Röntgenblick ins Haus
Richtiger Kauf und richtige Anwendung einer Thermografiekammera
Thermografiekameras orten Wärmebrücken, schimmelgefährdete Stellen, schlecht gedämmte Dächer oder Fassaden. Fallende Preise machen sie auch für das Bauhandwerk immer interessanter. Wir sagen, was man beim Kauf und Einsatz der Kameras beachten sollte.
Thermogramme, so die korrekte Bezeichnung für Thermografie-Aufnahmen, sind zu einem Synonym für energiebewusstes Bauen und Sanieren geworden. Wärmebrücken an der Hausfassade, in den Heizkörpernischen, an Fenstern, Fensterbänken oder Rollladenkästen, an Haustüren oder am Dach kommen auf dem Display einer Thermografiekamera besonders gut zur Geltung. Sieht der Kunde bei Außenaufnahmen „rot“, bedarf es für den Handwerker in der Regel keiner weiteren Argumentation für Wärmedämm-, Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten. Kein Wunder also, dass einige Betriebe die Thermografie als Akquisewerkzeug einsetzen. Doch „rot“ ist nicht immer gleich „schlecht“. Materialien oder Umgebungsbedingungen können das Messergebnis verfälschen, weshalb die Aufnahme und Interpretation von Thermogrammen Expertenwissen voraussetzt. Andernfalls kann man schnell die falschen Schlüsse ziehen.
IR-Kameras in der Bauwerksanalyse
Sinnvoller als für die Auftragsakquisition lassen sich Thermografiekameras – auch Wärmebild-, Infrarot- oder kurz IR-Kameras genannt – in der Bauwerks-
analyse einsetzen: Mit der Kamera aufgespürte Wärmebrücken sind gleichzeitig meist auch Schallbrücken und Kondensationsnester für Feuchtigkeit, was wiederum die Ursache für Schimmelpilzbefall sein kann. Im Zusammenhang mit der Differenzdruck-Messung (BlowerDoor) können Fugen und Luftundichtigkeiten sichtbar gemacht werden – etwa bei Bauteilübergängen, Fassaden-, Fenster- oder Türanschlüssen. Im Mauerwerk verborgenes Fachwerk kann ebenso erkannt werden, wie durchfeuchtete, oder im Laufe der Jahre in sich zusammengefallene Wärmedämmungen. Sogar Leitungslecks lassen sich orten und so Sanierungsarbeiten eingrenzen. Dem „Röntgenblick“ einer Thermografiekamera entgeht fast nichts.
Wie Thermografiekameras funktionieren
Jeder Körper mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes (-273,15° C oder 0 K) sendet Wärme- oder Infrarotstrahlung aus. Je wärmer ein Gegenstand ist, desto mehr Infrarotstrahlung geht von ihm aus. Die Thermografiekamera setzt diese Infrarotstrahlung in Bilder um. Dabei wird die emittierte Infrarotstrahlung von einer speziellen Optik auf den so genannten Detektor fokussiert. Die dort eingegangenen Informationen übersetzt eine Sensorelektronik in ein Bild, dass schließlich auf einem LCD-Monitor abgebildet wird. Die Abbildung enthält neben grafischen auch radiometrische Informationen (also auf der Messung elektromagnetischer Strahlung beruhende Daten), so dass für jeden Punkt exakte Temperaturwerte abgefragt und mit Hilfe spezieller Software weitere Informationen, wie der Taupunkt, ausgewertet werden können. Die unterschiedlichen Farben in den Thermogrammen stellen die Oberflächentemperaturverteilung entsprechend einer meist im Bild enthaltenen Temperaturskala dar. Bereiche mit höheren Temperaturen sind als gelbe, rote oder weiße Flächen dargestellt. Kältere Bereiche sind grün, blau oder schwarz.
