Tautes Heim
Restaurierung eines Reihenendhauses von Bruno Taut in der Berliner Hufeisensiedlung

Die zu Beginn dieses Jahres abgeschlossene Restaurierung eines von Bruno Taut 1930 entworfenen Reihenendhauses ist mustergültig. Mehr noch: Als Ferienhaus ermöglicht das in seiner Farbigkeit wieder hergestellte Baudenkmal innerhalb der Berliner Hufeisensiedlung eine Zeitreise zu den Wurzeln der Moderne.

Bruno Taut (1880-1938) gehört zu den wichtigsten deutschen Architekten des vergangenen Jahrhunderts. Er war es, der 1925 in Berlin-Britz die so genannte Hufeisensiedlung entwarf. Dieses Zeugnis des „Neuen Bauens“ ist so bedeutend, das es 2008 – 70 Jahre nach Tauts Tod – zusammen mit weiteren von ihm entworfenen oder maßgeblich beeinflussten Berliner Siedlungen in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Die UNESCO begründete ihre Entscheidung mit dem starken Einfluss, den die Siedlung als ganz neue Form des sozialen Wohnungsbaus auf die Entwicklung von Architektur und Städtebau hatte.

 

Denkmalgerechte Restaurierung eines
Relikts der Moderne

Aus der Luft sieht die Siedlung tatsächlich wie ein Hufeisen aus, in dem sich über 1000 Wohnungen befinden. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass es neben der Form des Hufeisens Ketten aus zahlreichen Reihenhäusern gibt – 679, um genau zu sein. Diese hat ebenfalls Bruno Taut entworfen. Eines der 1930 entstandenen Reihenendhäuser haben Katrin Lesser und Ben Buschfeld mit einer schier unglaublichen Liebe zum Detail denkmalgerecht restauriert. Seit Mai dieses Jahres kann man in dem als Ferienhaus genutzten Relikt der Moderne übernachten (www.tautes-heim.de) und in einem echten Original mit stilgerechter Einrichtung eine Zeitreise unternehmen sowie sich dabei an den in alten Handwerkstechniken sorgsam ausgeführten Oberflächen erfreuen.

Was die Bauherren im Frühjahr 2010 bei einer ersten Besichtigung vorfanden, hatte allerdings wenig mit dem fein hergerichteten Ferienhaus zu tun, das man nun in der Gielower Straße in Berlin-Britz antrifft. Aber trotzdem: „Als wir das damals ziemlich heruntergekommene, zum Verkauf stehende Reihenendhaus erstmalig betraten, waren wir begeistert davon, wie viel Originalsubstanz hier noch vorhanden war – bis auf einen mittlerweile aus Beständen der Siedlung wieder neu aufgebauten Kachelofen und ein bis zwei Fenstergriffe eigentlich alles“, meint Designer Ben Buschfeld, der mit seiner Frau, der Landschaftsarchitektin Katrin Lesser, seit 15 Jahren in der Hufeisensiedlung lebt und viele der Häuser auch von innen kennt.

 

Auf der Suche nach dem farbigen Original

Die eigentliche Arbeit begann im Inneren des Hauses mit der Suche nach der farbenfrohen Erstfassung von 1930. Bruno Taut gilt als „Meister des farbigen Bauens“. Daher konnte man einiges an Farbe unter den Tapeten, Latexfarben und PVC-Fliesen erwarten, welche die Vorbesitzer an die Wände geklebt hatten. Erstaunt waren die in Sachen Denkmalpflege erfahrenen Bauherren ebenso wie die Restauratorinnen, die sie mit einem Farbgutachten betraut hatten, über die vereinzelt rot abgesetzten Streben des Treppengeländers und die blaue Küchendecke. Die Farbbefunde blieben als Fenster in die Anstrichgeschichte des Hauses erhalten. Die neue Farbfassung der Zimmer wurde anhand des Farbgutachtens festgelegt. Mit diesem in der Hand trugen die Maler zunächst eine Schicht Soloprim von Keim auf, um den Untergrund und noch vorhandene Leimfarbenreste zu binden. Die Putzgrundierung erfolgte mit Dolomitspachtel desselben Herstellers. „Gut, dass wir Testflächen angelegt haben, denn von der Körnung des Putzes geht eine starke räumliche Wirkung aus“, meint Ben Buschfeld. Die gröbere Körnung verkleinerte die Räume optisch, weshalb sich die Bauherren für eine feine Körnung entschieden. Auf die so vorbereiteten Oberflächen trugen die Maler Mineralfarben von Keim auf.  

