Umbau der ehemaligen Friedhofskapelle auf Hermannswerder in Potsdam zum Wohnhaus
Einst Friedhofskapelle, dann Künstlerrefugium, nun Wohnhaus einer Familie: Die neugotische Kapelle auf der idyllischen Halbinsel Hermannswerder in Potsdam wurde von Müller-Stüler und Höll Architekten denkmalgerecht instandgesetzt und mit zurückhaltenden Einbauten in ein Wohnhaus umgewandelt.
Hermannswerder ist eine ruhige Halbinsel in der Havel im Südwesten Potsdams. Auf ihren nördlichen Landzungen verstecken sich zahlreiche Villen und Einfamilienhäuser im dichten Grün. Im südlichen Teil errichtete die gemeinnützige Hoffbauer-Stiftung Anfang des 19. Jahrhunderts eine große diakonische Anlage mit Krankenhaus, Altenpflegeheim, Gymnasium, Kirche und Friedhof. Dessen Kapelle wurde im Jahre 1895 nach den Plänen des Potsdamer Baumeisters Robert Lembcke in zeittypischem Stil als neugotische Klinkerarchitektur erbaut. An den lichterfüllten Kirchenraum für Trauergottesdienste schließt sich ein Querhaus mit für damalige Zeiten sehr fortschrittlichen Labor- und Sezierräumen an. Nachdem das Areal zum Trinkwasserschutzgebiet erklärt wurde, erfolgte 1951 die Auflassung des Friedhofs und die Entweihung der Kapelle, die daraufhin lange leer stand. Ab 1979 nutzten die Künstler Barbara und Karl Raetsch das Gebäude als Wohn- und Atelierhaus, in dem sie bis 2004 lebten.
Einige Jahre später entdeckten die Bauherren das zwischenzeitlich als Einzeldenkmal eingetragene Gebäude, das sie als Wohnhaus nutzen und umbauen wollten. Dies setzte allerdings eine intensive Abstimmung mit der Denkmalbehörde voraus, die in enger Zusammenarbeit mit den beauftragten Architekten Müller-Stüler und Höll erfolgte. Die erfahrenen Berliner Planer legten insbesondere Wert darauf, die Qualitäten des historischen Gebäudes wiederherzustellen, es denkmalgerecht instand zu setzen und mit wenigen, zurückhaltenden Eingriffen an die Wohnnutzung für eine Familie anzupassen. Dazu wurden zunächst die teils starken baulichen Veränderungen der Vormieter entfernt. Diese hatten eine Stahlbetondecke oberhalb der Spitzbogenfenster ins Kirchenschiff eingezogen und so den einstigen Raumeindruck verunklart. Das ursprüngliche Volumen sollte wiederhergestellt werden und als große, bis unter das Dach reichende Wohnhalle das Zentrum des Hauses bilden.
Neuer Dachstuhl mit Dach in Schiefereindeckung
Auch in den anderen Bereichen ließen die Architekten die Kapelle auf die bauzeitliche Raumstruktur rückbauen, in die dann die neuen Nutzungen entsprechend der genehmigten Planung eingefügt wurden. Der Rückbau und die Sanierung erwiesen sich teilweise als sehr aufwendig. So musste der Dachstuhl vollständig ersetzt werden, da die alten Balken durch gesundheitsgefährdende Holzschutzmittel kontaminiert waren. Vorab bauten die Handwerker auf den Mauerkronen der historischen Langwände aus statischen Gründen einen Ringbalken ein, der noch für 1,5 m in die Giebelwände eingebunden ist. Beim Dach entschied man sich in Abstimmung mit der Denkmalpflege für ein Sparrendach mit Zellulose-Einblas-Dämmung und raumseitiger Bekleidung mit Gipskarton-
platten. Entsprechend der Fotos aus der Erbauungszeit deckten die Handwerker die Dachfläche wieder mit Schiefer ein. Dabei erforderte die traditionelle Schuppendeckung aus Schindeln mit stumpfem Hieb von ihnen großes handwerkliches Können, gerade auch bei den Kehlen und Graten.
Die Schornsteine wurden saniert, Schornsteinköpfe nach historischem Vorbild einschließlich der Zierelemente neu aufgemauert. Der knapp 6 m hohe Dachreiter wurde vom Gebäude gehoben, die Holzkonstruktion vor Ort ertüchtigt und nach Fertigstellung – inklusive der neuen Eindeckung mit Schablonensteinen aus Schiefer – komplett auf die neue Dachkonstruktion aufgesetzt. Bündig in die Dachflächen gesetzte Dachfenster lassen Zenitlicht in die Wohnhalle strömen und sorgen für eine helle Raumatmosphäre im neuen Obergeschoss des Querhauses.
