Leserbrief zu bauhandwerk 7-8.2022, Seite 1, Editorial, und Seite 8 – 10, Ryoba Zugsäge

Hallo Herr Wieckhorst,

Vorzug Hand zu Elektro: Ich habe einige Jahre als Arbeitsvorbereiter viele zum Teil relativ große Projekte geplant und umgesetzt. Auch in der Fertigung habe ich große Projekte hergestellt und Kunden zufrieden gestellt. Aus wirtschaftlichen Gründen nahezu alles mit Maschinen, CAD und CNC. Nach wenigen Jahren ist mir aufgefallen, dass ich nicht mal mehr Fotos von fertigen Projekten gemacht habe und auch die Erinnerung an die Arbeit weniger wurde. Die Emotion an die eigene Arbeit ist völlig verblasst.

Der ursprüngliche Stolz der Arbeit wurde einfach selbstverständlich. Die Qualität hat nicht gelitten, jedoch die Freude am Ergebnis war einfach nicht mehr da. Neue Herausforderungen mussten her. Alte Techniken und Möglichkeiten aus aller Welt kamen an dieser Stelle in Betracht. Wenn ein 6 m Einbauschrank weniger Emotion weckt als ein Kästchen aus der Hand, das ähnlich viele Stunden benötigt, liegt es nahe, dass man, sobald das Wirtschaftliche unerheblich ist, einfach den schöneren Weg geht. Manche Arbeiten haben sogar etwas Meditatives (so stelle ich mir zumindest Meditation vor). Relativieren muss ich hier jedoch schon ein wenig, da ich aus Zeitgründen und meinem Qualitätsanspruch – z.B. Schleifarbeiten und längere Schnitte – meist mit Maschinen mache.

Heutige Anwendung im Tischlerwesen nach Gesellenprüfung von Ryoba und Co: Die Ryoba wird in Japan vorrangig für Holzverbindungen genutzt wie auch das Zinken. (Diese Info bekam ich von einem japanischen Handwerker, der in Deutschland Kurse gab für japanische Werkzeuge und japanische Holzverbindungen). Uns Europäern liegt da meist die Dozuki näher aufgrund des Rückens. Mir fällt kein realistischer Anwendungsbereich ein, der die Handhabung wirtschaftlich rechtfertigt für Holzverbindungen. In der Praxis ist die Japansäge eher der Problemlöser für Schnitte an schwer zugängliche Stellen. Zargenschaum rauschneiden, Türzargen kürzen, wenn neuer Boden gelegt wird, Ausklinkungen in Böden, Vertäfelungen, Passleisten, Dübel kürzen. Alternativ zur Stichsäge. Kleinere Ablängarbeiten, wie Anleimer abschneiden o.ä..

Bis zur Gesellenprüfung werden Japansägen durch Lehrlinge gerne genutzt für alle Verbindungen, die bei der Handprobe anfallen können (Zinkungen, Überblattungen, Ausklinkungen, Schmiegen/Gehrungen).

Heutige Anwendungen im privaten Bereich: Viele Hobbyhandwerker nutzen für kleinere Holzverbindungen heute gerne Japansägen. Sicherlich am häufigsten die Dozuki für Zinkenverbindungen. Die Ryoba wird – wenn überhaupt – im privaten Holzbau genutzt, jedoch halte ich auch das für sehr selten, aufgrund der deutlich größeren Querschnitte und der umfangreichen Beschläge ist auch hier eine klassische Verbindung weniger die erste Wahl. Der Hobby-Anwender hat weder Übung noch die Kenntnis für stabile Holzverbindungen und geht eher auf Nummer sicher und nimmt Schrauben. Somit ist die Verwendung von Kataba auch ähnlich selten im privaten Holzbau oder im Tischlerwesen. Kataba im Garten ist hingegen wieder häufiger, allerdings nicht in der klassischen Form und so wird sie eher für Äste und kleine Bäume verwendet.

Anwendungsvorschlag von Japansägen in der heutigen Zeit von mir: Ich habe ein Paar Bilder angehängt, die mit Maschinen schwierig umzusetzen sind. Schwalbenschwanz-Verbindung bei dem Hocker. Problem hier ist, die Bretter sind kein Leimholz und sind geschüsselt. Es ist nichts abgerichtet, sondern alles im Bogen verarbeitet. Die Schnitte sind geschätzt und nicht, wie man es lernt, mit Schmiege und in Verhältnissen angezeichnet.

Das andere Projekt ist ein Bett aus Eiche-Balken, ebenfalls nicht abgerichtet oder gehobelt. Querschnitte sind 16 cm x 12 cm. Hier werden große Schnitttiefen benötigt. Zum anderen habe ich mich für eine alte Tiroler Verbindung entschieden, die durch Formschluss und Eigengewicht schon eine hohe Stabilität hat. (Tiroler Schloss aus dem Blockhausbau). Mir würde nur eine Kettensäge einfallen, mit der die Schnitte gemacht werden könnten ...

Also unterm Strich, sehr beliebte Sägen, die heute kaum Anwendungen finden bei den Profis und aus der Erfahrung dort eher verhunzt als Problemlöser genutzt werden.

Anmerkung: Interessant finde ich auch den unlogischen Siegeszug der Japansägen. Als Riesenvorteil wird die Schärfe beworben. Meines Erachtens stehen westliche Sägen dem nicht nach. Die Empfindlichkeit der dünnen Blätter spricht überhaupt nicht für die Sägen. Vorteile, die zum Beispiel eine Gestellsäge mitbringt, werden heute nicht mehr erkannt. Nachhaltigkeit: Japansägen sind oft nicht schärfbar. Ihre Säge hat induktionsgehärtete Zähne auf der Querseite. Hart und spröde. Ein Kontakt mit Metall lässt die abbrechen. Ein Knick beim Zurückschieben sorgt nicht selten für Zahnausfall ... Gute japanische Sägen haben ungehärteten Stahl. Die Standzeit ist trotzdem sehr hoch, jedoch sind sie nachschärfbar. (Sehr schwierig und nicht zu empfehlen). Japansägen sind unterm Strich günstiger als westliche, weniger nachhaltig und deutlich schwieriger in der Anwendung. Mit Übung und Know-how eine Bereicherung für jeden, der gerne was mit seinen Händen erschafft, für die breite Masse machen sie eigentlich keinen Sinn.  

Sofern Sie meine Meinung und Erfahrung nutzen wollen für Ihre Berichte, Videos und was Sie auch immer alles machen, bin ich wirklich gerne bereit zu helfen. Ich bin leidenschaftlicher Handwerker, aber kein Mensch der Medien. Ich beobachte die Entwicklung im Handwerk mit einem weinenden Auge. Die Stellung des Handwerks ist in der Gesellschaft viel zu niedrig. So sehe ich es als Pflicht eines jeden Handwerkers sein Gewerk zu Bewerben und die Zukunft so mit Nachwuchs zu sichern.

 

Mit freundlichen Grüßen

Michael Weis

Oberwerkmeister, Tischlermeister und Bachelor Professional im Tischlerhandwerk, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Hagen

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