Wiederherstellung eines Steinholzbodens

In der Küche entdeckten die Bauherren einen zu Beginn des 20. Jahrhunderts typischen Steinholzboden. Dieser war stellenweise aufgequollen und rissig. Fritz Beikler, ein gestandener Handwerksmeister aus Ulm, der sich mit Steinholzböden bestens auskennt, guckte sich den Küchenfußboden genau an und ließ den Bauherren ein Rezept für Steinholzböden da. Diese versuchten damit die Risse zu kitten. Doch der Boden war nicht mehr zu retten. Letztendlich stemmte man den alten Steinholzboden heraus. Fritz Beikler reiste erneut aus Ulm an, diesmal mit einem Gehilfen, um den Boden neu zu verlegen. Sein Rezept besteht hauptsächlich aus Sägespänen und Zement. Die tiefrote Farbe erhält der Steinholzboden durch Eisenoxidpulver. Für die Aushärtung sorgt ein Cocktail aus Salzen, die Handwerksmeister Beikler zum Teil eigens aus den Niederlanden kommen ließ. Dieses Gemisch brachte er zusammen mit seinem Gehilfen in erdfeuchter Konsistenz einige Zentimeter dick mit der Kelle auf einer Schicht aus feucht verdichteten Sägespänen auf. Sauber mit dem Richtscheit abgezogen, entsteht eine erstaunlich glatte Fläche. Als der Boden schließlich zu drei Vierteln fertig und die Bauherren damit absolut zufrieden waren, fand Herr Beikler die Oberfläche und Farbe doch nicht so ganz gelungen und riss den Boden komplett wieder heraus, um ihn mit seinem Gehilfen erneut zu verlegen. „Wie auch die anderen Handwerksbetriebe, war Herr Beikler unglaublich sorgfältig. Eine ziemliche Fummelarbeit war auch die Hohlkehle, die sie einfach mit einem Stück Gartenschlauch herstellten“, erinnert sich Buschfeld.      

 

Denkmalgerechte Flachdachdämmung

Energetisch saniert wurde lediglich das Dach. „Da mussten wir was machen“, so Buschfeld. Kein Wunder, denn das minimal geneigte Pultdach (eigentlich schon ein Flachdach) besteht aus Beton – nur aus Beton. So konnten die Dachdecker unter den vier bis fünf Lagen alter Bitumenpappe auch keinerlei Dämmung finden. „Das Teuerste am Dachdecken war die Entsorgung der alten Bitumenbahnen“, sagt Buschfeld. Auf dem wieder zum Vorschein gekommenen Rohbeton des Flachdaches verlegten die Handwerker eine 8 cm dicke Hartschaumdämmung, die sich zum Dachrand auf einer Breite von 40 cm auf 2,5 cm in Form eines Dämmkeils verringert. Das letzte Stück bis zur Traufe führten die Handwerker mit einer 20 cm breiten, ebenfalls keilförmigen Bohle aus, die sich in ihrer Dicke von 2,5 cm auf rund 1 cm verringert. Auf diese Weise ist das Dämmpaket auf dem Dach nicht zu sehen, egal aus welcher Position man auf das Haus blickt. „Das ist die erste denkmalgerechte Dämmung eines Betonflachdaches innerhalb der Siedlung“, meint Buschfeld.

Fenster und Fazit

Die vorhandenen Kastenfenster funktionieren aus energetischer Sicht dagegen einwandfrei. Zur Verbesserung der Winddichtigkeit frästen die Tischler in die alten Holzfenster lediglich eine Lippendichtung in die Innenflügel ein. Natürlich bedurften die Fenster einer neuen Lackierung. Diese führten die Handwerker innen weiß, außen jedoch blau und schwarz aus. Auch mussten viele Scheiben neu eingekittet und auf der Wetterseite so mancher Wetterschenkel erneuert werden.    

Da es für die Arbeiten keine Fördermittel gab, ist die Vermietung des auch im Stil der 1930er Jahre möblierten Kleinods als Ferienhaus für Architekturliebhaber quasi das Geschäftsmodell zu einer Art privatem Museumsbau. Katrin Lesser und Ben Buschfeld hoffen, die durch die Restaurierungsarbeiten entstandenen Kosten mit Hilfe der Vermietung zu refinanzieren. „Aber auch wenn wir das je schaffen sollten, bleibt wohl eine große Portion Liebhaberei dabei“, so Ben Buschfeld.

 

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

Der Steinholzboden besteht zur Hälfte aus Sägespänen und zur anderen Hälfte aus Zement

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