Sanierung des Sichtmauerwerks mit Zierelementen
Das Sichtmauerwerk mit Zierelementen und den dunkelrot glasierten Ziegeln der Gesimse, Spitzbögen und Sohlbänke prägt den Charakter der Kapelle. Die Fassaden waren insgesamt gut erhalten und mussten lediglich gereinigt werden. Fehlstellen ergänzten die Handwerker durch im Zuge der Bauarbeiten geborgene Steine. Allerdings mussten einzelne Formsteine nachgefertigt werden, die in einem historischen Ringofen in Glindow gebrannt und anschließend glasiert wurden. Auch sämtliche Zierelemente der Fassaden blieben erhalten oder sind baugleich erneuert. Verschlossene historische Fensteröffnungen wurden geöffnet, ebenso wie die Fensterrosen in den Giebeln und Drempeln des Querhauses, die nun die neuen Räume zusätzlich mit Tageslicht versorgen.
Fenster aus Holz und aus Stahl
Alle originalen Fenster überarbeiteten die Handwerker tischlermäßig und lackierten sie entsprechend des restauratorischen Befunds neu; ein zusätzliches, innenliegendes Isolierfenster ertüchtigt die Einfachverglasung. Neue Fenster und Glastüren sind als isolierverglaste Holzelemente ausgeführt. Die vorgefundenen, nicht aus der Erbauungszeit stammenden Holzfenster im Langhaus ließen die Architekten durch moderne zweiflügelige Stahlfenster mit Isoliergläsern ersetzen, deren Sprossenteilung und schlanke Profile auf die nicht mehr erhaltenen historischen Verglasungen verweisen. Die früheren Außentüren aus Holz fungieren nun als Fenster- oder Türladen; fehlende Läden ergänzte man nach historischem Vorbild.
Wände mit Schwammbefall
Eine unangenehme Überraschung kam erst während der Bauzeit zu Tage: Das teilweise ziegelsichtig geweißte Sichtmauerwerk war auf fast der gesamten Fläche vom Echten Hausschwamm befallen – was die vorherigen Bewohner offensichtlich bereits erkannt, doch nur unzureichend behandelt hatten. Aus diesem Grund mussten alle Mauerwerkswände umfassend saniert werden. Zunächst wurden die Fugen 2 bis 4 cm tief ausgekratzt, anschließend das Mauerwerk abgeflammt und die Fugen ausgesaugt, danach zweimal ein Schwammsperrmittel aufgebracht sowie in Injektionslöcher mit Druck von etwa 10 bar eingeführt. Hohlräume reinigten die Handwerker und behandelten diese mit chemischem Schwammsperrmittel im Schaumverfahren. In die neuen Holzteile des Daches sind zusätzlich Borsalzpatronen als Wirkstoffdepot eingesetzt.
Energetische Ertüchtigung und Putz
Nach der Sanierung wurde die Luftschicht der zweischaligen Außenwände zur energetischen Ertüchtigung mit einer mineralischen Einblasdämmung gefüllt. Da es im oberen Teil des Querhauses und Kopfbaus keine zweischaligen Wände gab, mauerten die Handwerker dort vor die Außenwände innen eine weitere Mauerscheibe aus Hochlochziegeln. Besonders um die Fensterrosen herum mussten sie diese so formen und setzen, dass in der neuen Mauerschale eine kreisrunde Öffnung verbleibt, in die ein neues Fenster eingesetzt wurde. Die Rosette in der historischen Außenwand bleibt ohne Verglasung.
Die raumseitig verputzten Wandflächen oberhalb der Brüstungen im Langhaus sind mit Feinputz auf Kalkbasis glatt gefilzt und mineralisch mit Silikatfarben gestrichen. Die Kapitelle wurden restauriert oder nach originalem Vorbild ersetzt, allerdings nicht in Kalkstein, sondern neu aus Gips gegossen. Der umlaufende Fries mit floralen Motiven blieb erhalten oder wurde von den Bauherren in Eigenleistung rekonstruiert.
