Wohnen statt WerkenUmbau einer Remise zum Wohnhaus mit Büro in Potsdam
Wohnraum in der Stadt ist knapp, aber beliebter denn je. Eine große Wohnung, die wie bei einem Neubau genau den eigenen Vorstellungen entspricht, ist daher kaum zu finden. Es sei denn man schaut sich in den Hinterhöfen der Gründerzeithäuser mit ihren Remisen und Werkstätten mal genauer um, findet und kauft eine nicht mehr genutzte Remise und baut diese, wie der Potsdamer
Architekt Peter Neideck, zu drei Wohnungen und einem Architekturbüro um.
Zu den repräsentativen Vorderhäusern einer gründerzeitlichen Blockrandbebauung gehören häufig auch Höfe mit an das Vorderhaus angeschlossenen, niedrigeren Werkstattgebäuden oder Remisen. Da an die Werkstätten der Handwerker inzwischen weitaus höhere Anforderungen gestellt werden als früher, stehen diese Gebäude heute oftmals leer oder wurden zugunsten eines großzügigen Gartens im Blockinneren bereits abgerissen. Dass man einen solchen Bau aber auch heute noch adäquat nutzen kann – nämlich als Wohnhaus mit Büro – zeigt der Architekt Peter Neideck mit dem Umbau einer Remise in Potsdam-Babelsberg.
Damit folgen der Architekt und die Bauherrin Hilke Würdemann dem in den letzten Jahren immer stärker gewordenen Trend zum Wohnen in der Stadt – gerade auch mit Familie. So gehört Babelsberg zu den beliebtesten Stadtteilen Potsdams: Es zeichnet sich durch eine vorwiegend historische Bebauung, viel Grün und eine gute Infrastruktur aus. Hier eine Wohnung für eine vierköpfige Familie und die Mutter der Bauherrin zu finden, war somit kein leichtes Unterfangen. Da bot sich der Umbau der zuletzt im Obergeschoss von einer Werbeagentur genutzten Remise als gute Möglichkeit, bei der Architekt und Bauherrin obendrein ihre modernen Vorstellungen vom Wohnen inmitten eines historisch gewachsenen Quartiers umsetzen konnten.
Ausgangssituation
Die aus zwei Gebäudeteilen bestehende, nicht unterkellerte Remise diente ursprünglich einer Tischlerei als Werkstatt mit einem Holzlager im Obergeschoss. Der ältere Teil (Haus 1) ist im Westen an das Vorderhaus angebaut und entstand in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Der daran anschließende Gebäudeteil (Haus 2) stammt aus den 1920er Jahren und unterscheidet sich in Konstruktion und Gestaltung von Haus 1: Statt einer Holzbalkendecke kam hier eine Stahlsteindecke des Systems Kleine, bestehend aus Stahlträgern, bewehrten Hohlziegeln und Aufbeton, zum Einsatz. Die Fenster erhielten Flachstürze statt Segmentbögen wie beim älteren Gebäudeteil. Die Dachlasten in Haus 1 werden über drei Pfetten in ein sichtbares Ständerwerk eingeleitet; in Haus 2 bleibt die Dachkonstruktion mit drei als Hängewerk ausgebildeten Bindern über einer Holzbalkendecke verborgen. Beiden Gebäudeteilen gleich sind die Außenwände aus 24 cm dickem Ziegelmauerwerk mit Pfeilervorlagen von 12,5 cm. Da die Gebäude an drei Seiten auf den Grundstücksgrenzen stehen, sind die Außenwände im Westen, Norden und Osten als Brandwände ausgebildet, so dass sich eine einseitige Orientierung nach Süden ergibt.
Entkernung und Sanierung
Nach der Grundstücksteilung verkaufte der Sanierungsträger Stadtkontor GmbH, der auch das der Stadt Potsdam gehörende Vorderhaus verwaltet, die Remise an Hilke Würdemann. Diese zog daraufhin mit ihrer Familie provisorisch in das aufgrund der Nutzung als Werbeagentur bereits mit Heizung und Bad ausgestattete Obergeschoss der damals intern verbundenen Häuser. „Da die Remise während der gesamten Arbeiten bewohnt war, musste der Umbau in mehreren Bauabschnitten erfolgen, wobei im leeren Erdgeschoss begonnen wurde. Die Bauzeit zog sich daher von April 2006 bis Oktober 2007“, erläutert Architekt Peter Neideck den Bauablauf.
Dabei standen zunächst die Rohbauarbeiten mit dem Abbruch aller untergeordneten Einbauten, den Maschinenfundamenten, des Erdgeschossfußbodens, der Haustechnik und der Fenster an. „Nur eine Haustür war erhaltenswert. Diese dient heute als Eingang zum Büro im Haus 1“, erinnert sich Peter Neideck. Eine Überraschung erlebten Architekt und Bauherrin, als die noch vorhandenen Maschinen der Schreinerei entfernt waren und der Dielenboden im Erdgeschoss herausgerissen wurde: „Unter den Lagerhölzern der Dielen befand sich nur ein wenige Zentimeter dünner Estrich. Darunter stießen wir auf märkischen Sand. Dies erklärte auch, warum alle Maschinen der Schreinerei eigene Fundamente hatten“, so Peter Neideck. „Nach der Entfernung des Estrichs erinnerte uns das nicht unterteilte Erdgeschoss daher an eine Reithalle.“
Nachdem die Handwerker der Baufirma neue Grundleitungen verlegt und eine Schicht Sand abgetragen hatten, betonierten sie eine Bodenplatte. In den Außenwänden von Haus 1 fehlte eine Horizontalsperre, wodurch das Mauerwerk bis etwa 1 m über dem Fußboden stark durchfeuchtet war. Die Sperre brachten die Handwerker nun nachträglich im Mauersägeverfahren ein. Mit einer Dichtschlämme schlossen sie die aus Bitumenschweißbahnen bestehende Flächenabdichtung der neuen Bodenplatte an die Außenwände an.
