Vom Gebetssaal zum Wohnzimmer
Restaurierung der Farbfassung in einer ehemaligen Synagoge in Wiesenbronn

Die Synagoge in Wiesenbronn wurde nach dem 2. Weltkrieg zum Wohnhaus umgebaut. Ein erneuter Eigentümerwechsel führte 2010 dazu, dass der ehemalige Gebetsraum als solcher wieder hergestellt und als Wohnzimmer genutzt werden kann. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag dabei auf der Restaurierung der Farbfassung.

Die ersten vereinzelten Juden lebten in Wiesenbronn in Unterfranken nachweislich im 16. Jahrhundert. Aber erst am Anfang des 18. Jahrhundert entwickelte sich eine eigenständige jüdische Gemeinde, die 1718 im Ort die erste Synagoge erbaute. Synagogen haben für eine jüdische Gemeinde unterschiedlichen Nutzen. So wird in ihnen nicht nur Gottesdienst gehalten, sondern es finden auch Versammlungen in weltlichen Angelegenheiten und die Unterrichtung der Juden statt. In den ländlichen Regionen wurden Synagogen meist so errichtet, dass Bedienstetenwohnungen an- beziehungsweise eingebaut wurden. Diese erste Synagoge wurde aber bereits Ende des 18. Jahrhunderts, aufgrund von Baufälligkeit und einer stark gewachsenen jüdischen Gemeinde abgerissen und durch ein größeres Gebäude ersetzt. Anstelle des alten Gebäudes errichtete man in den Jahren 1792 und 1793 einen zweigeschossigen Massivbau mit Mansarddach, im für diese Zeit typischen Baustil des Klassizismus. Im Erdgeschoss befanden sich eine kleine Wohnung, die Mikwe (das rituale Tauchbad) und ein für Männer und Frauen getrennter Aufgang in den Gebetssaal. Das Ober- und Mansardgeschoss wurde als Gebetsraum genutzt. In den folgenden Jahren wuchs die Anzahl der Juden in Wiesenbronn und verzeichnete in der ersten Hälfte des 19. Jahrunderst ihren höchsten Stand. Mit der Einführung der Niederlassungs-, Handels- und Gewerbefreiheit zog ein Großteil der jüdischen Landbevölkerung in Großstädte. So auch in Wiesenbronn, dass zum Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Drittel seiner jüdischen Gemeinde verloren hatte. Da in einem jüdischen Gottesdienst mindestens 10 Männer anwesend sein müssen, fanden ab den 1920er Jahren hier keine regelmäßigen Gottesdienste mehr statt. Mit der Naziverfolgung der Juden kam es 1938 zu einer Selbstauflösung der Gemeinde Wiesenbronn. Die Synagoge wurde nach jüdischem Brauch säkularisiert und dann an einen christlichen Nachbarn verkauft. Dieser baute es nach dem Krieg zu einem Wohnhaus um.

Das heutige Gebäude

Durch den Umbau zum Wohnhaus nach der Säkularisierung wurde das Gebäude den neuen Nutzerbedürfnissen angepasst. Im Erdgeschoss des Hauses liegt ein zentraler Flur mit vier angrenzenden Räumen, die vom Flur aus direkt zugänglich sind. Im Raum rechts neben dem Eingang lässt sich noch die für eine Synagoge typische und wichtige Mikwe erahnen. Das Obergeschoss unterteilt sich derzeit in zwei Räume, die über einen Anbau erreicht werden. Der größere der beiden Räume bildet den alten Gebetsraum, der ursprünglich bis ins Mansarddach offen war. Im Zuge der Umnutzung wurde seinerzeit hier zwischen Ober- und Mansardgeschoss eine Decke eingezogen. Im westlichen Teil schließt ein kleinerer Raum an, der vermutlich früher für zwei gesonderte Treppenaufgänge genutzt wurde. Von hier aus gelangten die Männer durch den einen Treppenaufgang in den Gebetsraum und die Frauen durch den anderen auf die sich über diesen Raum befindliche Empore im Mansardgeschoss.

Die Restaurierung des Gebetsraumes

Als die Familie Hüßner 2005 die ehemalige Synagoge erwarb, bekam das Gebäude Hausherren, die sich diesem Objekt mit voller Liebe und Hingabe widmeten. Im Zuge umfangreicher Archivarbeit durch die Bauherren und durch baugeschichtliche Forschungen verschiedener Restauratoren und Kunsthistoriker konnten viele Details zum Gebäude genau geklärt werden, aber wie in jedem alten Haus gab uns auch die Synagoge in Wiesenbronn Rätzel auf. So bleibt nicht eindeutig geklärt, ob der Gebetsraum einst mit einer Tonnendecke versehen war.