Neuer Bodenaufbau mit alten Fliesen
Um den Fußboden zum Erdreich hin abzudichten und zu dämmen, war ein neuer Bodenaufbau samt Bodenplatte erforderlich. Der historische Bodenbelag besteht aus weißen Achteckfliesen mit schwarzen quadratischen Einlegern. Die originalen Fliesen im Langhaus und Quergebäude bauten die Handwerker alle per Hand aus, reinigten sie und verlegten sie wieder nach Einbau der neuen Bodenkonstruktion mit Fußbodenheizung. Im Dachgeschoss der Querhäuser sollte eine größere Raumhöhe geschaffen werden. Dafür entfernten die Handwerker die alten Holzbalkendecken und bauten eine neue Ziegel-Einhängedecke mit Trittschalldämmung und Fußbodenheizung etwas tiefer ein, die sie anschließend unterseitig verputzten.
Bestehende Raumstruktur mit neuen Nutzungen
Auf insgesamt rund 200 m2 bietet das Gebäude nun einen großen gemeinschaftlichen Wohn- und Essbereich im Langhaus sowie fünf Zimmer und drei Bäder auf den beiden Ebenen im Querhaus. Der neue Hauszugang – der ehemalige Nebeneingang am westlichen Querhaus – leitet in ein geräumiges Entree mit Garderobe, an das sich das Bad und die Schlaf- und Arbeitszimmer der Eltern anschließen. Zur anderen Seite führt der bestehende Durchgang zum Wohnbereich im Kirchenschiff, der als lichtdurchflutetes Raumvolumen wieder bis unter das Dach reicht. Das nicht mehr vorhandene historische Deckengewölbe ließen die Architekten als abstrahierte, auf die einstige Grundform reduzierte Konstruktion wiederherstellen. Auch die Altarnische, die zwischenzeitlich unter einer Galerie verborgen war, sollte wieder erkennbar sein und nimmt nun einen großen Kaminofen auf. Als klar ablesbares, neu hinzugefügtes Element ist eine Stahlstruktur als Empore in das Langhaus eingefügt. Wie eine Plattform scheint sie im Raum zu schweben. Sie dient zum einen als Wohngalerie. Zum anderen führt sie als Erschließungssteg weiter zu den drei Kinderzimmern im Obergeschoss des Querhauses, das durch die neu eingezogene Decke geschaffen wurde.
Vom Vordach zur Veranda
Den original erhaltenen Portikus an der Nordfassade nutzt die Familie als geschützten Freibereich, der über eine große Fenstertür mit dem Wohnraum verbunden ist. Die reich verzierte Holzkonstruktion wurde zimmermannsmäßig instandgesetzt und gemäß des restauratorischen Farbbefunds neu gestrichen. Die Veranda lässt dezent die neue Nutzung der einstigen Kapelle auch nach außen erkennen. An der westlichen Grundstücksgrenze ist ein kompakter Holzständerbau platziert, der die Haustechnik sowie Hauswirtschafts- und Werkstattraum beherbergt. Eine zweites ähnliches Volumen nimmt die Garage mit Fahrrad- und Bootsabstellraum auf. Mit ihrer schlichten Form und der dunklen Holzverschalung treten beide Nebengebäude dezent in den Hintergrund und wahren respektvollen Abstand zum neu belebten historischen Baudenkmal.
Autorin
Dipl.-Ing. Claudia Fuchs studierte Architektur an der TU München. Sie arbeitet als freie Redakteurin und Autorin unter anderem für die Zeitschriften Detail, Baumeister, dach+holzbau und bauhandwerk.
Baubeteiligte (Auswahl)
Architekten Müller-Stüler und Höll Architekten, Berlin, msh-architekten.de
Statik Büro Rüdiger, Berlin
Maurer- und Rohbauarbeiten Roland Schulze Baudenkmalpflege, Potsdam, www.baudenkmalpflege.de
Zimmererarbeiten Zimmerei Schmiechen & Grüber, Bergholz-Rehbrücke, www.schmiechen-grueber.de
Dachdeckerarbeiten Grumbach-Bedachungen, Beucha / Leipzig, grumbach-bedachungen.de
Dämmarbeiten Hammermeister Dämmsysteme, Falkenberg, www.hohlraumdaemmung.de
Fenster, Türen und Tischlerarbeiten Holzwerkstatt Potsdam, Teltow, www.holzwerkstatt-potsdam.de
Tischlerarbeiten Bautischlerei P. Zimmermann, Potsdam, www.die-bautischlerei.de
Fliesenlegerarbeiten Warnecke Mosaikstudio, Berlin
Malerarbeiten Malermeister Leiste, Hohen Neuendorf