Einige Fenster wurden vergrößert und neue Holzfenster und -türen eingebaut. Zur Instandsetzung des Sichtmauerwerks der Süd- und Westfassade reinigte ein Bautenschutzbetrieb dieses im schonenden Jost-Verfahren, ersetzte fehlende oder beschädigte Steine, fräste schadhafte Fugen aus und verfugte diese neu. Da die Ziegelfassade auch weiterhin sichtbar bleiben sollte, erhielten die West- und Südseite eine Innendämmung aus 5 cm dicken Calciumsilikatplatten (Calsitherm). Die Nord- und Ostfassade wurde mit einem WDV-System auf den Stand der Technik gebracht. Hierbei kamen 12 cm dicke Dämm-platten aus Resol-Hartschaum (weber.therm 022 plus ultra von weber maxit) zum Einsatz. „Da die Außenwände bereits auf den Grundstücksgrenzen standen, haben wir versucht, mit der Dämmung so wenig wie möglich über die Grenze hinauszugehen. Mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,022 W/mK liefern die Dämm-platten optimale Ergebnisse. Durch die Dämmung aller Hüllflächen, die Installation einer Solaranlage und den Einbau einer Gas-Brennwerttherme liegen wir mit unserem Umbau 40 Prozent unter dem Wert, den wir nach der Energieeinsparverordnung hätten erreichen müssen – und erzielen damit Neubaustandard“, erläutert Peter Neideck.
In Haus 1 reparierten und verstärkten die Zimmerleute außerdem das in Teilen sichtbare Dachtragwerk und die Holzbalkendecke und ergänzten das um 5° geneigte Pultdach um weitere Lichtkuppeln. Im Dach von Haus 2 musste zunächst ein Hausbockbefall bekämpft werden, bevor die Handwerker Lichtschächte durch den Kriechboden unter dem 11° geneigten Kaltdach „hindurch steckten“. Über Flachdachwohnfenster (Velux) belichten diese Lichtschächte, entlang der Flurwand im Obergeschoss angeordnet, den an der fensterlosen Nordseite gelegenen Flur und die beiden Bäder an dessen Enden.
Innenausbau
Im Innenraum schlossen die Maurer im Obergeschoss die Öffnung zwischen Haus 1 und 2 und reduzierten sie im Erdgeschoss auf eine Tür. „Bei der Neustrukturierung der Grundrisse war uns vor allem wichtig, dass die ursprüngliche Dimension mit nur einem großen Raum pro Geschoss weiterhin ablesbar bleibt“, erläutert Peter Neideck: „Der Ausbau erfolgte weitgehend mit Trockenbauwänden, die frei in den Raum gestellt sind oder von raumhohen Türöffnungen durchbrochen werden. Die alten Ziegel haben wir innen weiß gestrichen, so dass sie sich mit den neuen Bauteilen zu einer Einheit verbinden.“
Im Haus 1 befinden sich nun im Erdgeschoss neben einem Technik- und Abstellraum ein Architekturbüro (25 m2) und eine barrierefreie Einraumwohnung (36 m2), die über eine Tür mit Haus 2 verbunden ist. Diese Wohnung kann je nach Bedarf über eine vorbereitete Öffnung auch dem Architekturbüro zugeschlagen oder gänzlich separat genutzt werden. Im Obergeschoss, das wie vor dem Umbau über eine Außentreppe erschlossen wird, fand eine Zweiraumwohnung mit 73 m2 Wohnfläche Platz.
Die Bauherrin bewohnt mit ihrer Familie Haus 2, das auf zwei Geschossen nun 185 m2 Wohnfläche bietet.
Ein frei in den Raum gestellter Körper mit Küchenzeile auf der einen Seite und WC sowie Abstellraum auf der anderen Seite zoniert hier den Erdgeschossgrundriss. Wohn- und Arbeitszimmer können durch raumhohe Schiebetüren, die im geöffneten Zustand in den zweischaligen Wänden verschwinden, voneinander getrennt werden. Eine Wandscheibe parallel zur rückseitigen Brandwand teilt einen Bereich für die neue Treppe ins Obergeschoss, Abstellräume und die Kaminnische des Wohnzimmers ab. Im Obergeschoss dient diese Wand als Brüstung zur Treppenöffnung.
Fazit
Mit dem Umbau der nicht mehr genutzten Remise ist es dem Architekten gelungen, zusätzlichen Wohnraum in der Stadt zu schaffen, der den Vergleich mit einem Neubau in Sachen Wohnqualität und Energiebilanz nicht scheuen muss. Beim Velux Architekten-Wettbewerb 2007 wurde der Umbau mit dem 2. Preis belohnt, denn die neuen Lichtschächte im Obergeschoss von Haus 2 bringen nicht nur ausreichend Tageslicht in den ansonsten fensterlosen Flur, sondern passen in ihrer schlichten Eleganz auch perfekt zu den großzügig-funktional gestalteten neuen Räumen.