Thermografie ist keine Digitalfotografie
Thermografie ist ein „bildgebendes Messverfahren“ für Fachleute. Der professionelle Einsatz von Thermografiekameras erfordert Know-how, das spezielle Schulungen voraussetzt. Schließlich haben Hausbesitzer nichts davon, wenn sie nur „bunte Bilder“ sehen. Thermogramme müssen korrekt beurteilt, interpretiert und erläutert werden, damit sie auch Nutzen bieten. Dazu müssen diverse Faktoren wie Temperaturunterschiede, Sonneneinstrahlung, materialspezifische Emissionsfaktoren, Windgeschwindigkeit oder thermische Spiegelungen an glatten Fassadenoberflächen usw. berücksichtigt und richtig eingeschätzt werden. Aber auch Normen wie die DIN EN 13 187 (Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Qualitativer Nachweis von Wärmebrücken in Gebäudehüllen – Infrarot-Verfahren) sind wichtig. Zugleich sind Kenntnisse aus den Bereichen Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Materialkunde und nicht zuletzt der Bautechnik erforderlich. Außerdem braucht man praktische Erfahrung und manchmal auch kriminalistischen Spürsinn. Denn was auf den ersten Blick wie eine Wärmebrücke aussieht, muss nicht zwingend eine sein und kann andere Ursachen haben. Auch die Umgebungsbedingungen müssen stimmen: So hat die Bauthermografie nur in der Heizperiode „Saison“, da die Temperaturdifferenzen zwischen Innen und Außen mindestens 10 Grad betragen sollten.
Kameratechnik: Worauf man beim Kauf achten sollte
Zu den wichtigsten Kamera-Parametern zählen die Bilddaten: die radiometrische Auflösung gibt an, in wie viele Pixel in X- und Y-Richtung der Detektor die von der Optik erfassten Daten auflösen kann. Dieser Wert sollte dem entsprechen, was radiometrisch erfasst wird und darf nicht mit der Auflösung des Kamera-Displays verwechselt werden. Das Sehfeld gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der eingebauten Optik an. Der Spektralbereich definiert die von Infrarotkameras erfasste Strahlung, die im Wellenlängenbereich etwa zwischen 7 und 14 µm liegt. Ebenso essentiell wie die Bilddaten ist der bei der Messung erfasste Temperaturbereich, der bei Bauthermografie-Kameras meist zwischen -20° und +250° Celsius beträgt. Ein zweiter wichtiger Wert für die Qualitätseinordnung einer Kamera ist deren Temperaturempfindlichkeit, der so genannte NETD-Wert. Er gibt in Kelvin (K) die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor noch erfasst werden kann. Je kleiner dieser Wert ist (0,1 K und kleiner), desto geringer ist die Gefahr des so genannten Bildrauschens. Die Messgenauigkeit wird in Prozent bei 30 °C angegeben, weil sie mit hohen oder niedrigen Temperaturen abnimmt. Die Messfunktionen sagen etwas darüber aus, was radiometrisch mit der Kamera ausgewertet werden kann: Isothermen, der Minimal- und Maximalwert gehören zu den Standards, eine Taupunktberechnung bieten dagegen nur wenige Kameras. Die in der Regel aus Germanium-Linsen bestehende Optik sollte möglichst wahlweise eine manuelle oder automatische Fokussierung ermöglichen. Optionale Objektive erweitern die Einsatzmöglichkeiten der Kamera. Vor allem Weitwinkelobjektive sind für die Aufnahme von Gebäuden in beengten räumlichen Situationen wichtig. Im internen Speicher sollten möglichst viele Bilddaten abgelegt werden können. Mit einem (zusätzlichen) Wechselspeicher ist man vor Ort flexibler. Zusatzfunktionen wie ein Laserpointer oder eine Digitalkamera vereinfachen die Lokalisierung des aktuellen Messpunktes, oder ermöglichen die Überlagerung und den Vergleich von Tageslicht- und Infrarotfotos. Beim Gehäuse sollte auf kompakte Abmessungen, ein geringes Gewicht und „Baustellentauglichkeit“ geachtet werden. Zum Standardzubehör sollte ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, ein Koffer sowie Auswertungssoftware gehören.
Welche Kamera für wen geeignet ist
Die „Richtige“ findet man, wenn man vorher auflistet, was man alles damit tun will und was man von ihr erwartet. Handwerker stellen andere Anforderungen als zum Beispiel Gutachter. Während für Handwerker teilweise auch niedrige Bild- und Temperaturauflösungen (160 x 120 = 19 200 Bildpunkte beziehungsweise 0,1 Kelvin) und damit auch preiswerte Einsteigermodelle ausreichen, müssen Gebäudeenergieberater, Sachverständige, Gutachter oder Bauphysiker deutlich „schärfer“ sehen – mindestens vier Mal so scharf! Hier beginnen vernünftige radiometrische Auflösungen bei mindestens 320 x 240 = 76 800 Bildpunkten, was dem vierfachen Wert entspricht. Die Temperaturempfindlichkeit sollte um die 0,05 Kelvin liegen. Damit kann man auch kleine Temperaturunterschiede erkennen und bauphysikalischen Problemen schneller und gezielter auf den Grund gehen. Während Einsteigerkameras bereits ab 1000 Euro zu haben sind, muss man für Profimodelle deutlich tiefer in die Tasche greifen – zwischen 10 000 und 50 000 Euro.
