Brokatmalerei – Illusion des Stofflichen

Reich gemusterte Seidenbrokatstoffe mit fein eingearbeiteten Gold- und Silberfäden fanden bereits im frühen Mittelalter ihren Weg aus dem fernen Orient nach Europa. Diese Gewebe in unterschiedlichen Techniken malerisch zu imitieren gehört seither zu den anspruchvollsten Aufgaben im Malerhandwerk.

Aus dem Mittelalter sind uns die frühesten gemalten Stoffimitationen an Wandflächen erhalten geblieben. Sie finden sich noch in den halbrunden Chorräumen romanischer Kirchen. Ausgeführt in Schablonentechnik und in kraftvollen Farbtönen sollte dem Betrachter die Illusion einer Stoffdraperie auf dem Mauerwerk vorgetäuscht werden.

Brokat im Barock

Zu einer besonderen Gestaltungstechnick entwickelte sich die Brokatmalerei im Barock und Rokoko im süddeutschen Raum. Die großen Flächen innerhalb von Stuckierungen und Gurtbögen erhielten Malereien im Muster von Brokatstoffen. Die Farbigkeit dieser Flächenfüllungen war meist unabhängig vom Muster und wurde – sich dem Gesamtkonzept des Bauwerks unterordnend – aus einer Tonwertigkeit heraus gestaltet.

Auf plastisch stuckierten Vorhängen oder Draperien gestaltete man den Brokat in freien ornamentalen Mustern. Bei ebenen, begrenzten Flächen findet sich eher ein strenger und im Verlauf der Fläche gesetzter Rapport.

Der gemalte Brokat wird üblicherweise in einfachen Licht- und Schattenwerten ausgeführt. Die Schattenführung folgt dabei in der Regel dem natürlichen Lichteinfall im Raum.

Die charakteristische Farbgebung der Brokate liegt bei Goldockertönen oder bei grau-violetten Farbtönen. Die Kraft der Kontraste in den Farbwerten und die Größen der Rapporte sind dabei abhängig von den Größen der zu gestaltenden Flächen und der Gesamtfarbigkeit des Raums.

Illusionistische Graumalerei

Die Barock-Brokate werden nicht schabloniert, sondern nach Aufteilung der Fläche mit Hilfe einer Formpause frei in zwei bis vier Farbstufen als Pinselmalerei in Licht- und Schattentechnik aufgemalt. Male-
risch, nicht konturierend folgt der Pinselauftrag der strengen Ordnung des Rapports. Wie gespannte Tapisserien dienen gemalte Brokate der architektonischen Gliederung der Räume. Eingebunden in die farbige Gestaltung der Architektur dürfen Brokate weder als dunkles Loch noch als Einzelbild in Erscheinung treten. Sie sind die „leichteste und zarteste Art der illusio­nis­tischen Graumalerei“.

Glanzlichter in Wachs-Mordentgold

Die Glanzlichter der Brokatmalerei können als so genannte „Blitzer“ in Wachs-Mordentgold angelegt werden (Kasten rechts). Auch diese bleiben aber selbstverständlich trotz ihres wirkungsvollen Effekts der Gesamtstimmung des Raums untergeordnet.

Ornamentale Gliederung

Die Gliederungen der Brokate zeigen häufig Rauten, Vierpaß oder Ovalformen. Längungen im Muster oder Versatz im Rapport folgen in der Regel der Gesamt­richtung der Fläche. Die eingefügten Blatt-, Kreuz- oder Sternornamente werden in Reihung oder versetzt angeordnet.

Je reicher das Ornament und je vielfarbiger die Ausführung ist, um so mehr Klarheit und Ordnung ist bei der Malerei erforderlich. Die Skala der Möglichkeiten ist unerschöpflich und wurde in der barocken Malerei in unendlich vielen phantasievollen Variationen angewendet.

Grund- und Lokalton

Bei der Ausführung einer Brokatmalerei wird die zu bemalende Fläche vorab im Grund- oder Lokalton ganzflächig angelegt. Dieser Lokalton entspricht in seinem Farbwert einem mittleren Grauwert. Das heißt, er sollte weder zu hell noch zu dunkel, weder zu warm noch zu kühl erscheinen.

