Restaurierung des Meisterhauses Kandinsky/Klee in Dessau abgeschlossen
Galt es bei der im Jahr 2000 abgeschlossenen Instandsetzung des Meisterhauses Kandinsky/Klee in Dessau das Erscheinungsbild des Gebäudes wiederherzustellen, so lag der Fokus bei der Mitte April dieses Jahres abgeschlossenen Restaurierung auf der Farbfassung im Inneren vor Auszug der Bauhaus-Meister.
Innenraumaufnahmen
Fotos der Räume im Meisterhaus finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Zeitschrift bauhandwerk.
Das Meisterhaus Kandinsky/Klee ist eine besondere baukünstlerische Leistung, weil es durch die Zusammenarbeit der drei Bauhaus-Meister Walter Gropius, Paul Klee und Wassily Kandinsky entstand. Gropius kümmerte sich um die Architektur, Klee und Kandinsky – durchaus im Gegensatz zu den Vorstellungen von Gropius – um die farbige Innengestaltung ihrer jeweiligen fast spiegelgleichen Haushälften. Denn die Meisterhäuser waren als Doppelhäuser angelegt. Dies entsprach der Idee einer Serienfertigung und Typisierung von Wohnhäusern. Dieser synthetische Baugedanke wirkte sich natürlich auch auf die Wahl der Baustoffe und Bauteile aus. Zum Mauern verwendeten die Handwerker seinerzeit Jurko-Steine. Das sind 30 bis 100 cm breite, aus Zement, Schlacke und Sand gepresste Platten, die ein Handwerker gerade noch allein vermauern konnte. Anschließend wurde das Jurko-Mauerwerk mit Kalk verputzt – eine insgesamt preiswerte Bauweise. Und auch an die Energieeffizienz hatte Gropius in Dessau damals schon gedacht und zum Beispiel auf dem Flachdach eine Wärmedämmung aus Torfoleum (gepresster, imprägnierter Torf) verlegen lassen – einem der ersten industriell gefertigten Dämmstoffe überhaupt. Schon beim ersten realisierten Gebäude des Bauhauses, dem drei Jahre zuvor in Weimar nach Plänen des Bauhaus-Meisters Georg Muche fertig gestellten Haus am Horn, kamen diese beiden Materialien (Jurko-Stein und Torfoleum) zum Einsatz (siehe auch folgender Beitrag in diesem Heft). Ganz zu Recht gehört das gesamte Ensemble der Meisterhäuser an der Dessauer Ebertallee seit 1996 zum UNESCO Welterbe, weil es beispielhaft für die Architektur des Bauhauses ist.
Restaurierung zum Bauhaus-Jubiläum abgeschlossen
Die im Jahr 2000 abgeschlossene Instandsetzung nach Planung von Pfeiffer Architekten aus Berlin in Zusammenarbeit mit der Codema International GmbH stellte zunächst das grundsätzliche Erscheinungsbild des Meisterhauses wieder her. So wurden zum Beispiel die kleinteilig geschlossenen Atelierfenster entfernt und die ursprüngliche Verglasung wiederhergestellt. Da das Gebäude nach Abschluss der Instandsetzung als Museum genutzt werden sollte, musste andererseits ein Durchgang zwischen beiden Haushälften geschaffen werden, um einen Rundgang zu ermöglichen. Die für die museale Nutzung erforderliche Klimaanlage fand in den ehemaligen Bädern und WCs Platz.
Weil die Planer und Handwerker bei der Instandsetzung vor 20 Jahren ganz im Sinne der Denkmalpflege behutsam mit dieser Bauhaus-Ikone umgegangen waren, war der Zustand der Originalsubstanz aber immer noch ausgesprochen gut. „Dieser Aspekt hat uns sehr schnell ja sagen lassen“, sagt Prof. Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, und meint damit, dass die Stiftung die Mitte April dieses Jahres abgeschlossene Restaurierung als Bauherrin und Geldgeberin übernommen hat. Denn wegen seiner gut erhaltenen Bausubstanz ist das Meisterhaus für die Präsentation des Bauhauserbes von besonderer Bedeutung.
