Historische Vergoldungstechniken für Wände und Stuckoberflächen

Die Polimentvergoldung gilt als hochwertigste Oberflächentechniken, die das Vergolderhandwerk zu bieten hat. Historisch entwickelten sich für Wand- und Stuckoberflächen aber auch Techniken, die in ihrer Qualität der Polimentvergoldung in nichts nachstehen wie die Vergoldungen mit Wachs, Öl oder Ei.

Die Polimentvergoldung wird vornehmlich auf Holzuntergründen ausgeführt und ziert Bilderrahmen, Möbel, Figuren und allerlei Kunstwerke. Speziell für Wand- und Stuckoberflächen entwickelten sich historisch gesehen aber auch viele  Vergolde- beziehungsweise Anlegetechniken, die in ihrer Qualität der Polimentvergoldung in nichts nachstehen. Leider gelten heute diese Vergoldetechniken auf Basis so genannter Anlegemitteln _ abwertend „Malergold“ genannt – nur als billiger Ersatz für die Polimentvergoldung.

Jedoch wurden bereits weit vor dem Mittelalter Anleitungen für Vergoldungen mit Wachs, Öl, Gummi oder Ei beschrieben. Je nach gewünschter Wirkung wurden diese natürlichen Materialien als Anlegemittel für Blattmetalle auf  Wandflächen verwendet.

Edles Öl

Das Ausgangsmaterial für ölige Anlegemittel ist Flachs. Aus seinen Samenkörnern, den Leinsamen, wird Öl gepresst. Das frische Öl hat eine Trocknungszeit von etwa 5 bis 7 Tagen. Deshalb wird es vor der Verarbeitung als Anlegemittel aufbereitet. Durch ein Anreichern mit Sauerstoff bei Temperaturen bis 300 °C wird das Leinöl voroxidiert. Eine zusätzliche Beimengung von Sikkativen reduziert schließlich die Trocknung des Öles auf etwa 3 bis 12 Stunden. Ab nun spricht man von so genanntem Anlegeöl.

Diese Bezeichnung ist vermutlich auf Cennino Cennini zurückzuführen, der in seinem Traktat über die Malerei bereits im 15. Jahrhunderts die Herstellung und Verarbeitung eines entsprechenden Öles für Vergolderzwecke beschreibt. Die heute besser bekannte Mixtion ist ein edler Öllack. Sein Ausgangsmaterial sind Kopale, also fossile Harze von Koniferen unterschiedlicher Herkunft.

Die heutige so genannte Mixtion ist ein Petroleum-
ether, also ein Erdölderivat. Das Anlegeöl oder die Mixtion kann innen und daußen angewendet werden und ist für alle nicht saugenden Untergründe geeignet. Bei Putzoberflächen ist eine Vorbehandlung nötig, da die Fettsäuren des Öls mit den alkalischen Bestandteilen des Putzes reagieren. Sie bilden wasserunlösliche Seifen. Diese neigen bei Temperaturschwankungen oder bei hohen Feuchtigkeitsschwankungen zum Abplatzen.

Als Vorbehandlung tränkte man in der Vergangenheit die zu vergoldenden Flächen mit Halböl, einer Mischung aus Leinöl und Balsam Terpentinöl, bis zur vollständigen Sättigung. Erst dann konnte die Mix­tion beziehungsweise das Anlegeöl aufgetragen und nach einer entsprechenden Wartezeit die Vergoldung ausgeführt werden.

Heute können für Ölvergoldungen auf alkalisch reagierenden, mineralischen Außenputzen beständige synthetische Anstrichstoffe eingesetzt werden. Diese sind dann ihrerseits mit ölhaltigen Lackfarben oder Ölfarben überstreichbar. Durch diese so genannten Haftbrücken können Außenvergoldungen auf Putz in Öltechnik problemlos durchgeführt werden, ohne dass die Alkalität von Kalk- oder Zementputzen auf das Anlegemittel wirksam wird. Diese Außenanstrichstoffe sind lösemittelverdünnbare Polimerisatharzlackfarben auf Acryl- oder Vinylbasis. Sie sind alkaliebeständig, haben eine hohe Haftfestigkeit und sind sehr gut wetterbeständig. Sie sind leicht zu verarbeiten, trocknen schnell und ergeben gut deckende, seidenmatte Schichten. Die sonst übliche Neutralisierung des Untergrunds durch Fluatieren, also die Vorbehandlung mit Kieselflourwasserstoffsäure, kann unterbleiben.