Mit Hilfe einer Formpause wird das Muster des Brokates nach dem Trocknen des Lokaltons übertragen. Hilfreich ist es, sich eine Lochpause aus Transparentpapier anzufertigen. Dadurch wird es möglich, den Rapport beliebig oft und in gleicher Qualität auf­zupausen. Wichtig ist es jedoch, in der Vorbereitung der Formpause, den Rapport exakt vorzuzeichnen und auf passgenaue Anschlüsse zu achten, sonst ergeben sich beim Übertrag auf die Wandflächen störende Musterverzerrungen oder gar Ungenauigkeiten im Rapport.

Rücklagen

In einem weiteren Arbeitsschritt werden nun die so genannten Rücklagen angelegt. Das sind die Hintergrundflächen im Brokat, die kein Motiv tragen. Die Möglichkeiten, die Rücklagen zu gestalten, reichen von der einfach Lasur im leicht abgedunkelten Lokalton, über die Gestaltung durch Linien, Rauten, Striche­lungen oder illusionistisch-plastischen Körben oder Quadern bis zu mordentvergoldeten feinen Strichlagen.

Licht und Schatten

Die Schattenführung folgt, wie bereits oben erwähnt, dem natürlichen Lichteinfall im Raum und wird in der Regel mit zwei abgestuften Grauwerten angelegt. Der Pinselstrich darf dabei nicht konturierend der Form des Rapports folgen, sondern wird malerisch mit Duktus aufgesetzt. Je breiter die Schatten aufgemalt werden, desto plastischer und tiefer erscheint der Brokat. Ein Granieren, Lavieren oder Vermalen der Übergänge von den Schattentönen in den Lokalton ist nicht zwingend erforderlich, da die Brokatmalerei eher eine flotte und spontane Maltechnik erlaubt. Nichts desto trotz sollen die Pinselstriche dem Muster streng folgen und Rapport für Rapport ein identisches Bild, wie bei entsprechend gewebten Stoffen, ergeben.

Das Licht wird, wie bereits die Schattentöne, aus dem Lokalton heraus gemischt. Seine Farbwertigkeit sollte nicht zu hell und zu kühl erscheinen, da der gesamte gemalte Brokat sonst zu grafisch und zu hart erscheint.

Auch das Licht wird in flotten, aber gezielten Pinselstrichen gesetzt. Der Leitspruch: „Weniger ist mehr“ darf beim Setzen der Brokatlichter ernst genommen werden. Nur 10 Prozent der gesamten Brokat-Oberfläche sollen als Licht dargestellt werden.

Und keine Angst vor freibleibenden, unbemalten Konturen oder Flächen! Die Wirkung der Brokate ist immer auf Fernwirkung ausgerichtet und das menschliche Auge ist sehr wohl in der Lage, Formen zu erkennen und zu schließen wo es nötig ist.

Autorin

Margarete Hauser ist gelernte Fassmaler- und Vergolderin, Kirchenmalermeisterin, Restauratorin im Handwerk und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Kirchen­maler- und Vergolderhandwerk. Als Fachlehrerin unter­richtet sie an der Städtischen Meisterschule für das Vergolderhandwerk in München.

Keine Angst vor freibleibenden, unbemalten Konturen

Wachsmordent

3 Gewichtsteile Bienenwachs

2 Gewichtsteile Venezianer Terpentin

1 Gewichtsteil Standöl

Das Anlegemittel aus Bienenwachs, Venezianer Terpentin und Standöl oder Rindertalg muss in warmen Zustand mit einem Pinsel auf die zu vergoldende Fläche aufgetragen werden. Unmittelbar nach dem Er­starren der Wachsmasse muss das Blattgold ange­schossen werden, damit eine optimale Haftung des Metalls auf dem Untergrund gewährleistet ist. Nach kurzer Trockenzeit kann das Blattgold eingekehrt werden.

Der Untergrund für das Wachsmordent sollte nicht zu stark saugen, muss aber nicht besonders für die Vergoldung vorbehandelt werden. Durch den pastösen Materialauftrag können Unebenheiten im Untergrund gut ausgeglichen werden. Eine glatte Goldoberfläche und somit ein hoher Glanz kann hiermit erreicht werden.

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