Zuvor hatten jährlich rund 100 000 Besucher das Museum im Meisterhaus besucht. Das hatte nach 15 Jahren im Gebäude Spuren hinterlassen: Macken im Putz und auf den Böden, fleckige Wände und viele weitere Schäden waren zu sehen. Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum des Bauhauses sollte nun die am Ende rund 1,5 Millionen Euro teure denkmalgerechte Instandsetzung abgeschlossen sein. Deren Planung lag nunmehr unter maßgeblicher Beteiligung des Ateliers Schöne für die Restauratorische Fachplanung in Händen des Berliner Büros Brenne Architekten.
Die neuere Instandsetzung begann abermals mit Sanierungsarbeiten: Das Flachdach wurde saniert, die Maueröffnung, die die Wohnzimmer der beiden Haushälften mit einander verband, geschlossen und die Klimaanlagen ausgebaut. Durch letztere sind die WCs mit zeitgemäßen Sanitärmöbeln nun wieder nutzbar. Bei den Sanierungsarbeiten an der Fassade hat man sich auf das unbedingt Notwendige beschränkt und den alten Kalkputz gefestigt und nur stellenweise ausgebessert. Auch der Sockel aus Betonwerksteinplatten blieb erhalten, obwohl dieser für die Feuchteschäden am Putz verantwortlich war. Hier kam
Sanierputz zum Einsatz, der eine hohe Wasserdampfdurchlässigkeit aufweist.
Leitschicht bestimmt „Auszugsfassung“
Abschließend erhielt die Fassade einen neuen Kalkanstrich, wodurch das Gebäude von außen – wie von Gropius geplant – schlicht weiß geblieben ist. Im Inneren herrscht nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten dagegen wieder eine Farbigkeit mit zum Teil krassen Kontrasten – vor allem in der von Wassily Kandinsky gestalteten Haushälfte. Bis 1933 änderten Klee und Kandinsky die Farbfassung in ihren Häusern immer wieder. Die Farbpalette der beiden Bauhaus-Meister bestand dabei aus über 100 Farbtönen. „Ziel war natürlich nicht, dass alles schön bunt ist, sondern, dass wir der Bedeutung des Hauses entsprechend das Authentische herausarbeiten“, sagt Professor Philip Kurz.
Nach dem Auszug der beiden Bauhaus-Meister übernahmen die Junkerswerke 1933 das Haus. Den neuen Bewohnern gefiel die in ihren Augen „entartete Kunst“ überhaupt nicht. Daher erhielten die farbigen Wände und Decken 1933 unauffällige gelblich graue, teils helle grünliche Anstriche, wodurch die Farbfassung darunter konserviert wurde – ein bauarchäologischer Glücksfall, entstand auf diese Weise doch eine Leitschicht, unter der die authentische Farbfassung in Spuren erhalten blieb, als Klee und Kandinsky aus dem Meisterhaus ausziehen mussten, mit anderen Worten eine „Auszugsfassung“. Diese galt es im Zuge der Restaurierung wiederherzustellen.
Zu Besuch in einem Gemälde
„Die bei der Instandsetzung Ende der 1990er Jahre tätigen Kollegen haben die Auffassung vertreten, die gealterten und damit farbveränderten Töne zu streichen, wie sie sie gesehen haben,“ sagt der mit den Voruntersuchungen und der restauratorischen Fachplanung beauftragte Restaurator Peter Schöne. „Zum Glück hatten die Restauratoren-Kollegen die Oberflächen vorab denkmalfreundlich mit Teefilterpapier abgedeckt und die neuen Nutzschichten damals darauf aufgebracht“, so Schöne weiter. Nachdem die Farbschichten von vor 20 Jahren samt dem Teefilterpapier an kleineren Befundfenstern entfernt waren, um Materialproben der Originalfarben für mikrochemische Analysen entnehmen zu können, konnten die über 100 Farbtöne ermittelt und anhand der historischen Pigmentzusammensetzung wiederhergestellt werden. Ein archäometrisches Labor in Dresden fand heraus, dass Kreide und Lithopone (ein Weißpigment aus Bariumsulfat und Zinksulfid) damals als Hauptpigmente für das Weiß als Grundfarbton verwendet wurden. Anhand der Befunde und akribischer restauratorischer Untersuchungen konnte durch das Atelier Schöne ein restauratorisches Farbkonzept erstellt werden, dass ganz genau festlegte, wie mit welcher Oberfläche umzugehen ist, ohne dabei die Altersspuren zu überfassen.