Wer eine teure Thermografiekamera kauft, sollte sie möglichst intensiv nutzen. Ist ein Winter warm, bleibt meist nur eine kurze Nutzungsdauer von 3 bis 4 Monaten. Für Gelegenheitsnutzer stellt sich deshalb die Frage nach Alternativen zum Neukauf. Neben der Miete oder einem Mietkauf besteht die Möglichkeit, Dienstleister zu beauftragen oder Gebrauchtgeräte zu kaufen. In der Regel bewegen sich Mietgebühren zwischen 150,- und 500,- Euro pro Tag. Die Preise für wenige Jahre alte Gebrauchtgeräte liegen zwischen 20 und 50 Prozent unter dem Neupreis, abhängig vom Kameramodell. Nicht vergessen sollte man die Notwendigkeit einer Schulung, die auch Zeit und Geld kostet (Basisschulung 2 bis 5 Tage: 500 bis 1500 Euro, Zertifizierungskurse 5 Tage: 2000 Euro).
Was man bei Dienstleistern beachten sollte
Investitionen und Schulungen entfallen, wenn man sich für eine Thermografiedienstleistung entscheidet. Die Kosten dafür hängen vom Leistungsumfang, vom Messobjekt und der Aufgabenstellung ab. Deshalb sollte man sich ein Angebot von einem zertifizierten Dienstleister unterbreiten lassen. Im Angebot enthalten sein sollten die Anfahrt, Spesen, die Arbeitszeit und Gerätetechnik, alle Materialkosten sowie die nachvollziehbare Auswertung und ausführliche Dokumentation der Thermogramme. Die Zertifizierung von Thermografen nach DIN 54 162 unterscheidet drei Qualifizierungsstufen. Danach können nur Personen, die nach Stufe zwei (oder drei) zertifiziert sind, thermografische Messungen eigenständig durchführen. Bei der Auswahl des Dienstleisters sollte man auf seine Qualifizierung, den angebotenen Leistungsumfang und die Qualität des Thermografieberichts achten. Dieser sollte folgendes enthalten: Auftraggeber, Auftragnehmer, Teilnehmer, Klimadaten (Innen-/Außentemperatur, Wetter, Sonneneinstrahlung, Wind usw.), Objektdaten (Adresse, Gebäudetyp, Lageplan mit Himmelsrichtung, Konstruktionsweise und Materialien der Gebäudehülle, Gebäudealter, gegebenenfalls Renovierungsarbeiten, Heizsystem), Kameradaten (Hersteller, Kameramodell, technische Daten), Bildinformationen zu jedem Thermogramm (Datum und Aufnahmezeit, Farbskala, Emissionsfaktoren usw.), das jeweils durch ein Digitalkamerafoto ergänzt werden sollte. Basisinformationen, Hinweise unter anderem zur Zertifizierung, Richtlinien findet man beim Bundesverband für angewandte Thermografie im Internet unter www.vath.de
Literatur
Fouad, N.A./Richter T.: Leitfaden Thermografie im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2009.
Tanner, Ch.: Baudokumentation – Infrarotaufnahmen von Gebäuden, Thermografie Verband Schweiz, Neuhausen 2009.
Wagner, H.: Thermografie – Sicher einsetzen bei der Energieberatung, Bauüberwachung und Schadensanalyse, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 2011.
Autor
Dipl.-Ing. (Architektur) Marian Behaneck ist freiberuflicher Fachautor in Jockgrim, mit zahlreichen Veröffentlichungen zu den Themen Hardware, Software und IT im Baubereich.
Mit einer Thermografie-Kamera sieht man tief in die Bauphysik und Konstruktion eines Hauses hinein
Tabelle: Kameras im Vergleich
Hier finden Sie eine Tabelle mit einem Kameravergleich mit Modellen von Flir für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis