Feuchtemanagement auf Baustellen hilft Schimmelschäden zu vermeiden
Die am Bau Beteiligten werden immer wieder mit massiven Schimmelschäden konfrontiert, die während laufender Bauarbeiten entstehen. In unserem Beitrag zeigen wir Lösungsmöglichkeiten, wie derartige Schäden vermieden oder möglichst gering gehalten werden können.
Verschimmelte Bauteile und Baustoffe entsprechen üblicherweise nicht den Bestellererwartungen. Somit liegt gemäß BGB ein Mangel vor. Der Imageverlust der Beteiligten und die wirtschaftlichen Folgeschäden können entsprechend groß sein. Zudem können langwierige juristische Auseinandersetzungen folgen.
Voraussetzungen für Schimmelbefall
Schimmelsporen sind in der Umgebungsluft allgegenwärtig. Sie benötigen zum Auskeimen und Wachsen eine relative Luftfeuchte ab 70 bis 80 Prozent. Die relative Luftfeuchte ist wiederum abhängig von der Temperatur. Baustellen bieten einen idealen Lebensraum für Schimmel, da oft erhebliche Wassermengen zur Verfügung stehen. Die Reduzierung der Wassermengen beziehungsweis ein zielgerichtetes Abführen von Wasser ist die wichtigste Stellschraube zur Vermeidung von Schimmelschäden.
Im Zuge der Ausbauphase entstandener, mehrerer 1000 m² großer Schimmelschaden
Foto: Pia Haun
Bezüglich der Temperatur sind Schimmelpilze, je nach Art, hinsichtlich ihrer Ansprüche breit gefächert. Die Stellschraube „Temperatur“ ist daher in der Praxis nur bedingt geeignet, um einen Schaden zu vermeiden.
Bewachsen werden kann praktisch jedes Material, wobei organische Baustoffe schneller befallen werden als anorganische. Teilweise reicht ein Bio- beziehungsweise Schmutzfilm als Lebensgrundlage. Nicht jeder Schimmelbefall ist sichtbar. Häufig wird ein derartiger Schaden übersehen beziehungsweise ausgeschlossen, da keine Verfärbungen oder Gerüche wahrnehmbar sind. Farbenfrohe Flecken zeigen sich erst, wenn sich in ausreichender Menge Sporenträger gebildet haben. Wenn über mehrere Tage gute Lebensbedingungen vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Befall groß. Somit ist bei schadensträchtigen raumklimatischen Bedingungen schnelles und zielgerichtetes Handeln erforderlich. Bei nicht ausreichendem Fachwissen sollte man sich unbedingt Kompetenz von außen holen. Ansonsten wird Geld für nicht zielführende „Sanierungen“ ausgegeben und Zeit vergeudet.
Da viele Wirkweisen von Schimmelpilzen nicht oder nur unzureichend erforscht sind, wird seitens des Umweltbundesamtes empfohlen, Schimmelbefall präventiv zu beseitigen. Biozidanwendungen beziehungsweise Desinfektionen sind nicht geeignet, einen Schimmelschaden zu beseitigen. Bei komplett besiedelten Materialien hilft nur der Rückbau. Bei oberflächigem Befall können je nach Baustoff abrasive Verfahren zum Einsatz kommen.
Planungsphase
Folgende Punkte sollten ausreichend geplant werden:
- Konstruktionen sollten in jeder Phase möglichst fehlertolerant sein
- Baustoffe sollten anhand der technischen Merkblätter im Vorfeld individuell auf deren Eignung überprüft werden
- Materiallager: wo, wie, für welche Baustoffe geeignet
- Monitoring
- Witterungsschutz
- Notfallkonzept
- Bauabläufe
Eine gute Planung ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausführung.
Rohbauphase
Mit der Materialanlieferung sollten stichprobenartige visuelle und messtechnische Kontrollen des Materials erfolgen. Die Verantwortlichen sollten geeignete Messmethoden kennen und sicher anwenden, um belastbare Aussagen treffen zu können. Grundsätzlich sollten keine Aussagen bezüglich Materialfeuchtigkeit durch Handauflegung getroffen werden. Mineralwolle fühlt sich bei einer Ausgleichsfeuchte von 90 Prozent nämlich noch „staubtrocken“ an. Die Messergebnisse sollten dokumentiert werden.
Ausgleichsfeuchtemessung bei eingeschweißten Baustoffen, Messung des Mikroklimas in der Verpackungseinheit
Foto: Pia Haun
Hinweise zu maximalen Material-Feuchtewerten findet man je nach Baustoff in entsprechenden Regelwerken, technischen Merkblättern oder auch Bestellscheinen. Sollten bei der Eingangskontrolle Auffälligkeiten wie Verfärbungen oder zu hohe Materialfeuchten vorliegen, sollte die Annahme verweigert werden. Ist das angelieferte Material in Ordnung, erfolgt die Einlagerung auf der Baustelle. Das seitens der Bauherrschaft zur Verfügung gestellte Materiallager sollte vom Nutzer (Auftragnehmer) vorab auf Eignung überprüft werden. Sollte es den Anforderungen widersprechen, müssen schriftlich Bedenken angemeldet werden.