Für einen geringen und schonenden Umgang mit dem Bestand und den historischen Befunden führten die Handwerker und Restauratoren eine Egalisierung der Oberflächen und eine Überholungsbeschichtung aus. Manche Wände reparierten sie punktuell, andere erhielten hingegen einen vollflächigen Überzug mit einer hauchdünnen Putzschicht, die größere Nutzungsspuren aus vergangenen Zeitschichten trotzdem noch erkennen lässt. „Auch zeitlich jüngere Spuren von Veränderungen haben wir mit in das Restaurierungskonzept einbezogen, es sei denn, sie zeigen Bau- beziehungsweise Ausführungsfehler. Eine pauschale Egalisierung der Oberflächen hätte die Nutzungsspuren und den handwerklichen Charakter zerstört und wäre sicher nicht im Sinne des Bauhauses gewesen“, erklärt Winfried Brenne. Um diese reversible Rekonstruktion der historischen Haptik und Farbgestaltung mit allen Projektbeteiligten abzustimmen, wurden vor Ausführung der Arbeiten Musterflächen angelegt. Erst danach konnten die vorhandenen Befundfenster der Farbschichten gesichert und überdeckt und schließlich mit den eigentlichen Restaurierungsarbeiten begonnen werden.
Hierzu richtete sich Restaurator Peter Schöne mit seinem Kollegen Henry Krampitz im Meisterhaus eine laborartige Werkstatt ein, in der er die für die Restaurierungsarbeiten erforderlichen Pflanzenleimfarben mit Pigmenten und Füllstoffen vor Ort mischte. „Füllstoffe braucht man, damit der Anstrich überhaupt Masse bekommt. Bei den Pigmenten haben wir versucht, uns der historischen Zusammensetzung weitgehend anzunähern“, sagt Restaurator Schöne. „Kleinigkeiten und Nuancen machen am Ende sehr viel im Gesamtbild aus“, ergänzt sein Kollege Henry Krampitz. Daher wurde auch jeder Farbton an der Wand unter Abgleich der benachbarten Farbflächen betrachtet. Auch die Fußböden spielen in diesem Zusammenhang für die farbliche Wirkung der Räume eine wichtige Rolle. Sie bestehen zum Teil aus farbigem Triolin, einem Kunststoff aus Nitrocellulose, Füllstoffen und Geliermitteln auf einem Hanffasergewebe, das man damals gern als Ersatz für das seinerzeit sehr teure Linoleum als Bodenbelag verwendete. Das „billige“ Triolin war trotz langer Nutzung in manchen Räumen noch flächendeckend in einem vergleichsweise guten Zustand vorhanden. An Stellen, an denen man bei der Instandsetzung vor 20 Jahren an den bauzeitlichen Fußböden Ausbesserungen vorgenommen hatte, wurde altes Triolin wieder eingefügt. „Dies war erforderlich, um den Raumeindruck zu harmonisieren und eine Annäherung an das bauzeitliche Erscheinungsbild zu schaffen“, erklärt Winfried Brenne.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es bei einer derart aufwändigen Auseinandersetzung mit der Farbgestaltung und Farbwirkung auch auf ein darauf abgestimmtes Beleuchtungskonzept ankommt. Denn natürlich gilt auch hier: Keine Farbe ohne Licht. „Manches Gelb wirkt bei falscher Beleuchtung braun“, meint Professor Jan Blieske von der Fakultät Gestaltung der Hochschule Wismar, der gemeinsam mit seinen Studenten das Beleuchtungskonzept für das Meisterhaus entwickelt hat. Verwendet werden in den runden Opalglasleuchten über eine App steuerbare LEDs. So ist es in Anlehnung an das eher schwache und warme Licht einer Glühbirne möglich, in den Räumen eine bauzeitliche Lichtatmosphäre zu schaffen. Über die App lässt sich aber auch eine Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur einstellen, wie sie nach heutiger Sehgewohnheit als angemessen empfunden wird.