Auch die Familie Hüßner wird dieses Gebäude als privates Wohnhaus nutzen. Bei allen auszuführenden Arbeiten ist es den Bauherren ein Anliegen, historische Substanz zu erhalten sowie historische Baumaterialien und Arbeitstechniken einzusetzen. Eine Besonderheit ist der Wunsch, den ehemaligen Gebetsraum als solchen zurückzubauen und als Wohnzimmer zu nutzen. Im September 2009 wurde ich schließlich mit der Farbfassungen beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt war die Decke zwischen dem Dach und dem Gebetssaal bereits entfernt. Zu Beginn meiner Arbeiten musste ein Restaurierungskonzept entwickelt und mit den zuständigen Behörden sowie den Bauherren und Planern abgestimmt werden. Die Ziele waren die Konservierung der noch vorhandenen Farbfassungen im Mansardgeschoss und der Decke sowie die Rekonstruktion der gesamten Wandfassung und der Fehlstellen im Dachbereich. Bevor jedoch die Ausführung der geplanten Arbeiten im Herbst 2010 beginnen konnte, mussten noch Teilbereiche, wie die Fenster, in ihren originalen Zustand rückgebaut werden.

Im ersten Arbeitsschritt wurden alle zuvor nicht fachgerecht ausgeführten Putzarbeiten zurückgearbeitet. Die so entstandenen Putzfehlstellen sowie die Risse und schadhaften Stellen wurden im Anschluss mit einem trocken gelöschten Kalkputz (Baustellenmischung) verputzt. Um vorhandenen Farbfassungen nicht zu schädigen muss man darauf achten, nicht über die Randbereiche hinaus zu verputzen. Die großflächigen Verputzarbeiten führte die Firma Restauration Rudolf aus. Nachdem dieser Arbeitsschritt vollständig abgeschlossen war, folgte eine Reinigung und Festigung der Farbfassung. Für optimale Ergebnisse legte ich im Zuge der Erarbeitung des Restaurierungskonzeptes Probeflächen an. Bei der Auswahl der Materialien achten wir darauf, dass ausschließlich Produkte zum Einsatz kammen, die den heutigen restauratorischen Anforderungen entsprechen. Das beste Ergebnis zur Reinigung konnte mit Hilfe von weichen Freilegepinseln und Trockenreinigungsschwämmen erzielt werden. Für die optimale Festigung der Fassungen eignete sich ein Gemisch aus Zelluloseleim (Klucel E) und Alkohol (Ethanol). Im Anschluss an diese Vorarbeiten begannen wir mit dem Retuschieren der Fehlstellen. Da die historische Fassung in Leimfarben ausgeführt ist, kam auch für uns nur eine Retusche mit Leimfarbe in Frage. Da die Bauherren später diesen Raum täglich nutzen werden und gerne eine optisch geschlossenes Fassung haben möchten, bei der die Retuschen erst bei genauerem Betrachten erkennbar ist, erfolgte die Ausführung als Flächenretusche in jeweils der Umgebung entsprechendem, leicht hellerem Farbton. Für größere Fehstellen im Bereich der Schablonenmalereien wurden die Ornamente mit transparentem Papier abgenommen und neue Schablonen erstellt. Diese dienten der Rekonstruktion der Fassung, die ebenso in entsprechend helleren Farbtönen ausgeführt wurde.

Für die Wandfassungen kam nur eine Rekonstruierung in Frage, da diese durch frühere Umnutzungen des Gebäudes nur noch fragmentarisch erhalten war. Das genaue Erscheinungsbild ermittelte man durch eine Befunduntersuchung. Die exakte Einteilung und Gliederung wurde für die spätere Rekonstruktion dokumentiert. Um den Bauherren, Behörden und Planern einen ersten Eindruck vom gesamten Erscheinungsbild zu geben, fertigten wir eine Farbskizze an. Ebenso wie für die Farbfassung im Dachbereich verwendeten wir für die Fassung der Wandflächen eine Leimfarbe.

Nachdem die Arbeiten an den Wandfassungen weitestgehend abgeschlossen waren, wurde ein viergliedriger Holzdielenboden nach historischem Vorbild verlegt. Die ehemaligen Treppenaufgänge rekonstruierte man nicht wieder, da sie für die zukünftige Nutzung keinerlei Bedeutung hätten und nur unnötig Platz rauben würden. Die Empore erreicht man in Zukunft über eine Treppe im ehemaligen Gebetsraum. Derzeit steht noch die Rekonstruktion der Emporenbrüstung beziehungsweise -verkleidung an.

Autorin

Constance Schröder ist als Kirchenmalermeisterin und geprüfte Restauratorin im Maler- und Lackiererhandwerk bei der Firma Kramp & Kramp in Lemgo tätig.

Für die Festigung der Farbfassungen verwendete die Restauratorin ein Gemisch aus Zelluloseleim und Alkohol

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