragt, wo denn der tatsächliche Nutzen dieser hoch abgebundenen Innenwandfarben liegt, und es werden zwei total unterschiedliche Eigenschaften von Wandfarben fälschlicherweise gleichgesetzt: die Nassabriebklasse und die Reinigbarkeit. Die „Glaubensgemeinschaft“ der Wandreiniger unterstellt, dass mit einer optimalen Nassab-riebklasse zwangsläufig auch eine gute Reinigbarkeit einhergeht. Ist das tatsächlich so?
Optionale Prüfung
Die DIN EN 13 300 fordert an keiner Stelle eine definierte Reinigbarkeit von Wandfarben. Sie erwähnt lediglich im Anhang, dass Beschichtungsstoffe nach ihrer „Reinigungsfähigkeit“ eingeteilt werden können. Da diese „Reinigungsfähigkeit“ nach der gleichen Norm geprüft wird, die auch das Prüfverfahren für die Nassabriebbeständigkeit festlegt, ist hier vermutlich die Ursache für die Gleichsetzung von Reinigbarkeit und Nassabriebbeständigkeit zu suchen. Während die Bestimmung und Kennzeichnung der Nassabriebbeständigkeit zur Normerfüllung notwendig sind, bleibt die Prüfung der Reinigbarkeit eine freiwillige Prüfung, die im Einzelfall vereinbart werden kann. Sie mag in bestimmten Fällen sinnvoll sein, wenn es beispielsweise um objektspezifische Verunreinigungen und deren Entfernung geht; aufgrund der Prüfdauer (ein kompletter Monat) wird diese spezielle Prüfung jedoch eher selten durchgeführt.
Fakt ist, dass eine Beschichtung mit hoher Nassabriebbeständigkeit, zum Beispiel Klasse 1 (Schichtdickenabnahme < 5 µm bei 200 Scheuerzyklen), mehr Reinigungsversuche zulässt als das bei Anstrichstoffen der Klassen 2 oder 3 der Fall ist. Bewertet wird bei der normierten Prüfung jedoch nicht, ob die Reinigung zum Erfolg, also zur sauberen Fläche, führt ...
Einteilung nach der
Nassabriebfestigkeit
Die Einteilung von Beschichtungsstoffen nach der Nassabriebbeständigkeit ist sinnvoll und sagt auch etwas über die Qualität des Beschichtungsstoffes aus. Falsch ist nur, eine hohe Nassabriebbeständigkeit mit einer guten Reinigbarkeit gleichzusetzen. Hier werden häufig die stumpfmatten Wandfarben der besten Nass-abriebklasse überbewertet.
Die Forderung der Auftraggeber nach matten, belastbaren und abwaschbaren Flächen kann nur bedingt erfüllt werden. Selbst wenn sich eine Verunreinigung entfernen lässt, bleibt eine glänzende Stelle zurück, die insbesondere auf glatten Flächen und im Streiflicht deutlich erkennbar ist. Zu hohe Erwartungen führen hier zu der eingangs erwähnten „Überbetonung von Ansprüchen“, die im Sinne der Norm aber vermieden werden könnte, wenn der Handwerker im Gespräch mit dem Kunden einige Grundsätze beachtet:
• Beschichtungsstoffe können keine Fliesen ersetzen
• stark beanspruchte Bereiche, wie Sockelflächen in Fluren und Treppenhäusern, können langfristig gut aussehen und gut reinigbar sein, wenn sie lackiert werden. Für die Belastbarkeit der verschiedenen Bautenlacktypen kann absteigend von folgender Reihenfolge ausgegangen werden: 2 K-Lack lösemittelhaltig, Alkydharzlack, 2 K-Lack wasserverdünnbar, Acryllack
• glänzende Innendispersionen (Latexfarben) haben in der Regel eine hohe Nassabriebbeständigkeit. Von ihnen lassen sich Verschmutzungen, die als Schmier-
filme auf der Beschichtung aufliegen, weitestgehend entfernen; das gilt nicht unbedingt für einzelne Flecken
• Innendispersionen mit mittlerem Glanz verhalten sich ähnlich wie die Vorgenannten, können sich jedoch bei der Reinigung aufpolieren und anschließend Glanzscheckigkeiten aufweisen
• matte Innendispersionen und auch Innensilikatfarben sind – unabhängig von ihrer Nassabriebklasse – nur bedingt reinigbar, da die Verunreinigungen stärker in den Beschichtungsfilm einwandern und der Aufpoliereffekt hier deutlicher sichtbar ist
Für den Fachmann ist es empfehlenswert, wenn eine matte Beschichtung der Nassabriebklasse 2 oder 1 gefordert wird, nachzufragen, welche Eigenschaften der Auftraggeber von diesem Material erwartet. Ein solches aufklärendes Vorgespräch hilft, um späteren Enttäuschungen vorzubeugen und eventuell von vornherein ein geeigneteres Material einzusetzen. Gleiches gilt auch, wenn „waschbeständig“ oder „scheuerbeständig“ gefordert wird.
Fazit
Die Nassabriebbeständigkeit ist nicht gleichzusetzen mit einer Reinigbarkeit. Bei Beschichtungsstoffen der Nass-abriebklassen 1 und 2 wird während des Scheuervorgangs nur sehr wenig Farbe abgetragen – ähnlich wie seinerzeit bei den als „scheuerbeständig“ bezeichneten Materialien. In Klasse 3 eingestufte Anstrichstoffe verhalten sich ähnlich wie die als „waschbeständig“ klassifizierten Innendispersionsfarben: hier wird mehr Farbe abgetragen. Für den deutschen Markt sind die Klassen 4 und 5 nicht von Bedeutung. Wenn man die Nass-abriebbeständigkeit als Qualitätsmaßstab annehmen möchte, dann kann davon ausgegangen werden, dass der Bindemittelanteil der Klassen 1 und 2 höher ist als in den niedrigeren Klassen. Bindemittelreichere Innenwandfarben können in der Regel häufiger überstrichen werden und weisen ein schwächeres Saugvermögen auf, was ein zu schnelles „Anziehen/Antrocknen“ bei Folgeanstrichen verhindert. Stumpfmatte Innenwandfarben der Nassabriebklasse 1 lassen keine erkennbaren Vorteile gegenüber denen der Klasse 2 erwarten, wenn sie im Wohn- oder Bürobereich eingesetzt werden. Ihre Bedeutung liegt eher bei Spezialanwendungen, beispielsweise in Reinräumen der Computerchipfertigung, wo der geringe Materialabtrag bei der Reinigung im Vordergrund steht und Glanzstellen nicht als optische Beeinträchtigung angesehen werden.