Metallische Wandoberflächen bei Kandinsky
Bei Wassily Kandinsky findet sich eine kräftige Farbigkeit in Gelb, Rot und Schwarz. „Klees Farbigkeit ist viel milder“, meint Restaurator Schöne. Selbst Gold, beziehungsweise etwas, das man auf den ersten Blick für Gold halten könnte, findet sich in Kandinskys Haushälfte. Tatsächlich handelt es sich um Schlagmetall aus einer Messinglegierung, die eine ähnliche Wirkung wie Gold hat. Reste der Messinglegierung waren an Ort und Stelle nachweisbar. In der Literatur zum Meisterhaus gibt es einen Hinweis zu einer „Goldoberfläche“ hinter dem Ofen. Dieser war zusammen mit der metallischen Fläche zudem auf einem Schwarzweißfoto zu sehen und auch eine Rasterung der Fläche in 12 x 12 cm große Quadrate – ein sicherer Hinweis auf Schlagmetall, denn Blattgold hätte man mit einer Rasterung von 6 x 6 cm oder 8 x 8 cm aufgebracht. Das Schlagmetall hatten die Maler bereits bei der ersten Restaurierung Ende der 1990er Jahre ähnlich wie bei einer Ölvergoldung auf dem klebrigen Untergrund angelegt. Im Zuge der aktuellen Restaurierung musste es nur punktuell ausgebessert werden.
Ganz anders verhält es sich mit den silbernen Wänden im Schlafzimmer von Nina Kandinsky. „Unter dem Teepapier waren zwar noch Reste einer Silberbronze verborgen. Die war aber in einem derart schlechten Zustand, dass wir uns dazu entschlossen haben, die Wandflächen komplett mit fein geriebenem Aluminiumpulver zu erneuern“, sagt Peter Schöne. Um 1900 verwendete man so etwas bereits für Heizkörper, als Wandbeschichtung war dies aber auch damals neu. Die Handwerker sicherten die Reste der „Silberbronze“, indem sie über die Originalschicht einen hauchdünnen Putz als Opferschicht und Grundlage für die neue Beschichtung zogen. Auf diese trugen sie das mit einem reversiblen Bindemittel versehene Aluminiumpulver in einem speziellen Spritzverfahren auf. „Nur so erzielt man mit einem derartig schwierig zu verarbeitenden Material eine weitgehend homogene Oberfläche“, erklärt Restaurator Schöne.
Fazit
Durch die Mitte April dieses Jahres abgeschlossene Restaurierung bleibt das Meisterhaus nicht nur als Erbe des Bauhauses erhalten und damit im Gedächtnis der Gesellschaft verankert, sondern wird als begehbares Gemälde selbst zum Ausstellungobjekt, in dem der Besucher viel darüber erfährt, wie die beiden Bauhaus-Meister gelebt und gearbeitet haben, und wie unterschiedlich ihr Gestaltungswille, ihre kulturellen Wurzeln und Lebensmodelle waren. Dass dies überhaupt möglich ist, dafür sorgt die blassfarbene Tünche von 1933. Sicher hatten die Nazis damit nicht beabsichtigt, die von ihnen als „entartete Kunst“ betrachtete Farbgestaltung von Wassily Kandinsky und Paul Klee für die Nachwelt zu erhalten. Tatsächlich wurde dadurch aber die letzte Farbfassung als „Auszugsfassung“ konserviert und anschließend hervorragend restauriert.
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg, www.wuestenrot-stiftung.de
Eigentümer/Nutzer Stiftung Bauhaus Dessau, www.bauhaus-dessau.de
Architekt Brenne Architekten, Berlin, www.brenne-architekten.de
Projektsteuerung Büro Knappheide, Wiesbaden, www.knappheide.eu
Lichtplanung blieske architects lighting designers, Berlin, www.blieske.de
Restauratorische Fachplanung Atelier Schöne, Halle, www.schoene-restaurator.de
Maurerarbeiten Bauunternehmen Norman Jahn, Oranienbau-Wörlitz, www.bauunternehmen-normanjahn.com
Rückbauarbeiten Kluge Sanierung, Berlin, www.kluge-sanierung.de
Putz- und Malerarbeiten Maler- und Kirchenmalermeister Lutz Senninger, Pirna, http://kirchen maler-sachsen.de
Nüthen Restaurierungen,Ulrich Nüthen, Erfurt, www.nuethen.de
Bodenbelagsarbeiten Atelier für Restaurierung Keller & Linke, Berlin
Tischlerarbeiten Firma Reinicke, Dessau-Roßlau, www.reinicke-tischlerei.de