Ungeeignetes Materiallager auf einer Baustelle
Foto: Pia Haun
Nach der Lagerung und vor dem Materialeinbau muss stichprobenartig überprüft werden, ob sich während der Einlagerung Schädigungen ergeben haben. Im ersten Schritt wird eine visuelle Kontrolle durchgeführt. Bei Auffälligkeiten werden messtechnische Kontrollen empfohlen. Sind Verfärbungen vorhanden, sollten Proben entnommen und durch ein Fachlabor ausgewertet werden, um Schimmelbefall auszuschließen. Je nach Material eignen sich Folienkontakt- oder Materialproben.
Weist das Material Schädigungen auf, sollte auf einen Einbau verzichtet werden. Eine abrasive Reinigung verschimmelter Materialien führt in einigen Fällen zum Verlust zugesagter technischer Eigenschaften (technischer Mangel). Oder der Aufwand stellt einen wirtschaftlichen Totalschaden dar. Das Material muss gegen neues ausgetauscht werden.
Gemäß des Baufortschritts des einzelnen Gewerks, spätestens nach dessen Fertigstellung, sollte die schriftliche Abnahme erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Auftragnehmer für die Mängelfreiheit seiner Leistungen verantwortlich. In der Praxis erlebt man immer wieder, dass es nach der Fertigstellung eines Gewerks und vor der Abnahme durch ungünstige raumklimatische Konstellationen im Gebäude zu Schäden an Baustoffen und Bauteilen kommt und das Werk nicht mehr frei von Sachmängeln ist. Hier sollte der Auftragnehmer auf eine zeitnahe Abnahme bestehen, um Schäden von sich abzuwenden.
Fazit: Material bei der Anlieferung und vor Einbau auf Schäden kontrollieren. Auf eine zeitnahe Abnahme der Leistungen achten.
Ausbauphase
Technische Trocknung eines Neubaus
Foto: Pia Haun
Eine besonders kritische Phase beginnt mit dem Einbau der Fenster und den Ausbauarbeiten, da ein automatischer Luftwechsel und ein natürliches Abtrocknen unterbunden beziehungsweise erschwert wird. Ab der Ausbauphase wird empfohlen, die raumklimatischen Bedingungen regelmäßig mit Monitoringsystemen zu überprüfen. Sollten sich kritische Bedingungen ergeben, muss der Notfallplan mit entsprechenden Maßnahmen wie technische Trocknung, Baubeheizung, Probennahme usw. aktiviert werden.
Fazit: Mit Beginn der Ausbauphase sollten Raumklimadaten überprüft werden.
Winterbaustellen
Bauzeiten werden immer kürzer. Bei der Planung und Ausführung wird häufig darauf hingearbeitet, dass Bauprojekte mit Beginn der kalt-nassen Saison wetterfest sein sollen. Nach Möglichkeit sollen vor Weihnachten noch Innenputz sowie Estrich eingebracht und Aufheizprogramme der Fußbodenheizung gestartet werden. Durch die Aufheizung des Gebäudes reichert sich die warme Raumluft mit viel Feuchtigkeit an und steigt durch den unverschlossenen Zustieg bis in den Dachraum. Da die obere Dachspitze meist ungedämmt ist und bei niedrigen Außentemperaturen niedrige Oberflächen-Temperaturen vorliegen, bildet sich massiv Kondensat. Der Startschuss für Schimmelwachstum ist gegeben. Wenn die Bauherrschaft das Problem erkennt, bleibt wegen Betriebsferien der Auftragnehmer schnelle Hilfe aus. Es vergeht wertvolle Zeit, die zur Ausbreitung des Schadens führt – und das auf riesigen Flächen. Bauleiter sollten Bauabläufe entsprechend anpassen, wenn der Dachraum nicht verschlossen ist oder eine Ersatzkonstruktion einbauen. Putz und Estrich sollten so weit vor den Betriebsferien abgebunden haben, dass gegebenenfalls eine technische Trocknung gestartet werden kann.
Fazit: Bei Winterbaustellen muss der Zugang in den ungedämmten Dachraum beizeiten luft- und dampfdicht(!) verschlossen und das Raumklima kontrolliert werden.
Autorin
Dipl.-Ing. (FH) Pia Haun ist Bau- und Sicherheitsingenieurin sowie Inhaberin des Ingenieur- und Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. (FH) Pia Haun in Gusterath, www.ibHaun.de. Sie ist von der IHK Trier ö.b.u.v. Sachverständige für Holzschutz, von der HWK Trier ö.b.u.v. Sachverständige für das Holz- u. Bautenschutzgewerbe, Teilgebiet Bautenschutz (Schimmelpilzerkennung, -bewertung, -sanierung), Gast der Innenraumhygienekommission des Umweltbundesamtes zum Thema „Abschottung von Schimmelschäden“, Mitglied in der WTA Arbeitsgruppe 1.11 „Schimmel auf Holz und Holzwerkstoffen“ sowie Mitglied beim Bundesverband Schimmelpilzsanierung (BSS).