Hoher Glanz auf Wachs

Im Gegensatz zur Arbeit mit dem Öl ist die so genannte Mordentvergoldung handwerklich eine Anlegetechnik ganz anderer Art. Der Begriff Mordent hat romanischen Ursprung und bedeutet Beize, beizen. Das Wachsmordent wird nicht für flächige Vergoldungen angewendet, sondern nur punktuell und pastös auf Stuckornamenten oder als „Blitzer“ in Brokat- oder Graumalereien.

Das Anlegemittel aus Bienenwachs, Venetianer Terpentin und Standöl oder Rindertalg muss in warmem Zustand mit einem Pinsel auf die zu vergoldende Fläche aufgetragen werden.

Unmittelbar nach dem Erstarren der Wachsmasse wird das Blattgold angeschossen, damit eine optimale Haftung des Metalls auf dem Untergrund gewährleistet ist.

Üblicherweise ist es deshalb sinnvoll, die Vergoldung zu zweit auszuführen. Während die erste Person das Mordent anlegt, vergoldet die zweite Person sofort im Anschluss daran die angelegten Stellen. Nach einer vergleichsweise kurzen Trockenzeit kann das Blattgold eingekehrt werden. 

Der Untergrund für das Wachsmordent sollte nicht zu stark saugen, muss aber nicht besonders für die Vergoldung vorbehandelt werden. Durch den pastösen Materialauftrag können Unebenheiten im Untergrund gut ausgeglichen werden. So wird eine glatte Goldoberfläche und damit ein hoher Glanz erreicht. Wachsmordent kann im Übrigen nur innen angewendet werden.

Gold auf Ei

Für Vergoldungen auf Putzflächen findet sich in historischen Quellen noch ein weiteres Anlegemittel, dass aus natürlichen Werkstoffen hergestellt werden kann. Das so genannte Eimordent: Es wird aus einer Mischung aus Eigelb und Glyzerin hergestellt. Auch bei dieser Art der Vergoldung sollte der Untergrund nur noch schwach saugen.

Die Mischung kann mit einem Pinsel malerisch oder flächig aufgesetzt oder mit Hilfe einer Schablone aufgestupft werden. Nach kurzer Wartezeit wird das Blattmetall angeschossen und wiederum kurze Zeit später mit einem weichen Pinsel eingekehrt.

Je nach Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit verkürzt oder verlängert sich die Zeit zwischen Auftrag und Vergoldung. Oft kann dieses Anlegemittel durch Anhauchen noch einmal kurzfristig für das Auflegen des Blattmetalls reaktiviert werden, sollte es schon zu stark angetrocknet sein. Diese Art der Vergoldung eignet sich innen für flächige oder punktuelle Vergoldungen an Wand und Stuck.

Fazit

Grundsätzlich gilt für alle Anlegetechniken, dass die Oberflächenbeschaffenheit des Untergrundes in der fertigen Vergoldung wieder gespiegelt wird. Das heißt, je glatter der Untergrund, desto glatter und glänzender die Vergoldung und umgekehrt.

Setzt man sich einmal genauer mit den Anlegetechniken auseinander, so stellt man fest, dass in der Vergangangenheit Anlegetechniken und Poliment­ver­vergoldung oft sogar parallel an ein und demselben Objekt zur Anwendung kamen. Dahinter steckte häufig die Absicht einer sensiblen und feinzeichnerischen Differenzierung der unterschiedlichen Ober­flächen­wir­kun­gen eines Objekts. Das Spiel von hoch­glänzenden Blatt­metalloberflächen und fein abgestuften Mattvergoldungen zeichnete für den Betrach­ter das Relief von Höhen und Tiefen deutlich nach. Und damit waren die Anlegetechniken keineswegs ein billiger Ersatz für die Polimentvergoldung.

Autorin

Margarete Hauser ist gelernte Fassmaler- und Vergolderin, Kirchenmalermeisterin, Restauratorin im Handwerk und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Kirchenmaler- und Vergolderhandwerk. Als Fachlehrerin unterrichtet sie an der Städtischen Meisterschule für das Vergolderhandwerk in München.

Web-Service

Hier finden Sie die detaillierten Arbeitsschritt für die Öl-, Ei- und Wachsmordentvergoldung

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